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endlich wurde selbst nordamerikanische Anschauungsweise in die
gesellschaftliche Welt des Wiener Congresses getragen. „Hier, wo
die glänzendsten Persönlichkeiten so leicht verblichen, fand der
einfache, aber mit Sachkunde und Bildung auftretende Bürger
alsbald die ausgezeichnetste Beachtung. Er hatte der österreichi
schen Regierung mancherlei Anträge zu machen, bei welchen er
theils in eigenem Namen, theils in dem des Hauses Baring auf
trat. Mit den Häfen des adriatischen Meeres hatte Oesterreich einige
Linienschiffe zurückbekommen, in Idria lag Quecksilber angehäuft,
das seit mehreren Jahren wegen des Krieges nicht hatte nach
Amerika geschafft werden können; diese Gegenstände, im Betrage
sehr grosser Summen, wollte er ankaufen, auf der Donau sollte
die Dampfschifffahrt eingeführt und darüber ein Vertrag abge
schlossen werden.“ Man sieht, in dieser Persönlichkeit kündigt
sich eine neue Generation an, die Romantik und Restauration
schon wieder überwunden hatte. Bollmann war auch der Erste,
der in Wien von Lord Byron und Walter Scott sprach, ihre Dich
tungen pries und mittheilte.
Es braucht wohl kaum gesagt zu werden, dass an allen den
geistigen Bewegungen, die sich in der Gesellschaft des Wiener
Gongresses spiegelten, auch Frauen hervorragenden Antheil nahmen.
Die Frau auf dem Wiener Congress wäre ein reizender Vorwurf
für eine besondere Betrachtung. Einst, in den Tagen der tiefsten
moralischen Depression Europas hatte Gentz über das ganze
Männerthum seiner Zeit den Stab gebrochen und gemeint, wahre
Geistesgrösse, innerer Muth, Seelenadel sei nur bei Frauen zu
finden. Nun, die Männer hatten sich aufgerafft, aber die Frauen
behaupteten sich neben ihnen. Die romantische Gesinnung übei-
wog bei den meisten, aber in Wesen und Charakter ist auch hiei
die anziehendste Verschiedenheit, die ganze Stufenleiter vom Jung
fräulich-Herben bis zum Dämonisch-Leidenschaftlichen, vom Streng-
Sittlichen bis zum Frivolen und Zügellosen vertreten, es gibt
Eugenien und Lucinden, Ottilien und Philinen. Die seltsamen
Frauengestalten, die in den Dramen und Romanen der Zeit, bei
Heinrich v. Kleist, bei Brentano ihr wunderliches Spiel treiben,
sie treten uns da leibhaftig entgegen.
Das Alles schliesst nun das alte Wien mit seinen Glacis
und Basteien ein, der Stephansthurm blickt in dies Wesen, das
Kahlengebirge, das Donaugelände bildet den Hintergrund. Der