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Volltext: Katalog der Wiener-Congress-Ausstellung 1896

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liehe Trauer, ja in zornige Entrüstung wandelte. „Eure künst 
lichen Werke begreifen wir nicht“, rief der leidenschaftliche Görres 
vom Rhein herüber, „hegen auch billigen Zweifel, ob sie uns 
frommen werden.“ Der milde Schenkendorf — einer von den Sän 
gern, die 1813 einen allgemeinen Völkerfrühling, den Deutschen 
aber in diesem die schönsten Blüthen prophezeit hatten — klagte: 
Es ist ein Jahr vergangen, 
Die Gnadenzeit ist aus, 
Der Argwohn kam geschlichen, 
Bis in das eig’ne Haus. 
Aber selbst Goethe, der den politischen Wandlungen der Zeit 
— scheinbar wenigstens — so kühl gegenüberstand, hatte für 
den Congress ein scharfes Wort des Tadels. Ein Gedicht, das 
dem Amtsjubiläum eines Freundes galt, leitete er — es war am 
2. Januar 1815 - mit den Worten ein: 
Sagt, wie schon am zweiten Tage 
Sich ein zweites Fest entzündet, 
Hat vielleicht willkomm’ne Sage 
Vaterland und Reich gegründet? 
Haben sich die Allgewalten, 
Endlich schöpferisch entschieden, 
Aufzuzeichnen, zu entfalten, 
Allgemeinen ew’gen Frieden? 
Nein! 
Mit diesem „Nein“ geht der Dichter zu des Herrn Geheim- 
rathes Frankenberg Jubiläum über. . . . 
Die Verhandlungen des Congresses bieten heute kein allge 
meines Interesse mehr; da ist nur das Hantieren mit der Form, 
von der die Rahel spricht; das Wesen, den Geist der Zeit er 
kennen wir nicht aus seinen Protokollen. Aber wenn wir die Me- 
morien, die Flugschriften, die Briefwechsel jener Tage durch 
blättern, da weht uns alsbald ein Hauch von bewegtestem Leben 
entgegen, beinahe wandelt uns ein Bedauern an, dass wir da 
nicht dabei gewesen sind und mitthun konnten. In Wien aber war 
ein Jahr lang der Mittelpunkt dieses Lehens, in Wien drängte 
sich da Alles zusammen, hier begegnete sich Alles. Wäre auch 
Goethe gekommen, dann könnte man sagen: Europa war damals 
in Wien. 
Eben darin liegt der Reiz, den dieser Congress auch heute 
noch ausübt, hierin die Berechtigung - , eine Ausstellung zu ver-
	        
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