beim Weiterverkauf der Glasstengel einem widerstandslosen Proletarier, beim Weiterverkauf der
fertigen Waare aber dem wirthschaftlich stärkeren Exporteur gegenübersteht...
Ein Durchschnittsbeispiel bei einem Preis von 6 V2 kr. per Bund wird uns belehren, wie sich die
Wochenrechnung dieser „unabhängigen“ Arbeiter stellt. Der einzelne Drücker erzeugt in diesem
Fall bei sechzehnstündiger täglicher Arbeit 100 Bund in der Woche.
Er hat also eine Einnahme von fl. 6'50
Dieser stehen Ausgaben gegenüber, und zwar:
Glas (10 Kilo ä 18 V2 kr) fl. 185
Anreihen (10 kr. per 1000 Dutzend) ” 1 —
Wolle und Nadeln ” —15
Oel ” 1-30
Werkzeugquote ” -20 fl. 4 50
Es verbleibt somit ein Lohn von fl. 2-
Dieser für 6mal 16stündige Arbeit, also für 96 Stunden. Der „unabhängige“ Lampendrücker muß
also seine Arbeitskraft um den Stunden preis von zwei Kreuzern verkaufen. Drei von
ihnen, die zwei Brüder und deren Schwager, haben die Wohnung in dem anstoßenden Haus,
das dem Vater der Brüder gehört, umsonst. Jeder von ihnen, auch der vierte Arbeiter, zahlt
1 fl. 70 kr. wöchentlich Kostgeld, wofür die beiden Brüder auch noch die Kleidung bekommen.
Der Vierte soll auch noch 20 kr. Zins in der Woche zahlen. Aber der Hausherr selbst sagte mir:
„Jetzt, bei diesem Verdienst, ist es ihm unmöglich, das zu zahlen.“ Er zahlt also auch keinen
Zins. Hätte der Hausherr nicht 1 Joch Grundeigenthum und 2 Joch im Pacht, worauf er Alles
baut, was die Familie für den Haushalt braucht, so müßten die vier jungen Arbeiter, das Weib und
die zwei Kinder des Einen und die alten Leute verhungern. Nur dadurch und durch das Zusam
menwirken aller Kräfte ist es möglich, diesen Haushalt aufrecht zu halten.
Anreiherinnen. Die Arbeit des Anreihens oder Anfädelns der kleinen durchlochten Stein-
chen mannigfaltigster Form ist fast ausschließlich Frauen= und Kinderarbeit. Den zwei
ten Tisch in jeder Lampendrückerstube nehmen die Anreiherinnen ein. Längs der Wände ziehen
sich gewöhnlich Bänke, die zur Nachtzeit wohl auch als Liegerstatt für die armen Teufel dienen,
die 15 is 17 Stunden gearbeitet haben. Auf diesen Bänken - vor sich den Tisch - sitzen die An
reiherinnen. Entweder auf dem Tisch aufgehäuft oder vor sich im Schoß haben sie einen Haufen
von Posamenterieperlen. In der rechten Hand, eingeklemmt zwischen Daumen und Zeigefinger,
halten sie fächerförmig ausgebreitet zehn, zwölf etwa 15Centimeter lange dünne Nadeln, mit
denen sie so lange in den Haufen schwarzer Glasperlen stechen, bis sich an den Nadeln genü
gend Perlen angereiht haben. Dann streifen sie die Steinchen auf die in den Oesen hängenden
Baumwollfäden. Dieser mechanischen Thätigkeit muß die Anfädlerin 15, 16, 17, ja selbst
18 Stunden im Tage obliegen, wenn sie nur einige Kreuzer verdienen will. Der höchste Preis, der
für das Anfädeln von tausend Dutzend - das ist in diesem Falle die Einheit - gezahlt
wird, ist nach meinen Erhebungen 11 kr. Der gewöhnliche Preis ist 10 kr. Ich habe aber auch Ar
beiterinnen angetroffen, die 4 V2 kr. für das Anreihen von 1000 Dutzend bekommen. Das ist al
lerdings ein Ausnahmsfall wahnwitzigster Ausbeutung.
Wie viele 1000 Dutzend können flinke, nimmermüde Anfädlerinnen nun fertigbringen? Das rich
tet sich nach dem Material. Sind die Löcher der Steinchen verstopft, dann muß die Anfädlerin
froh sein, wenn sie im Tag - darunter sind immer 15 bis 18 Stunden zu verstehen - zehn Bund,
also 1000 Dutzend, fertigbringt. Ist die Waare gut, dann kann sie bis zu 25 und selbst 30 Bund im
Tag anfädeln. Den häufigsten Lohn von 10 kr. angenommen, kann sie also 10 bis 30 kr. im Tag
verdienen. Die Anfädlerinnen des Lieferanten Tornesch aus Labau arbeiten „nur einen halben
Tag“, das sind nach ihrer Angabe zwölf Stunden. Sie haben großlochige Perlen aufzufä
deln. Davon können sie in dieser Zeit 25 Bund, also 2500 Dutzend, fertigstellen. Das Tausend zu
4 V2 kr. gerechnet, heimsen sie also für zwölfstündige Arbeit einen Lohn von 11 'U kr. ein - sie
bekommen also für die Stunde rastloser Thätigkeit nicht einmal einen Kreu
zer.
Die Wochenrechnung einer Hausmutter, die sieben Personen um 4fl. in der Woche
verköstigen muß, stellt sich im Sommer wie folgt:
448