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Alte Vorurtheile und Gegensätze schwanden allmälig, die Bevölkerung hörte uns, sich
ausschließlich ans die Thätigkeit der Regiernngsorgaue zu verlassen und wurde an
Selbsthilfe und Selbstverwaltung gewöhnt. Das ganze Land gewann ein wesentlich anderes
Aussehen.
Der größte Fortschritt ist gewiß ans dem Gebiete des Coniinunieativnswesens zu
verzeichnen. Ein ganzes Netz von Eisenbahnen wurde gebaut, welches weite, von dem
Weltverkehre ziemlich entlegene Gebiete in einen unmittelbaren Zusammenhang mit demselben
brachte, und in einer Reihe von Land-, Bezirks- und Communalstraßcn seine Ergänzung fand.
Nach Maßgabe der Eröffnung neuer Absatzgebiete für landwirthschaftlichc Prodnete ist
auch der Werth des Bodens mehrfach gestiegen.
Dank den fortgesetzten Bestrebungen aller autonomen Factoren, welche vom Staate
wirksam unterstützt wurden, offenbarte sich aus dem Gebiete des Ackerbaues und der
Viehzucht, sowie ans dem der landwirthschaftlichen Industrie ein gewaltiger Fortschritt.
Neue Quellen des Reichthums sind auch erschlossen worden, vor allem die Naphtha-
Industrie, welche sich von bescheidenen Anfängen infolge großer Capitalsanlagen und
Vervollkommnung der Technik zu einer nicht geahnten Hohe emporhob.
Die Selbstverwaltung, die fortschreitende Volksausklürung und die mächtig entwickelte
produetive Arbeit haben auch nicht verfehlt, auf die sociale Gliederung der Bevölkerung
einen mächtigen Einfluß auszuüben. Die Einwohnerzahl der Städte ist bedeutend gestiegen.
Ein Bürgerthum beginnt sich zu entwickeln, an welchem es früher beinahe gefehlt hat und
dasselbe gestaltet sich zu einem wichtigen Factor auf dem Gebiete des geistigen und des
materiellen Lebens. Die bäuerliche Bevölkerung wirkt nicht nur in der communalen und
Bezirksverwaltung thätig und verständnisvoll mit, sondern sie nimmt auch durch ihre
Vertreter im Landtage an allen Fragen der Gesetzgebung und Verwaltung thätigen Antheil.
Die ganze Bevölkerung Galiziens ist sich aber dessen bewußt, daß sie die Möglichkeit
und die Bedingungen dieser nationalen Entwicklung, dieser friedlichen Arbeit und dieses
Fortschrittes auf dem Gebiete der geistigen und materiellen Cultnr der besonderen Huld
und Gnade Seiner Majestät des Kaisers Franz Joseph I. und dem mächtigen Schutze
der österreichisch-ungarischen Monarchie verdankt. So sind auch zwischen dem Lande
Galizien und dem Allerhöchsten Kaiserhause sowie der Monarchie die innigsten Bande der
Anhänglichkeit und der Dankbarkeit geknüpft worden, und jeder Besuch Seiner Majestät
des Kaisers, sowie der Mitglieder der kaiserlichen Dynastie im Lande gestaltet sich zu einein
Freudenfeste, weil er der gesummten Bevölkerung des Landes die Gelegenheit bietet, ihren
Gefühlen der Treue und der Dankbarkeit begeisterten Ausdruck zu geben. Huldvolle Worte,
welche bei dieser Gelegenheit Allerhöchsten Ortes dem Lande zutheil werden, gestalten sich
zu geflügelten Worten und geben der weiteren Arbeit einen sicheren Halt. Die Geschichte