nen eigenen Penis quasi eliminiert, indem er das Photo knapp
über der Hüfte einfach abschneidet.” Als Antwort auf dieses
Plakat veröffentlichte Benglis In Artforum eine Reihe von pin-
up-artigen Photos, die in der Novemberausgabe der Zeit
schrift kulminierten, wo sie nackt mit eingeöltem Körper,
Sonnenbrille und einem überdimensionalen Phallus zwischen
den Beinen posierte. Durch die visuelle Verspottung von
Morris erbärmlicher patriarchalischer Positur demonstrierte
Benglis, wie stark und selbstbewußt der feministische Diskurs
geworden war. Die Welt hatte sich zwischen 1960 und 1974
eindeutig radikal verändert.
Barbara T. Smiths Feed Me (1973) markiert einen wichtigen
Schritt in der Entwicklung, die von Lebels erotischer Objekti
vierung der Frau zum Feminismus führt, und illustriert eine der
möglichen Ebenen, auf der die sexuelle Revolution in die sieb
ziger Jahre weitergetragen wurde. Feed Me, ein äußerst
intimes Werk, wurde als Mittelpunkt des hochgradig maskuli-
nisierten Happenings Sound Sculpture As aufgeführt, das
Tom Marion! im San Francisco Museum of Conceptual Art
veranstaltete. Marionis Stück Pissing (aufgeführt von Allan
Fish, der von Marion! kreierten Figur, die es ihm ermöglichte,
gleichzeitig Künstler und Kurator zu sein) ist ein typisches
Beispiel für die Klang-Stücke, die die männlichen Künstler an
diesem Abend aufführten. Fishs (alias Marion!) Aktion bestand
darin, den ganzen Abend Bier zu trinken und jedesmal, wenn
er sich erleichtern mußte, auf eine Leiter zu steigen und in eine
Metallwanne zu pissen, in der "die Tonhöhe proportional zum
steigenden Wasserpegel abnahm«." Mel Henderson hinge
gen »lief unruhig mit einem 30er Gewehr in dem geräumigen
Loft auf und ab, zielte und feuerte einen einzigen Schuß auf
einen Tiger in einem Film, der auf einen mit Papier überzoge
nen Sägebock projiziert wurde«. Smith ihrerseits hatte sich
einen abgeschlossenen Raum gebaut, in dem sie während
73 Mira Schor, »Representations of the Penis«, in: M/E/A/N/l/N/G, 4,
November 1988.
74 Tom Marioni, zitiert in: Performance Anthology, S. 12. Lebel erklärte:
»Auch in >120 minutes« gab es Piß-Szenen....Billy Copley pißte von
einer Leiter in ein Rohr (eine Anspielung auf einen Brauch der Huichol
Indianer, die den Urin desjenigen auffingen, der Peyotl gegessen hatte,
weil das psychotrope Alkaloid der Pflanze darin erhalten blieb; die
anderen tranken die Pisse und wurden praktisch »kostenlos« high.
Dieses Ritual gründete darin, daß Peyotl für die meisten Indianer
eigentlich zu teuer war, und auf diese Weise konnten alle gemeinsam
von einer einzigen Peyotl-Knospe profitieren.) Im selben Happening
pinkelte eine nackte Frau, Marianne, vom zweiten Rang aus auf das
Publikum, bevor sie sich an einem Seil herabließ, um noch andere
Dinge zu tun. Und all das passierte Jahre vor Karen Finley, Cicciolina
oder Annie Sprinkie (und ich bewundere diese Frauen zutiefst als
Performerinnen, Pisserinnen und Künstlerinnen) - auch wenn dieses
ganze Gepisse heute etwas kindisch anmutet. Aber ich versichere
Ihnen, 1966 war es Dynamit und so ungefähr die wildeste
des ganzen Abends splitternackt jeweils einzeln Besucher-
Teilnehmer empfing, die mit ihr interagierten. Der boudoir
artige Raum war mit einer Matratze, Weihrauch, Blumen,
Körperölen, Wein, Partum, Tüchern, Musik, Tee, Büchern,
Marihuana und einem Heizöfchen ausgestattet, und die
Teilnehmer sollten die Künstlerin und sich selbst in einem
Austausch von »Konversation und Liebe« »füttern'«. Auf
die Frage, wie sie sich dabei fühle, das Bild einer Frau
als »Kurtisane und Odaliske« zu schaffen, antwortete Smith,
daß solche Frauenbilder Teil des »realen Lebens« und
der »Phantasie« seien. In dieser wie auch in folgenden Arbei
ten unternahm Smith - ähnlich wie Orlan in Frankreich -
den Versuch, zwischen dem kulturellen Bild der Frau als
»Jungfrau und Hure«, patriarchalischen und feministischen
Diskursen, ihrer eigenen Verwendung von Performance
als einem »Vehikel für eine persönliche Venwandlung« und
einer Form des »erweiterten Bewußtseins in der Welt« zu
vermitteln.”
Wenn der Körper als psychologische und politische Waffe ein
gesetzt wird, wie Lebel es in seinen Happenings getan hat,
wenn die Bedingung von Kunst als Ware und ihre raubgierige
Vermarktung als »$hit« (Lebel) entlarvt wird, kann man solche
Kunstaktionen (und -körper) nur besiegen, indem man
sie ignoriert: Unterdrückt die Körperlichkeit und die Diskurse,
die um sie herum entstehen, solange, bis beide in das
Austauschsystem zurückmanövriert werden können, gegen
das sie sich richten.
V. Wir, Multiples
Ich habe lange Zeit gezögert, ein Buch über Frauen zu
schreiben. Das ist ein Reizthema, besonders für Frauen;
und es ist nicht neu.
- Simone de Beauvoir, 1953”
Körpersprache, die man sich vorstellen konnte. Der italienischen
Presse zufolge wirbt das Prostitutionsgewerbe heute ganz offen für
käuflichen Piß-Sex, was vielleicht daran liegt, daß die weltweite
Seuche AIDS .neue« oder andersartige Sexualpraktiken in die Öffent
lichkeit getrieben hat. Oder vielleicht daran, daß alle menschlichen
Aktionen oder Bedürfnisse am Ende doch zu Supermarktwaren wer
den, die von den Opfern der Mode geschluckt und imitiert werden. Ist
Kunst ein soziales »Labor«, was ich hoffe, so haben Künstler über die
Verwendung ihrer Arbeit keine Kontrolle. Im Mai 1968 hatte ich das
Gefühl, daß das »soziale Labor« der Kunst sehr positive Ergebnisse her
vorbrachte. Und das ist ja nicht immer so, nicht wahr?«, Auszug aus
einem Brief von Lebel an die Autorin, 23. Oktober 1997.
75 Barbara T. Smith. »Birthdaze«, in: High Performance, 4, 3, Herbst
1981, S. 19-24.
76 Simone de Beauvoir, »Introduction«, in: The Second Sex, New
York 1953, nachgedruckt in: Linda Nicholson (Hrsg.), The Second
Wave: A Reader in Feminist Theory, New York - London 1997, S. 11.