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Czeremoszflusses bewohnen, zu beschreiben, ist eine erfreuliche Aufgabe, da dasselbe eiue
reiche Fülle vou Liedern und symbolischen Gebräuchen aus grauer Vorzeit in sich birgt.
Wir wollen unsere Beschreibung desselben nach dem Lebenslauf orduen und mit der Geburt
des Ruthenen beginnen.
Das rnthenische Kind (äitz'iru). Der rnthenische Vater sieht einem freudigen
Ereignisse, der Geburt eines Kindes entgegen. Je mehr sich diese Zeit nähert, desto zuvor
kommender ist er gegen seine Gattin und erfüllt ihr Verlangen (fair sju rmdaliue) nach
Lieblingsspeisen, Obst rc. sehr gerne. Einige Tage vor der Geburt des Kindes hantirt
schon die Hebamme (iuos?u, dabu oder pmvMeiru genannt) im Hause herum, vergißt
auch ja nicht, der Wöchnerin (poimirzma) unter den Polster Knoblauch, ein Messer oder
andere Eisenstücke zu schieben, um dieselbe gegen das Böse zu schützen, und bereitet alles
zur Geburt des Kindes vor. Ist dieses geboren, so wird es gleich gebadet, aus dem Bade
gehoben, wobei die Hebamme dreimal ausspuckt, um den Neugeborenen vor dem bösen Blick
zu bewahren und sodann in den Teigtrog gebettet, welcher die Stelle der Wiege vertritt.
Wer aus dem Hause geht, muß aus seinem Pelze einige Haare reißen und dieselben in die
Wiege werfen, um dem Kinde den Schlaf nicht zu vertreiben. Rothe Wolle wird um das
Händchen des Kindes gebunden, ein rothes Band hingegen an den linnenen Vorhang,
hinter welchem die Wöchnerin ruht, gegen den „bösen Blick" geheftet. So schlummert denn
das Kind in der primitiven Wiege, wobei ihm den Schlummer Wiegenlieder versüßen, wie:
„Schlaf, der ziehet ein
Bei dem Fensterlein,
Bei dem Zaune steht der Schlummer.
Frägt der Schlaf den Schlummer sachte:
Wo gedenken wir zu nachten?
Dort, wo Hütte warm und klein
Und ein herzig Knäbelein.
Heizin, schlafe, schlafe
Unter grünem Birnbäume.
Birnbaum wird erblühen,
Und N. N. wird wachsen.
Der Birnbaum wird Früchte tragen
Und N.N. wird gehen;
Die Birnen werden herabfallen
Und N. N. wird sie anflesen."
So lange das Kind ungetanst ist, muß bei demselben die Nacht hindurch ein Licht
brennen, weil sonst böse Geister sich dem Kind nähern und ihm Schaden zufügen könnten.
Deshalb säumt man auch nicht lange mit der Taufe; schon am zweiten Tage, spätestens
aber am achten Tage nach der Geburt findet dieselbe statt. Wie am Tagender Geburt selbst,
so kommen auch jetzt die nächsten Verwandten, Nachbarsleute und Freunde zusammen,
indem sie Geschenke, bestehend aus Hühnern, Mehl, Fisolen, Bohnen rc., mit sich bringen.
Aus ihrer Mitte wurden schon vorher die angesehensten zu Gevatter gebeten und nun gehts
in feierlichem Aufzuge, die Taufpathen mit Lichtern in der Hand voran, zur Kirche. Doch
dürfen nicht eine Schwiegermutter zugleich mit ihrem Schwiegersöhne oder mit ihrer