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Volltext: Katalog der Wiener-Congress-Ausstellung 1896

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endlich wurde selbst nordamerikanische Anschauungsweise in die 
gesellschaftliche Welt des Wiener Congresses getragen. „Hier, wo 
die glänzendsten Persönlichkeiten so leicht verblichen, fand der 
einfache, aber mit Sachkunde und Bildung auftretende Bürger 
alsbald die ausgezeichnetste Beachtung. Er hatte der österreichi 
schen Regierung mancherlei Anträge zu machen, bei welchen er 
theils in eigenem Namen, theils in dem des Hauses Baring auf 
trat. Mit den Häfen des adriatischen Meeres hatte Oesterreich einige 
Linienschiffe zurückbekommen, in Idria lag Quecksilber angehäuft, 
das seit mehreren Jahren wegen des Krieges nicht hatte nach 
Amerika geschafft werden können; diese Gegenstände, im Betrage 
sehr grosser Summen, wollte er ankaufen, auf der Donau sollte 
die Dampfschifffahrt eingeführt und darüber ein Vertrag abge 
schlossen werden.“ Man sieht, in dieser Persönlichkeit kündigt 
sich eine neue Generation an, die Romantik und Restauration 
schon wieder überwunden hatte. Bollmann war auch der Erste, 
der in Wien von Lord Byron und Walter Scott sprach, ihre Dich 
tungen pries und mittheilte. 
Es braucht wohl kaum gesagt zu werden, dass an allen den 
geistigen Bewegungen, die sich in der Gesellschaft des Wiener 
Gongresses spiegelten, auch Frauen hervorragenden Antheil nahmen. 
Die Frau auf dem Wiener Congress wäre ein reizender Vorwurf 
für eine besondere Betrachtung. Einst, in den Tagen der tiefsten 
moralischen Depression Europas hatte Gentz über das ganze 
Männerthum seiner Zeit den Stab gebrochen und gemeint, wahre 
Geistesgrösse, innerer Muth, Seelenadel sei nur bei Frauen zu 
finden. Nun, die Männer hatten sich aufgerafft, aber die Frauen 
behaupteten sich neben ihnen. Die romantische Gesinnung übei- 
wog bei den meisten, aber in Wesen und Charakter ist auch hiei 
die anziehendste Verschiedenheit, die ganze Stufenleiter vom Jung 
fräulich-Herben bis zum Dämonisch-Leidenschaftlichen, vom Streng- 
Sittlichen bis zum Frivolen und Zügellosen vertreten, es gibt 
Eugenien und Lucinden, Ottilien und Philinen. Die seltsamen 
Frauengestalten, die in den Dramen und Romanen der Zeit, bei 
Heinrich v. Kleist, bei Brentano ihr wunderliches Spiel treiben, 
sie treten uns da leibhaftig entgegen. 
Das Alles schliesst nun das alte Wien mit seinen Glacis 
und Basteien ein, der Stephansthurm blickt in dies Wesen, das 
Kahlengebirge, das Donaugelände bildet den Hintergrund. Der
	        
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