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viel Leichtigkeit mit Kraft vereint zu sehen, wie in den edlen Linien der Mostarer
Brücke. An den Ausgang der beiden Brückenfelder hat die Kampf- und Wehrlust zwei
starke hohe Thürme gesetzt, und so ist die Brücke selbst eine kleine Festung, und man
bezeichnet sie auch als „Grad". Allerdings dürste man früher auch die bestandene
Stadtmauer mit ihren dreizehn Thürmen darunter verstanden haben, welche, anher in
den localen Ereignissen, auch wiederholt zur Vertheidigung gegen die Venetianer gedient
haben. Diese Befestigungen sind jedoch bis auf einen einzigen Thurm, der jetzt als
Pulverdepot dient, verschwunden. Gegenwärtig dient eine größere Anzahl von Werken
auf den Scheiteln der umliegenden Höhen zur Armirung der Stadt. Doch auch die
Narenta verdient das Lob, das ihr von der Höhe der Brücke ans gespendet wird. Sie ist
hier so tief, daß sich Kinder damit zu belustigen wagen, von der Brücke aus hinabzu
springen, und gefällt sich in den absonderlichsten Uferbildungen. Sie durchwühlt das
horizontal geschichtete Gestein, spaltet es in scheinbar frei übereinander schwebende Platten,
formirt Risse und Höhlen, gräbt sich Gallerien und schleppt große Blöcke in ihr Bett, an
denen sich dann die Wellen rauschend brechen. Manchmal bedeckt sie alles mit wilden
Wogen — bei Herbstregen oft um 12 Meter steigend — und bei Niederwasser liegt sie
ganz glasig zwischen den hohen, wie antike Mauerreste aussehenden Ufern.
Die Brückenviertel der Stadt ergänzen das stimmungsvolle Flußbild mit vielen
malerischen Einzelnheiten und lösen sich dann in lichte, ausgeglühte, mit Kalkstanb
bedeckte Gassen auf, die auch der hartnäckigste Landregen niemals aufzuweichen vermag.
Die steinernen Häuser wenden der Gasse zumeist ihre fensterlose Kehrseite zu, und die
hohen roh gekitteten oder trocken aufgehäuften Gartenmauern verstärken an manchen
Stellen den Eindruck, als wäre man in einen trockenen Festungsgraben gerathen. Aber
das Grün, das endlich wieder zu Recht gelangt, macht Alles wett. Laubkronen und
Cypressenspitzen schauen über die Mauern. Tiefdunkle Friedhosshaine umschatten die
Moscheen, die hier alles Gleißenden entbehren, denn sie sind grauer Stein von den
Bodenplatten bis zu dem Knaus des niedrigen Minaret. Auch die vornehmste, inmitten
der Stadt liegende Karagjöz-Moschee, welche dereinst nebst dem nahegelegenen Uhrthurm
die schöne, unbändige Fatima-Kaduna gebaut, läßt sich von herrlichen Clematis-Arten
umkränzen und die Flämmchen des Granatbaumes züngeln über das Gemäuer. Und
wenn auch ringsum zwischen dem Felsgehänge Schaaren von Raubvögeln mit lautlosen
Schwingenstößen über die Stadt huschen, beherbergen deren Gärten dennoch eine reiche
Menge an jubilirenden Singvögeln, und in den weichen Frühlingsnächten wird inmitten
der Stadt das Schluchzen von Hunderten von Nachtigallen laut. Eine Specialität
Mostars sind die verwilderten Lachtauben, die man nur an sehr wenigen Orten auf dem
Balkan antrifft.