MAK

Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

150 
DAS KUNSTGEWERBE. 
Imitationen des antiken Schmucks in Italien, deren Beifall die franzöfifchen Gold- 
fchmiede nicht ruhen liefs, bis fie, wenn nicht den antiken Schmuck felbft, doch 
feine formellen Motive in Mode gebracht hatten. Zum anderen war es die Auf 
findung der antiken Silbergefäfse bei Hildesheim, welche einen aufserordentliche-n 
Einflufs übte. Eine Reihe verfchiedenartiger Silberarbeiten, die fich den Origi 
nalen mehr oder minder anfchliefsen oder auch nur ihre Weife frei verwenden, 
bekundeten dies insbefondere bei der grofsartigen Ausfüllung von Christofle, 
dem bedeutendften Vertreter der franzöfifchen Silberfabrikation. Die Ausftellung 
diefes berühmten Haufes vertrat in ihrer Vielfeitigkeit den ganzen Zweig fowohl 
nach den Gegenftänden als auch nach den verfchiedenen Arten der Decoration 
und der Technik. Eine Anzahl Gegenftände von Leuchtern, Candelabern und Ta- 
felgeräth gehörte noch dem modernen, in den Formen diefes und des vorigen 
Jahrhunderts fich bewegenden Genre an; die Fabrik hatte aber abfichtlich ihre 
neueren Gegenftände und diejenigen, welche mehr der Kunft als dem Gefchäft 
angehören, nach Wien gebracht. Um fo günftiger ftellte fich das Urtheil über 
ihre Leiftungen, die in Feinheit der Arbeit, der Cifelirung, in Behandlung und 
Farbe des Silbers, im Email, in der feineren Technik des Taufchirens und Incru- 
ftirens höchft bewundernswürdig find. Was wir an den Arbeiten auszufetzen 
haben, das ift aber das fpezififch Franzöfifche, die Willkür der Formen und die 
häufige Ueberladung des Ornaments. Es gab aber auch Ausnahmen, und zahl 
reiche Ausnahmen, die in jeder Beziehung reizend und vollendet waren. 
Auch der Goldfchmuck hat, wie gefagt, die Richtung zu antiken Formen 
angenommen, doch war er im Vergleich zu den eigentlichen Juwelierarbeiten, 
vor denen er zurücktrat, auffallend gering vertreten. Rein antikifirten Gold 
fchmuck fah man eigentlich nur bei einem einzigen Fabrikanten, Emile 
Philippe, der fich in verfchiedenem Genre bewegt; bei ihm erkannte man_ 
auch ägyptifche und byzantinifche Vorbilder. Derfelbe zeigte ferner in klei 
nerem cifelirten Silbergeräth nach den Muftern der Renaiffance höchft vortreffliche 
und vollendete Arbeiten. Der Diamantfchmuck dagegen, der von einer Reihe 
Ausfteller wieRouvenat, Mellerio, Otterbourg u. a. materiell glänzend ver 
treten war, hielt fich noch allzufehr in naturaliftifchen Motiven: Blumen, Blätter, 
Zweige, Federn, ganz mit Diamanten, hatten bei weitem das Uebergewicht vor 
ftilifirten Zeichnungen. Uebrigens erfchifen der franzöfifche Schmuck nicht blofs 
mit Edelfteinen, fondern auch in Verbindung mit Email, mit Cameen und Korallen 
äufserft vielfeitig; felbft der indifche Schmuck mit goldglänzenden Käferflügeln 
fehlte nicht. 
Die auffallendfte und durchgreifendfte Veränderung, welche die franzöfifche 
Kunftinduftrie neuerdings erlitten hat, zeigten wohl die glafirten Thonwaaren, und 
zwar dadurch, dafs die Kunftfaiencen dem Porzellane hinzugefügt worden find. 
Diefes für die Gefchichte der modernen Cultur höchft bemerkenswerthe Ereig- 
nifs, die Wiederaufnahme der alten Faience, mufste fo kommen. Die Franzofen 
* konnten daher nicht Zurückbleiben, als die Sache von England und Italien aus 
begonnen wurde. Pleute find ihre Leiftungen höchft bedeutend, nach Umfang 
wie nach künftlerifchem Werthe, aber auch infofern wieder ächt franzöfifch, als 
diefer Induftriezweig wie ein freies Feld erachtet wird, fich nach allen möglichen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.