ORNAMENTE DER RENAISSANCE.
mit Hülfe eines spitzen Werkzeuges, die Zeichnung auf einer unpolirten Kupferplatte, die hierauf mit einer
dünnen Schichte durchsichtigen Emails belegt wurde. Hierauf überzog er seine Zeichnung mit einer
dicken schwarzen Linie und füllte die Zwischenräume mit verschiedenen, meistens durchsichtigen Farben
aus, so dass die schwarzen Linien denselben Dienst leisteten, den die goldenen Zwischenfaden in den erhabe
nen oder sogenannten cloisonnes Emails versehen. Die Ausführung der Carnationen bot die grösste
Schwierigkeit dar, und man bildete sie mittelst einer Auflegung von schwarzer Farbe, auf welcher man das
volle Licht, so wie die Halbtinten mit undurchsichtigem Weiss modellirte, mit gelegentlicher Hinzugabe
eines leichten Auftrags von hellem durchsichtigen Koth. Dann blieb nichts übrig als die Vergoldung anzu
bringen und die nachgeahmten Edelsteine anzuheften — die letzte Spur beinahe der byzantinischen Schule,
die ehemals einen so mächtigen Einfluss in Aquitanien ausgeübt hatte.
Diese Arbeit, in ihrem vollendeten Zustand, glich so ziemlich einem grossen roh gearbeiteten sogenann
ten translucide Email. Wahrscheinlich war diese Aehnlichkeit nicht zufällig entstanden, sondern absicht
lich erzielt, besonders da die Emails dieser letztem Art nur in kleinen Stücken verfertigt wurden, so dass
sie vollkommen geeignet waren die Stelle des Elfenbeins zu vertreten, in der Anfertigung jener kleinen
Triptycha, welche, während des Mittelalters, als ein unentbehrliches Zugehör der Gemächer und Betstuben
der Keichen betrachtet wurden. Deshalb sind auch alle die frühesten Emails in der Gestalt eines Tripty
chons oder Diptychons, oder bilden wenigstens Bruchstücke derselben. Viele unter den gegenwärtig erhal
tenen Emails dieser Art sind noch mit ihrer ursprünglichen Einfassung von Bronze versehen, und sollen,
wie die Alterthumsforscher annehmen, aus der Werkstätte des Monvearni hervorgegangen sein, dessen
Initialen sie gewöhnlich tragen. Monvearni und P. E. Niebolat, oder, nach einer richtigem Auslegung des
Namens, Penicaud, sind die einzigen deren Namen auf uns herabgekommen sind; die übrigen Künstler
folgten der nur zu allgemeinen Sitte der Kunstarbeiter des Mittelalters, ihre Arbeiten nicht zu zeichnen,
daher ihre Namen vergessen und für die Nachwelt verloren sind.
Im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts hatte die Kenaissance grosse Fortschritte gemacht, und
manche Veränderungen bewirkt, unter welchen der zunehmende Geschmack für “camaieu” oder “grisaille”
Malereien zu rechnen ist. Diese neue Mode wurde sogleich in den Werkstätten von Limoges allgemein,
und so entstand die zweite Serie von Emailmalereien. Das Verfahren war beinahe dasselbe, welches bei
den Carnationen der frühem Emails in Anwendung gebracht wurde, nämlich, man bedeckte zuerst die
Kupferplatte gänzlich mit schwarzem Schmelz, auf welchem das Licht und die Halbtinten mit undurch
sichtigem Weiss modellirt wurden; jene Theile die Farben erforderten, wie Gesicht oder Blattwerk, erhielten
eine Glasur von gehöriger Tinte, und um den Effect des Ganzen zu erhöhen, wurde beinahe immer ein
leichter Auftrag von Goldstrichen hinzugefügt. Zuweilen, wenn es erforderlich war, der Arbeit ausser
ordentlichen Glanz zu geben, wurde ein dünnes Gold — oder Silberblättchen, “ paillon ” genannt, auf den
schwarzen Grund aufgelegt, und dann mit Glasur bekleidet. Alle diese Verfahrungsweisen sieht man ver
einet in den von Leonard Limousin zur Ausschmückung der Sainte Chapelle verfertigten, und gegenwärtig
im Louvre befindlichen, zweien Bildnissen der Könige Franz I. und Heinrich II. Die Stadt Limoges war
dem erstem dieser Monarchen die grössten Verbindlichkeiten schuldig: denn er war es, der die Fabrik in
der Stadt anlegte und den Leonard, “ peintre, emailleur, valet-de-chambre du Roi,” zum Director derselben
ernannte, wobei er ihm zugleich den Namen “ le Limousin ” beilegte, um ihn von dem andern noch berühm
tem Leonardo da Vinci zu unterscheiden. Dass der “ Limousin ” 'kein gemeiner Künstler war, ergeht aus
seinen Copien der frühen deutschen und italienischen Künstler sowohl, als aus den von ihm verfertigten
Originalbildern des Herzogs von Guise, des Constabels von Montmorency, der Catherine von Medicis, und
mancher anderer seiner berühmten Zeitgenossen, bei deren Beurtheilung man nicht ausser Acht lassen
muss, dass das Material in welchem sie ausgeführt sind unter allen andern, die grössten Schwierigkeiten in
seiner Anwendung auf Kunstwerke darbietet. Die Werke Leonard’s erstrecken sich vom Jahre 1532 bis
zum Jahr 1574, und zu gleicher Zeit mit ihm blühten zahlreiche Emailmaler derselben Schule, deren
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