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der Kiczera vereinigen sich beide Czeremosz bei Usczerpki. Das Thal des Czerenwsz, das
an landschaftlichem Reiz jedes andere Thal der Bukowina übertrifft, wird schon durch die
zahlreichen Windungen interessant, die es von der Einmündung des Jakowiczorabaches zu
machen beginnt. Überall umstehen es namhafte Berge, die es mit ihren theils bewaldeten,
theils unbewaldeten Abhängen zwingen, eine andere Richtung einzuschlagen. Bei der Enge
des Thales ist eine Übersicht der Berge nur dann möglich, wenn man seinen Blick den
Fluß entlang richtet, oder wenn man das Bukowiner Ufer verläßt und das galizische betritt.
Da die Massage dort breit und niedrig, aus der Bukowiner Seite dagegen hoch und derart
schmal ist, daß nur an wenigen stellen zwei Wägen sich ausweichen können, so empfiehlt
sich das letztere als ungleich bequemer und zweckentsprechender. Bemerkenswerth ist das Echo,
das im ganzen Flußthal zu Hanse ist. Überaus malerisch erscheinen die Höhen, wenn sie
beim Auf- oder Untergange der Sonne erglühen, und wahrhaft herzerquickend ist der
Moment, wenn des Abends daS Alpenhorn erschallt, dessen Klang wehmüthig in die
dunkeln, schweigsamen -rhäler dringt. Von Jablonitza an beginnen Thalerweiterungen; mit
diesen treten blumige Wiesen und üppige Weideflächen aus. Der lang vermißte Anblick
freundlicher Obstgärten und Getreidefelder erfreut das Auge. Die schlanke, goldgelbe
Erscheinung der Sonnenblume niit ihren großen herzförmigen Blättern lenkt unsere
Aufmerksamkeit auf sich; dazu tritt der Gartenmohn mit seinen blaßrothen, überhängenden
Blumen. Ter Hans ift allgemein. Wo sich das Thal verengt, wie zwischen Dolhopole und
stebne und anderen Orten, dort freilich verschwindet für kurze Zeit das liebe Bild und es
treten alle jene Erscheinungen ans, die das Gebirgsthal charakterisiren. Beharrlich räumt
der Czeremosz seine Schotterbünke weg, die ihn im breiten Terrain eingeengt haben:
beharrlich nagt er an seinen felsigen Usern. Bon Gervllanhäufnngen und Sandbänken, die
die Spuren von Überschwemmungen wären, von Lachen, Sümpfen, Tümpeln, Mooren,
von alledem läßt sich nichts gewahren; hier macht der Fluß seine unbedingte Herrschaft
geltend und die Passage, welche die Ortschaften in Cvntact hält, muß sich ernstlich beglück
wünschen, daß sie in solchen Thalengen überhaupt existirt. An verschiedenen Stellen des
rechten Czeremoszusers ist der Weg in die Felsen eingehanen; dem Touristen wird es oft
genug recht unheimlich zu Muthe, wenn er die über seinem Haupte hängenden Schieferfelsen
erblickt, die bei geringer Berührung graublaue Plättchen zu Boden senden, begleitet von
jener Nässe, die beständig von den Felswänden herunterrieselt. Daß Felsabrutschungen
hier nicht zu den seltenen Dingen zählen, beweisen die vielen Felsblvcke, die theils an den
Usern, theils mitten im Flußbett des Czeremosz liegen und daß derartige Vorkommnisse
häufig mit Unglücksfällen verbunden sind, beweisen die zahlreichen alten und neuen Kreuze,
die ans dem Bergabhang zwischen Fluß und Weg die Unglücksstätten markiren. Meiden
ivir die straße und besteigen wir die Berge, so finden wir häufig neben bescheideneren auch