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Und diesen Weg, auf welchen der Hajduck seinen „Djemadan" hinwarf, den kein
Reisender überschreiten durfte, ohne das Lösegeld darauf zu legen, während der „Herr der
Berge" hinter einer Klippe mit angeschlagenem Gewehr lag, nahmen die Karawanen
durch Jahrhunderte, weil es eben keinen anderen zwischen Mostar und Sarajevo gab.
Die Gebirgsmassen westlich der Durchbruchsengen der Nareuta sind vollständig
ungangbar. Die Steillehne, deren ununterbrochene Flucht die Bahnlinie aus dem Bjelo-
polje in das große Defile geleitet, stützt die menschenleeren Hochflächen der Ra^kagora,
die in breiten Stufen zur verwitterten Cabulja-Planina Hinansteigen. Der Schroffen-
Fa^ade der Cabulja stehen die Stützmauern der Cvrstnica gegenüber, der bedeutendsten
Bodenerhebung der Hercegovina. Die Gipfelhöhen der Cvrstnica werden wohl von dem
südlichen Grenzwüchter, dem Maglik, übertroffen, aber dafür erhebt sich die ganze,
gewaltige, fast quadratisch aufgebaute Masse der Cvrstnica an vielen Stellen über die
Höhe von 2000 Meter.
Die Karstflächen der ganzen Cvrstnica, die außer Krummholz nur die Panzerkiefer
an ihren Rändern trägt, bieten eine ausgezeichnete Alpenweide, und das fehlende Wasser
ersetzt der Schnee. Den Mittelpunkt der zahllosen Sennereien, welche den Sommer über
die Cvrstnica beleben, ist die in einem Kessel am Fuße des Vilenac gelegene Sennerei
„Spasinstan", und die abwechslungsweise aus verschiedenen Theilen des Landes die Alpe
beziehenden Hirten richten in den Detailbenennungen des Cvrstnica-Massives eine ständige
Confusion an.
Wenngleich die Häupter des Prenj nicht die höchste Meterzahl aufweisen, so ist er
doch der königliche Gebirgsstock des ganzen Landes. Auch er schiebt sein imponirendes
Massiv weit hinauf in Wolkenhöhe, läßt es dann aber dort in Zinnen, Thürme, Mauern
und Kegel ausklingen, gleich der himmelwärts strebenden Zier gothischer Kathedralen.
Das stolze Haupt umwallt unvergänglicher Firnschnee, und an der gedrungenen Gestalt
des Bergriesen gleitet es wie ein weiter Mantel in majestätischen Falten herab, deren
Saum unten die gleißende Narenta ist, die ihn nahezu in einem Bogen umklammert.
Über Alpenmatten wachsen die scharfen Schneiden mit ihren Riffen und Kämmen
auf und verknüpfen sich untereinander zu einem dichten Netze, deren Knoten die Gipfel
tragen. Die Vertiefungen sind mit ungeheueren Massen ewigen Schnees ausgefüllt, und
manches Merkmal erzählt von Gletschern, die dereinst hier bestanden.
Zwischen dieser Berge düstrer Felsenbrust zwängt sich der moderne Weg. Von der
kleinen Station Raskagora an schneidet sich ober der dahinlärmenden Bahn nur mehr
ein schmaler Streifen Himmelsblau aus; aber an den Lehnen findet noch so viel Erdreich
Platz, daß die goldenen Blütentrauben des Ginster, dem hier die Granate bereits weichen
mußte, die Wände förmlich verkleiden. Dann reichen wieder von oben Schuttmoränen