Ausformung (Abb. 108) ursprünglich gar nicht zu der Porzellanfigur gehörte, sondern
offenbar nach einer Beschädigung durch die viel zierlichere Hand einer anderen Porzellan
figur ersetzt wurde. Der Blumenstrauß ist demgemäß ebenfalls anders geformt. Beide
Ausformungen sind wieder durch den eingepreßten Bindenschild in die Zeit von 1744 bis
1749 zu datieren.
Für die letzte im österreichischen Museum aufbewahrte ,,Callotto“-Figur konnte ich das
graphische Vorbild in der Göttinger Ausgabe des „Callotto resuscitato“ nicht finden
(Abb. 113). Und gerade diese Figur ist mit dem Wiener Bossiererzeichen T versehen, wenn
sie auch keinen Bindenschild aufweist.
Noch im zwanzigsten Jahrhundert beeindruckten die Wiener „Callotto-Figuren“ die
Porzellanmodelleure. Zum ersten Brand der Wiener Porzellanmanufaktur Augarten — am
20. August 1923 - zählten die „Ursula Schleglin” (Abb. 109, nach dem Vorbild Abb. 108)
und der ,,Callotto”-Zwerg (Abb. 112). Die Beschriftung auf der Sockelunterseite (Abb. 111)
lautet: „Erster Brand 20/VIII 1923.“ und wird somit dem historischen Anlaß gerecht. Als
weitere Kennzeichnung finden wir die eingepreßte Zahl 101 sowie - vermutlich ebenfalls ge
stempelt - einen Bildenschild mit einem W (= Wien).
Ihr Vorbild hatten die beiden Figürchen nun nicht im „Callotto resuscitato“, welcher Ausgabe
auch immer, sondern direkt in den beiden Wiener Porzellanen der alten Wiener Manufaktur,
die heute noch in der Schausammlung des österreichischen Museums für angewandte
Kunst zu sehen sind (Abb. 108, 113). Auf sie war die Wahl gefallen, als die 1923 gegründete
Wiener Porzellanmanufaktur Augarten auf figurale Modelle der 1864 geschlossenen Wiener
Porzellanmanufaktur zurückgriff. Damit kam Augarten jener wichtigen Zielsetzung ihrer
Statuten nach, die sich auf die Wiederaufnahme der Tradition der alten Wiener Manufaktur
bezog, auf die Verpflichtung zur „Erneuerung und Fortsetzung der k.k. Aerarial-Porzellan-
Manufaktur“.
Das österreichische Museum war mehr als nur Vermittler interessanter Porzellanvorbilder.
Als Bindeglied zwischen der alten und der neuen Porzellanmanufaktur, hatte es bald nach
seiner Gründung im Jahre 1864 den künstlerischen Nachlaß der Wiener Porzellanmanu
faktur übernommen, die 1864 durch kaiserliche Entschließung geschlossen und in den
Jahren 1864 bis 1866 aufgelöst worden war. Der künstlerische Nachlaß, bestehend aus dem
„Vorlagenwerk“ in Form von Druckgraphiken, aber auch vielen Originalentwürfen der
Porzellanmaler sowie Porzellanobjekten, wurde im österreichischen Museum aufbewahrt;
als die Modelleure der 1923 gegründeten Wiener Porzellanmanufaktur Augarten das
Museum aufsuchten, wählten sie ihre Vorbilder aus der inzwischen umfangreich gewordenen
Sammlung Wiener Porzellans: „Oglio-Töpfe“, Schwarzlotteller, die „Dubsky-Vasen“ aus
der Zeit du Paquiers, die „Callotto“-Figuren, Rokokomodelle, Watteauszenen, Sorgenthal
service, um nur einiges zu nennen.
Sehr selten dürfte die Manufaktur Augarten einen eingepreßten Bindenschild verwendet
haben. Diese Marke wurde ordnungsgemäß als Warenzeichen registriert, und sie kommt
auch auf den beiden Augarten-Callottofiguren vor (Abb. 111). Kombiniert mit einem
eingepreßten W mit Punkt kann der Bindenschild kaum mit der Marke der alten Wiener Manu
faktur verwechselt werden, da schon seine Form anders ist und auch das W mit Punkt in der
alten Wiener Manufaktur nie vorkam. Mit einem Bossiererbuchstaben wäre das W mit Punkt
nur bei sehr oberflächlicher Betrachtung zu verwechseln. Ich weiß aber aus eigener Erfah
rung, daß man auf bestimmte Kriterien, selbst wenn der Hinweis unnötig scheint, aufmerk
sam machen soll.
Keine Überlieferung berichtet uns, wie viele Porzellane der Manufaktur Augarten ab 1923 mit
diesem Zeichen (Bindenschild, W mit Punkt) versehen wurden - vermutlich nur sehr wenige,
doch könnte es dennoch zu irrtümlichen Zuschreibungen an die alte Wiener Porzellan
manufaktur kommen.
Undenkbar hingegen wäre auf Wiener Figuren aus der Mitte des 18. Jahrhunderts eine
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