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lieh durch die reichen geschnittenen, ciselirten, gravirten und emaillirten
Metallornamente, die edlen Steine, den Luxus an Sammt, Seide und ge
presstem Leder etc. in Anspruch genommen wird, und die durch die
Zweckmässigkeit vorgeschriebenen Bedingungen für die Ornamentation gar
nicht in Frage zu kommen scheinen, so sind dieselben doch bei allen
guten Stücken vollauf berücksichtigt und haben hie und da orginelle Leistun
gen veranlasst. So z. B., wenn der im Aufträge des Herzogs Philipp von
Württemberg von Aug. Klein nach dem Entwürfe des Prof. Storck
ausgeführte Einband einer Folioausgabe der Bibel als Rücken ein Ketten
geflecht erhielt, das durch seine Solidität und Beweglichkeit ganz vor
züglich zu den Grössenverhäitnissen des Buches und dem schweren, aufs
reichste mit Email ausgestatteten Deckel passt.
Einer sorgfältigen und mehr künstlerischen Behandlung der eigent
lichen Bucheinbände wirkt die fabriksmassige Herstellung solcher seitens
der Verlagsbuchhandlungen entgegen. Vor wenig mehr als einem Men
schenalter kamen die meisten Bücher noch »roh«, »in albis«, das ist in
ungefalzten und ungehefteten Bogen, in den Handel, man las sie wie eine
Zeitung oder schickte sie sofort zum Binden. Jetzt bürgert sich nach und
nach die englische Sitte ein, ganze Auflagen gleich binden zu lassen, zu
welchem Zwecke der für den Ueberzug bestimmte Kattun gleich im Stücke
gepresst und bedruckt wird. Auf diese Weise werden unsere Bibliotheken
von einer Uniformität bedroht, aber zum Glück auch wieder durch eine
andere Eigenschaft der Fabrikswaaren, den Mangel an Solidität, geschützt.
Ausgestellt hatten ausser den Obengenannten die Buchbinder MÖssl
in Innsbruck (ein Canon Missale nach der Zeichnung des Prof. Stolz),
Wolf in Gmunden, welcher mit gutem Geschmack sein Geschäft zu einer
Specialität für Ledermosaikarbeiten gemacht hat, und F. Hollensteiner,
dessen Exposition sehr gelungene Nachbildungen aller Pergament- und
Lederbände aufzuweisen hatte.
Die vornehmste von allen graphischen Künsten, der Kupferstich, hat
um so mehr Vorrecht auf eine selbstständige Besprechung in unserem
Berichte, als gegenwärtig von verschiedenen Seiten zusammenwirkende
energische Anstrengungen gemacht werden, ihn dem Zustande arger Ver
nachlässigung, in welchen er sich so lange Zeit in Oesterreich befunden
hat, wieder zu entreissen. Vor der Berufung des Professor L. Jacobi an
die Akademie der bildenden Künste (vor etwa zehn Jahren) fehlte es für
die Pflege dieses Kunstzweiges in Wien an allem: an Stechern, an
Druckern, an Auftraggebern. Die Stiche, welche etwa ein Kunsthändler
für den Handel machen liess, die Nietenblätter der Kunstvereine, die
sporadischen Unternehmungen der Hof- und Staatsdruckerei, waren nicht
genügend, tüchtige Künstler heranzubilden und zu beschäftigen, und die
Photographie machte selbst dieser bescheidenen Thätigkeit fast ganz ein
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