Mit der Weigerung Warhols, weiterhin Tafel-
bilder produzieren zu lassen, und dem Entschluß,
Filme herzustellen, emanzipiert er sich vom
Kunsthandel, der ihn höchstens via signierter
Kopien (eine Kopie des Films „BIue Movie" ko-
stet derzeit bei Heiner Friedrich 20.000 DM) zu-
rückholt.
Als Werner Hofmann vor geraumer Zeit in
einem Essay in einer deutschen Wochenzeit-
schrift „Kunst, wie lange noch"? feststellte, daß
Kunst einer historisch überholten Stufe des Be-
wußtseins angehöre, so wandte er sich nicht
generell gegen iede Form künstlerischer Kreati-
vität. Die Frage müßte richtiger lauten „Kunst,
wie nach?" Kunstmärkte und Kunsthandel far-
cieren bewußt Trends, die der Erhaltung der Be-
dingungen, die für den Markt von Vorteil sind,
dienen, und zeichnen damit ein Bild, das nicht
der aktuellsten Situation entspricht. Sie unter-
stützen etwa den derzeit gängigen SuperreaIis-
mus oder Sharp Facus Realism, weil er ihnen die
verhandelbore Kategorie des Tafelbildes wie-
der verspricht. „Das Wohin ist", wie Adorno
sagt, „eine Form verkappter sozialer Kontrolle.
Auf nicht wenige gegenwärtige Produkte paßt
denn auch die Charakteristik einer Anarchie...
Das abfertigende Urteil über die Kunst, das den
Produkten auf den Leib geschrieben ist, welche
die Kunst substituieren möchten, gleicht dem der
Red Queen von Lewis Carroll: Head off . . .".
Der Versuch des Handels, alles und iedes als
Ware anzubieten, muß vor allem bei jenen
künstlerischen Bewegungen, die ganz offen sich
diesem widersetzen, zum Desaveau ihrer Kon-
zeption geraten, wenn ihre Künstler Graphik
produzieren oder Multiples erzeugen.
Verfolgt man die Emanzipatiansbestrebungen
der Kunst seit dem Beginn dieses Jahrhunderts
und deren wechselvolles Schicksal vom Dadais-
mus bis zu den Bady-works, der Land-, Process-
und Concept-art von heute, so muß man fest-
stellen, wie sehr der Handel, der die ökono-
mischen Voraussetzungen der künstlerischen Tä-
tigkeiten ermöglicht, gleichzeitig auch die radi-
kalen Ansätze zu domestizieren versucht.
Mondrions These, daß die Kunst gänzlich ver-
schwinden werde, wenn das Leben an Harmonie
gewänne, hat sich noch nicht verwirklicht. Die
Kunst hat sich aber immer mehr in ihrer Ent-
wicklung von den existierenden Formen der
Präsentation entfernt. Die Galerie als Ort, an
dem Bilder aufgehängt werden, ist in manchen
Fällen zu einem Forum geworden, wo der Künst-
Ier seine Aktionen vorführt, „instaIIations" vor-
nimmt, die an den ieweiligen konkreten Ort, die
ieweilige räumliche Situation gebunden sind,
oder Prozesse dokumentiert. Die Galerie ist der
Aufmerksamkeitsrahmen, der dem Künstler mit
seinen räumlichen Bedingungen die Veröffent-
lichungen seiner Ideen ermöglicht. Daniel Buren
hat sich im besonderen mit dem Rahmenproblem,
auch was das Museum betrifft, beschäftigt. Erst
durch den Rahmen wird das ieweilige Werk als
Werk sichtbar. „Der Ort ist in iedem Fall vorhan-
den, hat seinen bestimmten Charakter und ist
deshalb von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
Er bildet den ,Rahmen' (mit allen Vorteilen, die
er für die Betrachtung bietet) gerade da, wo man
behauptet, daß das, was sich darin ereigne, alle
Rahmen (I Fessel) sprenge, um zur reinen Frei-
heit vorzustoßen. Wer die Kunst kennt, weiß, wie
es um ihre Freiheit steht; aber auch wer sie we-
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kumenten der Concept-art (alle Bemühungen kon-
zeptueller Art vorläufig unter diesem Begriff zu-
sammennehmend) als Originale zu fetischisie-
ren oder durch graphische Reproduktion ihnen
einen falschen Bildcharakter zu verleihen. Dieser
Versuch des Handels ist erklärlich, da sehr viele
dieser intermedialen Ereignisse, „instaIIations",
landworks oder Konzepte von ihrer Struktur her
nicht mehr vermarktbar sind.
Da die Realität selbst immer mehr in den Mittel-
punkt der zeitgenössischen Kunst gerückt ist, hat
sich der Akzent von einer dieses Leben interpre-
tierenden, es transzendentierenden Kunst forma-
ler Mittel auf eine auf das Leben selbst konzen-
trierte Gestaltung verlagert.
Die radikale Trennung von den alten Kategorien
bildender Kunst, die den Galeristen in die Rolle
eines Vermittlers und Distributors von Ideen,
Büchern, Filmen, Videotapes etc. drängt, bedeu-
tet auch einen Abschied von der Vorstellung,
daß bildende Kunst unbedingt mit Malerei,
Zeichnung, Plastik, mit festen, handelbaren Pro-
dukten identisch sei.
13
13 Luciana Fontuna, Ohne Titel, Lithographie 1955
Immer mehr muß sich der Händler, der Galerist,
mit der Vorstellung vertraut machen, daß es sich
nicht mehr um erstellbare Obiekte,deren formale
Besonderheiten ästhetisch reflektierbar wären,
sondern um die Visualisierung denkerischer Be-
mühungen in vielfältiger Form handeln muß.
Immer mehr fällt ihm daher die Rolle eines Do-
kumentierenden zu, der die Gesten, Verweise,
Haltungen, Prozesse im Aufmerksamkeitsrahmen
seiner Galerie ermöglicht und der Nachwelt mit
Hilfe bisher unüblicher Medien (Film, Videotape
etc.) erhält. Das reproduzierende Medium wird
hier nicht gemäß seiner künstlerischen Möglich-
keiten eingesetzt, sondern amorph, individuell
kaum differenzierbar. „Daß Galerien Filme,
Photos, Diaserien und Videotapes als Obiekte -
zum Teil in Editionen - vertreiben, ist ein wei-
teres handgreifliches Indiz der veränderten Auf-
fassung von diesen Medien und auch vom Kunst-
werk" (H. Strelow).
Hier zeichnen sich Veränderungen des Dreiecks
Künstler - Händler - Käufer sowie Künstler -
Aussteller - Öffentlichkeit ab. Denn in vielen
Fällen werden staatliche lnst'tutionen dem Künst-
ler iene „installations" ermöglichen können, die
nicht unmittelbar vom Galeristen geleistet wer-
den. Denkt man etwa an die minimalistischen
Raumkonzeptionen Judds, Andres, Flavins,
Lewitts, so sind diese fast ausschließlich nur in
großen öffentlichen Räumen möglich, und auch
Kunstproduktlon auswirkt und der Handel
Absatz (Gewinn) interessiert ist, fordert er mar
gerechte Ware, beziehungsweise sucht n:
Medien der Vermarktung. Beobachtet man t
Preiskalkulation etwa bei Videotapes, so ze
sich, daß der Preis die tatsächlichen Gestehunl
kosten um ein Vielfaches übersteigt. (Solon
Liebhaber bereit sind, diesen Filmen die Al
von Originalen zuzugestehen, wird dieser Pr
bezahlt werden.)
Die öffentlichen Institutionen könnten im Gegl
satz zu den privaten Händlern, Agenturen u
Galerien Orte der Kunst sein, die sich
„Instrumente kritischer Bewußtmachung"
Wedewer) verstehen. Der kommerzielle Bere
und Kreislauf, der die Kunst ihrer kritisch
Aufgabe und Radikalität entfremdet, kann 1
mit Hilfe dieser auszubauenden öffentlichen
stitutionen kompensiert werden.
Eine Sozialisierung, eine Veröffentlichung z
Kunst, wie sie aktuellste Tendenzen in ihrl
Bestreben, sich dem Zugriff des Marktes zu e
ziehen, propagieren, bedeutet den Versuch, ei
neue Rolle der Kunst und des Künstlers in (
Öffentlichkeit zu finden. Solange seine Kreoti
tät nicht gesellschaftlich relevant wird, wol
Relevanz hier nicht mit der Vorstellung VI
Künstler als politisch willfährigem Propogam
instrument gleichzusetzen sei, und eine ökonoi
sche Fundierung seiner Existenz gefunden wi
sind privates Mäzenatentum, staatliche Hi
und händlerische Initiative die einzige Basis s
ner ökonomischen Voraussetzungen. Das Sell:
verständnis des Künstlers hat sich geändt
In einem viel direkteren Bezug will er l
Kommunikation mit einer größer werdend
Öffentlichkeit aufnehmen.
Literaturnachweis
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Main 1970.
Ar; multiplicata: Katalog der Ausstellung im Wall
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Beniamin, Walter: llluminationen - Ausgewählte Schrif
Frankfurt 1962.
Buren, Daniel: Vorwort zum Katalog des Städt. l
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Crone, Rainer: Andy Warhol, Teutten 1970.
Gidal, Peter: Andy Warhol, London 1971.
Kunst als Ware: Sonderheft der Zeitschrift „Das Ku
werk", 2 XXIV 1971.
Prospect 71: Proiectian. Ausstellung in der Städtis:
Kunsthalle Düsseldorf 1971.
Scharang, Michael: Zur Emanzipation der Kunst. (z l
Luchterhand), Neuwied und Berlin 1971.
Scharang, Michael: Zur Emanzipation der
protakolle 2l70, Wien 1970.
Kunst:
1:1 Unser Autor:
Peter Weiermair
6020 Innsbruck
Höttinger Gasse 21H