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Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

DIE FRAUENARBEIT. 
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Nettigkeit, mit der fie ausgeführt waren, und derBefchauer nahm von den grofsen 
und kleinen Dingen, die da aus folchcr Arbeit gefügt waren, wohl kaum einen 
anderen Eindruck mit fich fort als den, dafs er ein ungezähltes Heer von blen 
dend weifsen Sternchen beieinander, mehr oder weniger lofe verbunden, gefehen. 
Viele andere Erfindungen der Neuzeit oder der Mode, die fich hier geltend 
zu machen fuchten, hat die Aufnahmsjury nicht zugeiaffen, unter diefen vor allem 
die aufgequollenen, gefchorenen Wollblumen, die bunt geflickten Bilder, die Rah 
men aus Waldfrüchten, die aufgelegten und aufgenähten Tuchblumen, von denen 
eine grofse Menge zur Ausheilung gefandt wurden, und eine traurige Verirrung 
des weiblichen Gefchmackes erkennen liefsen. Mit um fo mehr Freude waren 
dagegen einzelne, fehr hübfche Arbeiten ganz neuer Art zu begrüfsen, darunter 
einige Tifchtüchcr, von denen eines auf drapfarbigem Untergründe bunte Sträufs- 
chen, mit Baumwolle gearbeitet, als Bordüre zeigte, ein zweites auf gleichfarbiger 
Leinwand, in fchwarzer Seide, mit ruffifchem Stiche genäht, allcrlieblte, figürliche 
Vignetten in chinefifchem Stile trug, und ein drittes die vortreffliche Kreuzhich- 
arbeit, der wir in der weiblichen Ilausinduftrie aller Länder begegnen, in einer 
fehr gut gezeichneten, mit rother Baumwolle ausgeführten Randverzierung auf 
wies. Derlei Arbeiten find befonders bemerkeswerth, weil fie klar darlegen, wie 
weit das Feld ift, auf dem fich die Frauenarbeit in Gutem und in Neuem frei 
ergehen kann, und wieviel Grazie und wieviel Schmuck fie auf die einfachen Ge- 
räthe für den täglichen, häuslichen Bedarf zaubern kann, auf denen bis heute 
eine Eintönigkeit der Gehalt und der Farbe Iahet, welche die gleichen Gegen 
hände im Haushalte der nordifchen Frauen nicht kennen. 
Neben den bisher genannten Arbeiten zeigte fich eine vielgehaltige Menge 
von verfchiedcnartigcn Erfcheinungen, von Experimenten auf mannigfachem Ge 
biete, darunter manche gute Leibung, manches verfehlte Stück Arbeit, manche 
neue Erfindung, und mancher halb überwundene und halb überlebte Gedanke, 
der hier noch einmal zu Tage trat. Blumen aus Papier und aus Leder, unter 
den erheren ein reizender Kranz von der Meiherhand der Gräfin Baudiffin ange 
fertigt, Malerei auf Seide, Porzellan, Leder und auf Holz, einige Webearbeiten 
auf winzigen Webftühlen, ein geflochtener Brautfchleier, Holz- und Papier- 
fchnitzereien, xylographifche Arbeiten, Blumen aus Schwarz- und Weifsbrod ge 
knetet, Teppiche und Decken aus Tuch- oder Seidenftückchcn mofaikartig zu- 
fammengenäht, eine langwierige, mühfelige Arbeit, ein Bücherfchrank mit einge 
legten Bildern, von Gräfin Anna Braida in verfchieden gebeizten Holzern ausge 
führt, ein grofser Teppich aus Kleiderhoffabfällen gehrickt, Albums und Körbchen 
aus Briholpapier, getrocknete Blumen, und noch viele andere Dinge waren da, 
wie fie weibliche Phantafie erfindet und weibliche Hände formen, oft reizend und 
geglückt, oft ein Spielding, das man fieht, um es wieder, und, nicht feiten, gerne 
zu vergeffen. . 
Wenn wir die ganze bunte Reihe überfchaut, die fich da in meih fröhlichem, 
hellfarbigem Gewände zeigte, fo kehrten wir mit hets erneutem Vergnügen zu 
einer ganz merkwürdig fchönen Arbeit zurück, die unter den Kunffhickereien hing, 
und die Blicke aller fachverhändigen Befucher fcffeltc. Es war diefs ein von 
Anna Kupka gehicktes Tuch, deffen Zeichnung von Profeffor S t o r c k entworfen,
	        
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