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Ganz abweichend von der weit verbreiteten Anschauung, daß die Gebärmutter ein
selbständiges Lebewesen sei, glaubt der Bosnier, daß sie ein dreitheiliger Schrank sei. Im
ersten Fach reifen die Frühgeburten, im zweiten die normal ansgetrngenen, im dritten
endlich die Spätgeburten.
Die Nachgeburt (poKsteäak, pomotaü, rocistja) wird sorgfältig vergraben oder in
fließendes Wasser geworfen. Will man verhüten, daß die junge Mutter bald wieder
schwanger wird, so wird der Mutterkuchen geviertheilt und in einen Strumpf gebunden.
Die Schonung, die sich eine Wöchnerin gönnt, ist nicht gar groß. Häufig verläßt sie
schon nach drei Tagen das Bett, um ihrer gewöhnlichen Arbeit nachzngehen, und doch
hört man selten von üblen Folgen dieses leichtsinnigen Vorganges.
Das neugeborene Kind wird einer Reihe von Procednren unterzogen, die unseren
Anschauungen theilweise fremd sind. Die „UabioeU durchschneidet die Nabelschnur mit
einein Messer und niemals mit der Scheere, da sonst die Wöchnerin nur noch Mädchen
gebären könnte, was durchaus nicht wünschenswertst ist, denn nach dem Volksspruch ist
es besser, einen tobten Sohn zur Welt zu bringen, als eine lebende Tochter. Die Nabel
schnur wird mit einer rothen Seidenschnur abgebunden, sodann ein Stück Wachstaffet
darüber gelegt und aus einem weichen Leinenwulst ein Ring darum gelegt, das Ganze
aber mit einem um den Körper geschlungenen Bande festgehalten.
Das erste Bad, welches das Kind sofort nach der Geburt erhält, wird oft durch ein
Glas Wein verstärkt. Die erste Toilette des Kindes besteht aus dem genannten Verbände,
einem Hemdchen, Käppchen und den Einhüllungen (povoj), welche aus einer weichen
Unterlage (pockmetaü), den Windeln (peleira) und dem Umschlagtuch (povoj) besteht.
Diese Stücke sind zumeist aus Wolle. Jedes Kind trägt durch 40 Tage eine feste Kopf
binde, damit es „gesünder" werde und einen „kleinen Mund" bekäme, was an das künst
liche Zusammenpressen des weichen Kinderschädels bei einzelnen Urvölkern erinnert. Diese
Binde besteht ans einem Umschläge, welcher vom Scheitel unter das Kinn gezogen wird
und, festgebnnden, den Kopf flach drückt (poäbraclak).
Kinderjahre. — Nun wird das Kind neben die Mutter gelegt und bleibt neben
ihr mindestens drei Tage. Das Lager des Kindes wird auf eigenthümliche Weise bereitet:
zwei Wollkrempeln (grobem) werden derart auf den Boden gelegt, daß die Zähne der
Krempeln einander zugekehrt, die Stiele aber uach oben gerichtet sind. Zwischen beide
Krempeln und auf die Zähne wird der Kopfpolster des Kindes gelegt. Auf die beiden
Stiele wird ein halbkreisförmig gewundener knospender Ast fest gebunden und daran
die Decke gehängt. Erst nach Ablauf einiger Tage wird das Kind in die niedere, stets sorg
fältig überdeckte Wiege gelegt und zum erstenmale von einem Knaben gewiegt. Bis zur
Taufe darf das Kind nicht außer Haus gebracht werden.