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DER GÖSSER ORNAT IM K. K. ÖSTER
REICHISCHEN MUSEUM FÜR KUNST UND
INDUSTRIE bo VON MORIZ DREGER-WIEN
NTER allen klösterlichen Stiftungen der Steier
mark ist das ehemalige Frauenkloster Göß bei
Leoben das älteste; die Gründung fällt schon um
das Jahr 1000. Die Stifter gehörten der Über
lieferung nach zu der berühmten Familie der Ari-
bonen, die, wie es heißt, schon mit Kaiser Arnulf I.
von Kärnten verwandt waren; die Grafen sollen
insbesondere für ihre Verdienste um die Ver
treibung der Magyaren aus der Steiermark von
Ludwig dem Kinde in der Gößer Gegend große
Besitzungen erhalten haben, die dann im Laufe des X. Jahrhunderts er
weitert und durch Otto II. dem Grafen Aribo (IV.) bestätigt wurden.
Die Witwe dieses Grafen, Adula, stiftete nun, wie es weiter heißt, mit
ihrem Sohne Aribo, einem Archidiakon von Salzburg und späteren Erz
bischöfe von Mainz, sowie mit ihrer Tochter Kunigunde, die dann die erste
Äbtissin der Stiftung wurde, das Gößer Nonnenkloster. Kaiser Heinrich II.,
der Heilige, der gleichfalls mit der Stifterfamilie verwandt gewesen zu sein
scheint, bestätigte dann auf Bitten seiner Gemahlin, der heiligen Kunigunde,
und des erwähnten Erzbischofs die Schenkungen an das Stift und verlieh
diesem das Recht, die Äbtissin selbständig zu wählen und seinen Vogt selbst
zu bestimmen, ein Recht, das auch mehrere Päpste besonders anerkannten.
Später wuchs die Zahl der Besitzungen noch, damit aber auch die Zahl
der Verpflichtungen, so daß es dem Stifte materiell keineswegs immer gut
ging, besonders nicht in Kriegszeiten, wie sie vor allem nach dem Aus
sterben der Babenberger anbrachen. Doch kann hier auf die an Wechsel
fällen reiche Geschichte des Stiftes nicht näher eingegangen werden.— Unter
Kaiser Josef II. erfolgte die Aufhebung des Gößer Stiftes. Es sollen damals
von Göß zwei Flöße mit Paramenten gefüllt die Mur hinab nach Graz
gelangt sein. An Stelle des Stiftes trat für kurze Zeit ein neuerrichtetes
obersteirisches Bistum; aber schon nach dem Tode des ersten und einzigen
Bischofs (1808) verlor der Ort seine Bedeutung und selbst von den Bau
werken ist seither ein großer, wenn nicht der größte Teil zerstört worden.
Glücklicherweise ist wenigstens die ehemalige Stiftskirche, die der un
befleckten Jungfrau und dem heiligen Andreas gewidmet war, die jetzige
Pfarrkirche, erhalten geblieben; ebenso haben noch eine anstoßende
Kapelle und einige Teile des Klosterbaues, die nun aber andern Bestim
mungen dienen, die Wechselfälle der Zeit in der Hauptsache überdauert*.
* Vergleiche Dr. Karl Lind, Die Kirche des ehemaligen Nonnenstiftes Göß in der Steiermark. Mit
teilungen der k. k. Zentralkommission, 1866, Seite 91 ff. In der erwähnten Kapelle sind neuerdings bemerkens
werte frühgotische Wandmalereien aufgefunden worden.