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Inhaltsverzeichnis: Alte und Moderne Kunst XVII (1972 / Heft 121)

Mit der Weigerung Warhols, weiterhin Tafel- 
bilder produzieren zu lassen, und dem Entschluß, 
Filme herzustellen, emanzipiert er sich vom 
Kunsthandel, der ihn höchstens via signierter 
Kopien (eine Kopie des Films „BIue Movie" ko- 
stet derzeit bei Heiner Friedrich 20.000 DM) zu- 
rückholt. 
Als Werner Hofmann vor geraumer Zeit in 
einem Essay in einer deutschen Wochenzeit- 
schrift „Kunst, wie lange noch"? feststellte, daß 
Kunst einer historisch überholten Stufe des Be- 
wußtseins angehöre, so wandte er sich nicht 
generell gegen iede Form künstlerischer Kreati- 
vität. Die Frage müßte richtiger lauten „Kunst, 
wie nach?" Kunstmärkte und Kunsthandel far- 
cieren bewußt Trends, die der Erhaltung der Be- 
dingungen, die für den Markt von Vorteil sind, 
dienen, und zeichnen damit ein Bild, das nicht 
der aktuellsten Situation entspricht. Sie unter- 
stützen etwa den derzeit gängigen SuperreaIis- 
mus oder Sharp Facus Realism, weil er ihnen die 
verhandelbore Kategorie des Tafelbildes wie- 
der verspricht. „Das Wohin ist", wie Adorno 
sagt, „eine Form verkappter sozialer Kontrolle. 
Auf nicht wenige gegenwärtige Produkte paßt 
denn auch die Charakteristik einer Anarchie... 
Das abfertigende Urteil über die Kunst, das den 
Produkten auf den Leib geschrieben ist, welche 
die Kunst substituieren möchten, gleicht dem der 
Red Queen von Lewis Carroll: Head off . . .". 
Der Versuch des Handels, alles und iedes als 
Ware anzubieten, muß vor allem bei jenen 
künstlerischen Bewegungen, die ganz offen sich 
diesem widersetzen, zum Desaveau ihrer Kon- 
zeption geraten, wenn ihre Künstler Graphik 
produzieren oder Multiples erzeugen. 
Verfolgt man die Emanzipatiansbestrebungen 
der Kunst seit dem Beginn dieses Jahrhunderts 
und deren wechselvolles Schicksal vom Dadais- 
mus bis zu den Bady-works, der Land-, Process- 
und Concept-art von heute, so muß man fest- 
stellen, wie sehr der Handel, der die ökono- 
mischen Voraussetzungen der künstlerischen Tä- 
tigkeiten ermöglicht, gleichzeitig auch die radi- 
kalen Ansätze zu domestizieren versucht. 
Mondrions These, daß die Kunst gänzlich ver- 
schwinden werde, wenn das Leben an Harmonie 
gewänne, hat sich noch nicht verwirklicht. Die 
Kunst hat sich aber immer mehr in ihrer Ent- 
wicklung von den existierenden Formen der 
Präsentation entfernt. Die Galerie als Ort, an 
dem Bilder aufgehängt werden, ist in manchen 
Fällen zu einem Forum geworden, wo der Künst- 
Ier seine Aktionen vorführt, „instaIIations" vor- 
nimmt, die an den ieweiligen konkreten Ort, die 
ieweilige räumliche Situation gebunden sind, 
oder Prozesse dokumentiert. Die Galerie ist der 
Aufmerksamkeitsrahmen, der dem Künstler mit 
seinen räumlichen Bedingungen die Veröffent- 
lichungen seiner Ideen ermöglicht. Daniel Buren 
hat sich im besonderen mit dem Rahmenproblem, 
auch was das Museum betrifft, beschäftigt. Erst 
durch den Rahmen wird das ieweilige Werk als 
Werk sichtbar. „Der Ort ist in iedem Fall vorhan- 
den, hat seinen bestimmten Charakter und ist 
deshalb von nicht zu unterschätzender Bedeutung. 
Er bildet den ,Rahmen' (mit allen Vorteilen, die 
er für die Betrachtung bietet) gerade da, wo man 
behauptet, daß das, was sich darin ereigne, alle 
Rahmen (I Fessel) sprenge, um zur reinen Frei- 
heit vorzustoßen. Wer die Kunst kennt, weiß, wie 
es um ihre Freiheit steht; aber auch wer sie we- 
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kumenten der Concept-art (alle Bemühungen kon- 
zeptueller Art vorläufig unter diesem Begriff zu- 
sammennehmend) als Originale zu fetischisie- 
ren oder durch graphische Reproduktion ihnen 
einen falschen Bildcharakter zu verleihen. Dieser 
Versuch des Handels ist erklärlich, da sehr viele 
dieser intermedialen Ereignisse, „instaIIations", 
landworks oder Konzepte von ihrer Struktur her 
nicht mehr vermarktbar sind. 
Da die Realität selbst immer mehr in den Mittel- 
punkt der zeitgenössischen Kunst gerückt ist, hat 
sich der Akzent von einer dieses Leben interpre- 
tierenden, es transzendentierenden Kunst forma- 
ler Mittel auf eine auf das Leben selbst konzen- 
trierte Gestaltung verlagert. 
Die radikale Trennung von den alten Kategorien 
bildender Kunst, die den Galeristen in die Rolle 
eines Vermittlers und Distributors von Ideen, 
Büchern, Filmen, Videotapes etc. drängt, bedeu- 
tet auch einen Abschied von der Vorstellung, 
daß bildende Kunst unbedingt mit Malerei, 
Zeichnung, Plastik, mit festen, handelbaren Pro- 
dukten identisch sei. 
 
13 
13 Luciana Fontuna, Ohne Titel, Lithographie 1955 
Immer mehr muß sich der Händler, der Galerist, 
mit der Vorstellung vertraut machen, daß es sich 
nicht mehr um erstellbare Obiekte,deren formale 
Besonderheiten ästhetisch reflektierbar wären, 
sondern um die Visualisierung denkerischer Be- 
mühungen in vielfältiger Form handeln muß. 
Immer mehr fällt ihm daher die Rolle eines Do- 
kumentierenden zu, der die Gesten, Verweise, 
Haltungen, Prozesse im Aufmerksamkeitsrahmen 
seiner Galerie ermöglicht und der Nachwelt mit 
Hilfe bisher unüblicher Medien (Film, Videotape 
etc.) erhält. Das reproduzierende Medium wird 
hier nicht gemäß seiner künstlerischen Möglich- 
keiten eingesetzt, sondern amorph, individuell 
kaum differenzierbar. „Daß Galerien Filme, 
Photos, Diaserien und Videotapes als Obiekte - 
zum Teil in Editionen - vertreiben, ist ein wei- 
teres handgreifliches Indiz der veränderten Auf- 
fassung von diesen Medien und auch vom Kunst- 
werk" (H. Strelow). 
Hier zeichnen sich Veränderungen des Dreiecks 
Künstler - Händler - Käufer sowie Künstler - 
Aussteller - Öffentlichkeit ab. Denn in vielen 
Fällen werden staatliche lnst'tutionen dem Künst- 
ler iene „installations" ermöglichen können, die 
nicht unmittelbar vom Galeristen geleistet wer- 
den. Denkt man etwa an die minimalistischen 
Raumkonzeptionen Judds, Andres, Flavins, 
Lewitts, so sind diese fast ausschließlich nur in 
großen öffentlichen Räumen möglich, und auch 
Kunstproduktlon auswirkt und der Handel 
Absatz (Gewinn) interessiert ist, fordert er mar 
gerechte Ware, beziehungsweise sucht n: 
Medien der Vermarktung. Beobachtet man t 
Preiskalkulation etwa bei Videotapes, so ze 
sich, daß der Preis die tatsächlichen Gestehunl 
kosten um ein Vielfaches übersteigt. (Solon 
Liebhaber bereit sind, diesen Filmen die Al 
von Originalen zuzugestehen, wird dieser Pr 
bezahlt werden.) 
Die öffentlichen Institutionen könnten im Gegl 
satz zu den privaten Händlern, Agenturen u 
Galerien Orte der Kunst sein, die sich 
„Instrumente kritischer Bewußtmachung" 
Wedewer) verstehen. Der kommerzielle Bere 
und Kreislauf, der die Kunst ihrer kritisch 
Aufgabe und Radikalität entfremdet, kann 1 
mit Hilfe dieser auszubauenden öffentlichen 
stitutionen kompensiert werden. 
Eine Sozialisierung, eine Veröffentlichung z 
Kunst, wie sie aktuellste Tendenzen in ihrl 
Bestreben, sich dem Zugriff des Marktes zu e 
ziehen, propagieren, bedeutet den Versuch, ei 
neue Rolle der Kunst und des Künstlers in ( 
Öffentlichkeit zu finden. Solange seine Kreoti 
tät nicht gesellschaftlich relevant wird, wol 
Relevanz hier nicht mit der Vorstellung VI 
Künstler als politisch willfährigem Propogam 
instrument gleichzusetzen sei, und eine ökonoi 
sche Fundierung seiner Existenz gefunden wi 
sind privates Mäzenatentum, staatliche Hi 
und händlerische Initiative die einzige Basis s 
ner ökonomischen Voraussetzungen. Das Sell: 
verständnis des Künstlers hat sich geändt 
In einem viel direkteren Bezug will er l 
Kommunikation mit einer größer werdend 
Öffentlichkeit aufnehmen. 
Literaturnachweis 
Adorno, Theodor W.: Ästhetische Theorie, Frankfurt 
Main 1970. 
Ar; multiplicata: Katalog der Ausstellung im Wall 
Richartz-Museurn, Kunsthatle Köln 1968. 
Beniamin, Walter: llluminationen - Ausgewählte Schrif 
Frankfurt 1962. 
Buren, Daniel: Vorwort zum Katalog des Städt. l 
seums Mönchengladbach. 
Crone, Rainer: Andy Warhol, Teutten 1970. 
Gidal, Peter: Andy Warhol, London 1971. 
Kunst als Ware: Sonderheft der Zeitschrift „Das Ku 
werk", 2 XXIV 1971. 
Prospect 71: Proiectian. Ausstellung in der Städtis: 
Kunsthalle Düsseldorf 1971. 
Scharang, Michael: Zur Emanzipation der Kunst. (z l 
Luchterhand), Neuwied und Berlin 1971. 
Scharang, Michael: Zur Emanzipation der 
protakolle 2l70, Wien 1970. 
Kunst: 
1:1 Unser Autor: 
Peter Weiermair 
6020 Innsbruck 
Höttinger Gasse 21H
	        
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