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Bruce Nauman, Slow Angle H/a/A (Beckett Walk) 
(Langsamer Winkelgang [Beckett-Gang]), 1968 
tionen miteinzubeziehen. Er selbst sagte dazu einmal: »Jemand 
anders macht dann die Erfahrung seibst, anstatt nur zuzusehen, 
wie ich sie mache,«® Performance Corr/dor war ursprünglich 
das Requisit für Naumans Video Walk wäh Contrapposto (1968), 
bei dem er sich dabei fiimte, wie er eine Stunde lang in stili 
sierter Form in einem Korridor auf und ab ging, der aus zwei 
freistehenden Wänden von etwa 3x8 m bestand, die nur etwa 
50 cm voneinander entfernt aufgestellt waren. Diesen Gang 
baute er als Performance Corridor für die Ausstellung »Anti 
lllusion: Procedures/Materials« im Whitney Museum of Ame 
rican Art in New York vom 19. Mai bis 6. Juli 1969 erneut auf 
und bemerkte dazu: »Dieses Stüok ist wichtig, weil ich dadurch 
auf die Idee kam, daß das Publikum in ein Werk miteinbezo- 
gen werden konnte, ohne daß die Teilnehmer in der Lage wären, 
das Werk zu verändern«; er schrieb weiters: »Die, die hinein 
gingen, erlebten merkwürdige Dinge.«™ Der Kritiker Peter 
Schjeldahl beschrieb das Werk auch tatsächlich als »rück 
sichtslos ... düster... klaustrophobisch .«^' Performance Cor 
ridor leitete eine Serie von Werken ein, die Naumans zuneh 
mendes Interesse an Korridoren, Durchgängen und psycho 
logischdefinierten Räumen verdeutlichten. Nauman entfernte 
sich ganz bewußt von der freien Entfaltung performativer Akti 
vitäten und fand »eine Möglichkeit, eine Situation so einzu 
grenzen, daß jemand anders die Performance durchführen, 
aber dennoch nur das tun kann, was ich will. Eigentlich stehe 
ich einer Beteiligung des Publikums skeptisch gegenüber und 
versuche, solche Werke so eng wie möglich zu fassen.«™ 
Performances der siebziger Jahre 
Vito Acconci versuchte sich zunächst als Poet, schuf dann 
eine Reihe von wichtigen Performances und wandte sich 
schließlich performativen Werken in anderen Medien zu. Er 
beschäftigte sich lediglich von etwa 1969 bis 1974 mit der 
Performance. Seine höchst simplen, aber psychologisch aus 
geklügelten Aktionen waren erfolgreiche, öffentliche und 
völlig unmittelbare Darstellungen seiner eigenen Person, bis 
er bei seiner Vorführung von Command Performance (1974) 
dem Zuschauer die Rolle des Künstlers übertrug. Die Kör 
perexperimente solcher Künstler wie Chris Bürden, Paul 
McCarthy, Marina Abramovic, Gina Pane und vieler anderer 
sind ohne die Vorreiterrolle, die Acconci für kurze Zeit inne 
hatte, undenkbar. 
Die formalen körperlichen Übungen in Acconcis frühen, häu 
fig wie Aufgaben strukturierten Werken schlugen schnell in 
körperliche und psychologische Attacken um - das galt 
sowohl für ihn als auch für das Publikum. Ganz in der Tradi 
tion Fontanas, aber völlig ohne Leinwand, führte Acconci 1970 
vor laufender Kamera Trademarks auf: »Mich beißen: Meinen 
Körper überall beißen, wo ich hinkomme. Tinte auf die Bisse 
auftragen; den Bißabdruck auf verschiedene Oberflächen stem 
peln.«™ Andere Aktionen wurden in weiteren Kurzfilmen auf 
gezeichnet: In Shadow Box (1970) schattenboxte Acconci bis 
zur Erschöpfung. In Blindfold Catching {1970) ließ er sich »mit 
verbundenen Augen immer wieder mit Gummibällen bewer 
fen«. In Hand and Mouth (1970) schob er seine »Fland in den 
Mund, bis es mioh würgt und ich meine Hand herausziehen 
muß; diese Aktion für die Dauer des Films wiederholen.« 
Von 1970-72 produzierte Acconci eine wahres Feuerwerken 
Performances. Acconci führte seine schnell ausgedachten und 
rasch realisierten Aktionen, die eher auf kurzen Notizen denn 
auf ausgefeilten Skripten basierten, in einem atemberauben 
den und zweifellos höchst anstrengenden Tempo auf. In Run- 
off New York (Juli 1970) lief er zwei Stunden lang am Stand, 
bis er heftig zu schwitzen begann. Dann »lehne ich mich an 
die Wand und bewege mich hin und her - es gibt eine che 
mische Reaktion des Schweißes mit der Farbe, die Farbe 
färbt auf meinen Körper ab.«™ In einer Umkehrung von Kleins 
Anthropometries ist es nicht der Körper, der Farbe aufträgt, 
sondern die Farbe, die sich auf den Körper überträgt. 
1972 erwachte Acconcis Interesse an psychologisch aktivierten 
Gestaltungen architektonisch konstruierter Räume, das ein 
Leben lang anhalten sollte. In Seed Bed (1972) baute er eine 
niedrige hölzerne Rampe, die leicht zur Wand der Sonnabend 
Gallery hin anstieg. Er legte sich darunter, masturbierte und 
sprach mit seinem »Glied«, während die Geräusche über einen 
Lautsprecher in die Galerie übertragen wurden. So war er zwar 
räumlich von seinem Publikum getrennt, begann aber, die Rolle 
der Betrachter/innen umzukehren, indem er die Bewegungen, 
die diese über ihm machten, in seine orgiastischen Phanta 
sien miteinbezog. Diese Performance war Acconcis erster Ver- 
69 lbid.,S.78. 
70 lbid.,S.77. 
71 Peter Schjeldahl, »New York Letter«, in: Art International, 13, 
7, September 1969, S.71, zitiert in: Neil Benezra, »Surveying 
Nauman«, in: Snjce Nauman (wie Anm.67), S. 26. 
72 Bruce Nauman in: Willoughby Sharp, »Nauman Interview«, 
in: Alts Magazine, 44, 5. März 1970, S.26, zit. in: Schimmel 
(wie Anm. 67), S. 77. 
73 Vito Acconci, Avalanche, 6, Herbst 1972, S. 14-18. Alle Beschrei 
bungen von Acconcis Arbeiten stammen aus dieser Quelle. 
74 Ibid.
	        
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