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aus dem Hause Habsburg, Ladislaus IV. und seine Gemalin, sowie die Kinder dieses
Hauses schlummern in reichen, zumeist mit Basreliefs verzierten Sargkisten. Es folgen die
großen, monumentalen Särge der späteren polnischen Herrscher. Man vermißt unter ihnen
den Letzten, Stanislaus August Poniatowski; sein Grab muß man in weiter Ferne suchen,
in St. Petersburg. Hingegen haben zwei andere Männer in die Krypte der Könige Eingang
gefunden, zwei Heerführer: Fürst Josef Poniatowski, Marschall der napoleonischen Armee,
Ha^urä poiormis" und Thaddäus Kosciuszko.
Seit 1890 ruht in einer eigenen Gruft auf dem Wawel ein neuer Ankömmling:
weder ein König ist er, noch ein Krieger, es ist ein Dichter. Adam Mickiewicz, der größte
Sänger Polens, welcher in Constantinopel gestorben, dann in der Nähe von Paris
begraben worden war, ist von der Nation dieser höchsten Ehre gewürdigt worden. Er hat
sein größtes Werk mit einer Anrufung der Gottesmutter begonnen und ein Bild der
Jungfrau, eine Copie des durch seine Wunder berühmten Bildes, das er in seiner Jugend
in Litthanen sah, hängt heute über seinen irdischen Überresten. Bald wird ihm auch ein
Denkmal auf dem Ringplatz errichtet werden. Und doch ist Mickiewicz zu seinen Lebzeiten
niemals in Krakau gewesen. Den ganzen zweiten, längeren Theil seines Lebens hat er in
der Verbannung jenseits des Umkreises polnischer Lande zugebracht. Der einzige Dichter
ersten Ranges, welcher unsere Stadt besucht und allerdings in der Epoche ihres tiefsten
Verfalles besichtigt hat, war Goethe. Er weilte hier im Herbste des Jahres 1790.
Verlassen wir indessen die Königsgruft und treten wir an die Oberwelt in den
Hellen Tag hinaus, lauschen wir dem Geflüster der Bäume zu Füßen der Burg, dem
Rauschen der Weichsel und dem mächtigen Geläute der großen Kirchenglocke. Selten läßt sie
ihre Stimme ertönen; zu den großen Kirchenfesten nur, aber auch am zweiten Mai, ihrem
Namenstage. Sie trägt nämlich den Namen Siegmund, nach dem Könige Siegmund I.
Sie wurde im Jahre 1520 von dem Nürnberger Meister Hans Behem gegossen. Wenn
sie von der Höhe ihres eigenen, neben der Kirche einzeln dastehenden Thurmes erdröhnt,
durchbebt die ganze Stadt eine ungewöhnlich feierliche Stimmung.
Kehren wir in die Burg zurück und werfen wir aus ihren Nordfenstern einen Blick
hinunter auf die Stadt, so tauchen jenseits der schon beschriebenen Kirchen und des Kranzes
der Plantazionen die Vorstädte von Krakau auf. Links liegt der „Piasek" (Sand) mit der
Kirche und dem Kloster der Karmeliter. An einer Wand wird die in Stein ausgehöhlte
Fußform der Königin Hedwig gezeigt, einer jener Frauen, welche, wie etwa Jeanne
d'Arc, die Kirche nicht canonisirt hat, die aber die Volksmassen einer Heiligen gleich
verehren. Weiter rechts vom Beschauer liegt der „Kleparz", in den alten Documenten
»(llkPuräia," oder »Illorentia? genannt. Diese letztere Benennung verdankt die Vorstadt
der St. Florianskirche, die wohl ihren ursprünglichen Charakter fast ganz eingebnßt hat,