An der galizisch-bukowinischen Grenze, in dem Städtchen Sniatyn war es, wv er bei
seiner Ankunft am 10. August 1773 den Recognoseirungsbericht empfieng. Derselbe
entsprach ganz und gar den daran geknüpften Erwartungen. Die Erwerbung des ins
Auge gefaßten moldauischen Landstriches, berichtete Enzenberg, würde nicht nur für die
in Siebenbürgen und Ostgalizien stehenden Truppen die beste Verbindung schaffen,
sondern auch die Flanken jener Länder sichern. Sie würde aber auch den Aufschwung
des Handels zur Folge haben; denn die Waaren, die bisher aus der Türkei nach der
Ukraine und Podolien über Jassy giengen, würden ihren Weg über Bukarest, Kronstadt,
Bistritz, Czernowitz und Sniatyn nehmen. Was endlich die Gesinnung der Bewohner
anbelange, so würden sich die Bauern, die unter schwerem Joche seufzten, sofort für
Österreich erklären; aber auch der Adel und die Geistlichkeit würden, wenn sie auch
anfangs aus Furcht vor einem Machtverlust der neuen Herrschaft feindlich gegenüber
stünden, bald ihre Gesinnung ändern und das gerechte Scepter der österreichischen
Dynastie mit Freuden küssen.
Infolge des Enzenberg'schen Berichtes wurden alsbald einige Generalstabsofficiere
unter der Leitung des Hauptmanns von Mi eg mit der kartographischen Aufnahme des
an Galizien, Ungarn und Siebenbürgen stoßenden Grenzgebietes betraut. Mieg übernahm
den Landstrich, der von den Flüssen Pruth und Dniestr und dem sogenannten Bukowiner
Walde, d. i. von dem von Chotin gegen Südwesten bis in die Nähe von Czernowitz
streichenden und mit Buchen bestandenen Bergrücken eingeschlossen wird. Er sandte
am 17. September 1773 davon eine allerdings nur skizzirte Übersichtskarte an das
galizische Generalcommando, indem er gleichzeitig in einem längeren Berichte ebenso wie
Enzenberg die Vortheile der geplanten Gebietserweiterung auseinandersetzte.
Nun erübrigte noch, einen Rechtstitel aufzufinden, auf dessen Grund die Abtretung
jenes Theiles der Moldau von der Pforte gefordert werden konnte. Diese Aufgabe fiel dem
geschichtskundigen Obersten Baron v. Seeger zu, der denn auch im December 1773 den
Beweis erbrachte, daß alles moldauische Gebiet bis zum Bukowiner Wald und dem
Pruth, ja auch das weiter südlich gelegene Gebiet bis an den von Czernowitz gegen
Sereth und von da gegen Borgo laufenden Höhenzug einst einen Bestandtheil der nunmehr
zu Österreich gehörenden Königreiche Galizien und Lodomerien gebildet habe.
So sehr Fürst Kaunitz seinerzeit der Erwerbung der kleinen Walachei das Wort
geredet hatte, mit so großer Wärme trat er nun für die Verwirklichung des von Kaiser
Josef II. entworfenen Projectes ein. Dabei lag auch ihm der Gedanke fern, das angestrebte
Ziel durch die Gewalt der Waffen zu erreichen. Im Wege friedlicher Verhandlungen sollte die
Türkei bewogen werden, zu Gunsten Österreichs auf einen Strich Landes zu verzichten, der
für sie selbst nur geringe Bedeutung, für Österreich aber einen großen Werth zu haben schien.