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aus dem Herrschgebiete des Steines in jenes des Holzes. Und so vollständig bar an
geschichtlichen Erinnerungen das große Defile, so reich an mittelalterlichen Burgruinen
und Gräbern ist die Strecke zwischen Jablanica und Konjica, des berühmten Ramathales
nicht zu gedenken.
Aus einem langgestreckten, von sanften Hügelketten begleiteten Seitenthale fließt
die „kleine Narenta", die „Neretvica" bei Ostrozac in den großen Fluß, in einer aus
gezeichneten Obstgegend, deren Äpfel und Birnen bis in die Monarchie exportirt werden.
Die Pflaume, die herrschende Fruchtgattung in Bosnien, gedeiht jedoch hier nicht.
Die Haltestelle Lisicici an der Mündung des forellenreichen Jdbarbaches bezeichnet
den Beginn des bequemsten Aufsteiges auf den Prenj. Der Bach verliert sich bergauf in
einem Walde, der eine Mischung sämmtlicher Nadelhölzer des Landes und überdies noch
zahlreiche Laubhölzer aufweist. Die ersten Wände steigen noch im Walde ans und tragen
sehr viel Edelweiß, welches weiter oben sich sonderbarerweise nicht mehr findet. Wie man
die Holzregion, deren letzter Gürtel aus der hercegovinischen Panzerkiefer besteht, verläßt,
ist es, als ob ein Vorhang weggezogen würde, der den schönen Otis mit seinem Anhang
von Felspartien bis dahin verdeckte. Reiche Gemsenstände locken auch Jäger auf diesen
überaus lohnenden Hochgebirgspfad.
Zwischen coulissenartig von allen Seiten sich vorschiebenden Bergwällen und Fels
kolossen dringt die Bahn in das Kesselthal von Konjica ein. In dem kleinen überwiegend
mohammedanischen Städtchen zeigen sich noch die herecgovinischen Steindächer. Aber die
Bewohner des direct von der Borasnica nach Konjica herablaufenden grünen Bjelathales
beschäftigen sich gerne mit der Anfertigung jener originellen geschnitzten Truhen aus
Nußholz, der „Sandnks", in welchen die Braut ihrem Auserwählten die Kostbarkeiten
ihrer Ausstattung zuführt. Hier endet auch der Mittellauf der Narenta, die eine fünfbogige
türkische Steinbrücke, die vornehmste Zier der Stadt, überspannt. Nächst der Brücke von
Mostar vermittelte diese früher den ganzen Verkehr über die Narenta und leitete auch die
vom Jvansattel herabkommende Straße in der früher erwähnten Richtung weiter nach
Mostar. Man muß diese historische Handels- und Heeresstraße gesehen haben, um sich
einen annähernden Begriff von den enormen Schwierigkeiten zu machen, unter welchen bis
in die Neuzeit hinein der Verkehr zwischen Bosnien und der Hercegovina litt. Der Anblick
des schönen, bergumkränzten Borkesees, den diese Route gewährte, bot dafür keine
genügende Entschädigung.
Die große Erhebungskette, die von dem Fojnicaer Urgebirge an als Bjelasnica,
Treskavica und Zelengora mit allen ihren Nebenstöcken bis zum Cemerno-Sattel an der
Grenze Montenegros die Wässer Bosniens von denen der Hercegovina scheidet, bietet als
besten Übergangspunkt den Sattel der Jvan-Planina dar. Es ist ein reichgegliedertes