CHHRHKTERISTIK, CHRONIK, KRITIK
DIE SHHKESPEHREBÜHNE
er ehemalige Oberregiffeur des Münchener Hoftheaters, Jözsa Savits,
hat im Verlag von Etjold & Co. in München ein Buch erfcheinen
laffen: »Von der Hbficht des Dramas. Dramaturgifche Betrachtungen
über die Reform der Szene, namentlich im Hinblick auf die Sbakefpeare--
bühne in München.« Er erklärt die Drehbühne als ein großes, koft»
fpieliges und verderbliches Spielzeug für die Erwachfenen oder für die
großen Kinder. Für die dramatifche Kunft ift fie wertlos und fchädigend,
und jeder Grofchen, der für fie verausgabt wird, ift nutzlos vergeudet.
Die Drehbühne ift die Summe alles deffen, was die mittätige und nach»
fchaffende Phantafie des Zuhörers hemmen und hindern kann, weil fie
beftrebt ift, alles das fichtbar und vernehmbar vor Hugen zu ftellen,
was fich die lebendige fchaffende Phantafie des Hörers zu dem, was
er fieht, noch hinzudenken foll. Darum regt fie die Phantafie nicht
an, fie lähmt fie, zum minderten tut fie das im dramatifcben Sinne.
Erwägt man, daß jedes Panorama der Drehbühne, um für die nächfte
Drehung, für das nachfolgende Panorama Raum auf der Drehfeheibe
zu haben, zumeift nur bis zum Mittelpunkt des Kreifes reichen kann,
daß fich fomit die Perfpektive jedes Bildes außerordentlich rafch ver*
kürzt; fo erfcheinen alle lebenden Perfonen, die in diefer Perfpektive
fich bewegen, bald überlebensgroß, zum minderten in einem ganz
grotesken perfpektivifchen Mißverhältnis zu dem Hintergründe des
Bildes. Die Drehbühne ift fomit aus diefem rein malerifchen Grunde
unkünftlerifch. Aber fie ift es auch aus dem anderen Grunde, weil fie
die flufmerkfamkeit des Zufchauers von den künftlerifchen Dingen
überhaupt abfieht und mafcbinellen und mechanifcben Vorgängen zu=
wendet, da die äußerliche Bühneneinrichtung die flufmerkfamkeit mehr
anzieht als die Künfte, die auf ihr dargeboten werden. Es wäre un*
gefähr dasfelbe, als wenn in der Malerei der Rahmen eines Bildes in»
tereffanter, feffelnder, wirkfamer geftaltet würde als das Bild, daß er
umrahmt, und als wenn diefes Verfahren von den Malern als grund«
legendes Gefet) ihrer Kunft proklamiert würde. Man muß es nur
fehen, wie fich die großen Kinder jedesmal über die Drehung der
Scheibe freuen, die Momente vor und nach jeder Drehung gehören
ganz und gar diefer außerkunftmäßigen, kleinlichen Betrachtung, die
aber dem Zufchauer ficbtlicb unendlichen Spaß bereitet. Gehört dies
alles aber noch der Sphäre der Kunft an? □
Außer den enormen Gefahren im Falle einer Feuerpanik, die die
Drehbühne für die Darfteller bedeutet, kommen die hoben Koften in
Betracht, die deshalb zu febeuen find, weil fie keinen künftlerifchen
Mehrwert bieten. Die Drehbühne ift alfo im ganzen nichts anderes
als der Beweis, daß fich in den Köpfen ihrer Erfinder und Nachahmer
die Begriffe darüber, was künftlerifcher Organismus und was unkünft«
lerifcher Mechanismus ift, ftark verdreht haben. Es ift freilich nicht zu
bezweifeln, die moderne Technik, die Wunderdinge verrichtet und für
die es keine Schwierigkeiten auf ihrem Gebiete zu geben febeint, wird
auch die gefcbilderten Mängel und Gefahren der Drehbühne zu über»
winden trachten. Aber wodurch? Abermals durch Mafcbinen. Haben
wir aber nicht fchon genug Mafchinen auf dem Theater? Übertönt
nicht jetjt fchon die Unruhe der Technik und Mechanik mit ihren
ftimmungmordenden Lauten die Stimme der Kunft? Ift der Mecha»
nismus der Technik, der Mafcbine, nicht der gefäbrlicbfte Gegner für
den Geift jeglicher Kunft, alfo auch der dramatifcben? Soll.diefe noch
mehr einer groben und öden Mechanik zum Opfer fallen? Wohl werden
Senfationen entfteben können, die aber immer wieder verpuffen und
planen wie fcbillemde Seifenblafen, um wieder von neuen Senfationen
abgelöft zu werden. Diefe ungeheuren Verfcbwendungen an Zeit,
Kraft, Mühe, Arbeit und Geld laffen nichts zurück als vollgeftopfte
Magazine und Requifitenkammem, eine Unmaffe von Dekorationen,
Verfatjftücken, Mafcbinen und Geräten, die beute das Entzücken der
Menge bilden und morgen in den Magazinen von Ratten und Mäufen
angefreffen werden. Als geiftige Unternehmung: das Faß der Danaiden,
der Stein des Sifyphus. Das eigentliche Ziel, die lebendige, blühende,
die Volksfeele treffende dramatifche Kunft des Dichters und des Schau»
fpielers, die Kunft der Lebens» und Handlungsfcbilderer, kommt auf
diefem Wege, ich wiederhole es, nie und nimmer zuftande. Und wo
fie die unbefiegbare Kraft der Dichter zuwege gebracht bat, wird fie
nach und nach unwirkfam gemacht und der Volksfeele entfremdet.
Savits will damit durchaus nicht einer dekorationslofen Bühne das
Wort reden, wohl aber einer maßvollen Befcbränkung des dekorativen
Teils in einer durchaus einfachen und gefälligen, aber finnreichen Art,
bei welcher der feinfte malerifche Sinn und Gefchmack febr wohl auf
feine Rechnung kommen kann. Der leitende Grundfat) wird der fein
müffen, daß das bandlungsreicbe Drama ftets dekorationsarm fein
muß, hingegen das dekorationsreiche Drama ftets nur handlungsarm
bleiben wird. □
BHUHUSSTELLUN6 STUTTGART 1908.
ie Beratungsftelle für das Baugewerbe bei der Königl. Zentratftelle
für Gewerbe und Handel in Stuttgart, die ihre praktifebe Tätig»
keit vorzugsweife durch fluskunftserteilung, durch eine permanente
flusftellung in den Räumen des Stuttgarter Landesgewerbemufeums,
fowie durch die monatlichen illuftrierten Mitteilungen »Für Bauplatj
und Werkftatt« ausübt, bat für diefen Sommer eine Bauausftellung in
größtem Umfang infzeniert. □
Anregungen, die bisher nur durch Wort, Bild und Schrift gegeben
werden konnten, dürften nunmehr in der Bauausftellung Stuft»
gart 1908 auch über die Landesgrenzen hinaus bei Angehörigen des
Baugewerbes und des Baubandwerks fowie beim großen Publikum
lebendig werden. Gerade die Befcbränkung auf die bürgerliche
Baukunft (im Gegenfatj zum Monumentalbau) wird der Stuttgarter
flusftellung ein befonderes Gepräge verleihen und ihr in allen jenen
Kreifen, die für moderne Kulturaufgaben Sinn und Verftändnis haben,
von vornherein eine beifällige Aufnahme fiebern. □
Der Bauunternehmer in einer kleinen Stadt oder der Baumeifter auf
dem Lande wird hier über die neueften Fortfehritte auf dem Gebiete
der Technik, über neue Materialien und neue Konftruktionen praktifcb
nicht minder belehrt werden wie über künftlerifcbe Gefichtspunkte,
die bei dem gefamten Außen» und Innenbau in Frage kommen. Diefem
Zwecke dienen Materialproben, Modelle und Pläne, namentlich aber
zahlreiche Sonderbauten, darunter ein Rohbau, mehrere vollftändig
eingerichtete bürgerliche Wobnbäufer und Arbeiterbäufer, ein Gemeinde»
haus und das Gebäude einer Handelsfchule. Schließlich ift auf die
Wohnungseinrichtung noch befondere Rückficht genommen, indem gleich»
zeitig eine flusftellung von künftlerifchen Wobnräumen ftatt»
findet, ift doch z. B. Stuttgart als Sit) einer blühenden Möbelinduftrie
in ganz Deutfcbland wohlbekannt. □
Die Bauausftellung, welche die Monate Juni bis Oktober dauern
wird, findet in unmittelbarfter Nähe des Hauptbabnhofs im malerifchen
Stadtgarten und auf dem Plat)e vor der Gewerbeballe, einfcbließlicb
diefer, ftatt. 400 Ausfteller beteiligen fich und 15 größere Sonderbauten
werden errichtet, kein Zweifel, daß hier in Stuttgart in der Stille
etwas vorbereitet ift, das allfeitige flufmerkfamkeit und zu gegebener
Zeit auch recht zahlreichen Befucb verdient. n
R. Voigtländer 8 Verlag, Leipzig □ Druck von Otto Regel, Leipzig
Für die Redaktion: Jofepb flug. Lux, Dresden-Blafewit)
ü Gefcbäftsftelte für öfterreich: □
Buchhandlung Carl von Hölzl, Wien 1/1, Opemgaffe 2
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