dem Auge zu verlieren, sich etwa einer förmlichen Nüchternheit zuwenden
müsste. Die glattgedrehten und polirten Flächen einiger neuen Kelche
und Ciborien können eben nur durch die Eücksicht auf möglichst niedrige
Herstellungspreise gerechtfertigt werden. Wie aber bei vollkommen
proportionirter und stilgerechter Construction durch eine oder die andere
Art des Ornamentes ein Messkelch herzustellen wäre, der, ohne irgend
Ueberflüssiges an sich zu haben, doch auch einen künstlerisch schönen
Eindruck machen und sich so seiner hohen Bestimmung in jeder Be
ziehung würdig machen würde, dafür würde es nicht leicht sein, in dieser
ganzen blendend reichen Collection sonderlich viele Anhaltspunkte aus
findig zu machen.
Wie von Kelchen, so ist auch von Monstranzen eine sehr an
sehnliche Menge eingesendet worden, vorwiegend jedoch nur von solchen
gothischen Stiles, Die Zeit der Gothik hatte überhaupt für die neuen
Formen euebaristiseber Andachten diese Gattung liturgischer Geräthe
entsprechend auszubilden, und sie entledigte sich dieser Aufgabe auch
wieder ganz in ihrer Weise. Man wird nicht leugnen, dass es ihr gerade
mit den ihr eigenen Formen verhältnissmässig leicht gelang, für den
Zweck der feierlichen Vorzeigung des Allerheiligsten — man denke
namentlich an die Frohnleichnamsfeier — ein geeignetes Bebältniss,
gegenüber der geschlossenen und überdies noch meist zu verhüllenden,
darum aber auch füglich einfacheren Pixis die auf Schaustellung be
rechnete und darum möglichst prunkvolle Monstranz zu schaffen. Prunk
voll und majestätisch sehen sie in der That aus, diese reichgegliederten
gothischen Ostensorien, und sie bedürfen mit ihren Zinnen und Zierrathen,
um zu wirken, gar nicht erst der Unterstützung durch vielerlei Aufputz
mit Edelsteinen oder auch nur mit Vergoldung, sondern schon das blanke
Silber bringt hier, wie vielleicht nirgends mehr, eine reiche Wirkung
hervor. Sieht man sich aber ein solches, von der Ferne aus imponirendes
Gebilde ein wenig näher an, fragt man nach dem künstlerischen Werthe
solch silberner Domfa^aden, ja nach der künstlerischen Berechtigung,
Formen, die in der Architektur durch geniales Denken und Streben
entwickelt und ausgebildet wurden, rein mechanisch und nachahmend in
die Kleinkunst herüberzunehmen, dann sieht man gerade hier wieder
eine gewisse Schwäche oder doch Einseitigkeit der gothischen Kunst
zu Tage treten. Oder was sollen hier diese Mengen von Strebepfeilern
und Strebebögen, wo es keinen Seitenschub auszuhalten gibt, sondern
die beiderseitigen Flügel manchmal nur zuunterst von einem Grund
balken getragen werden, nach oben hin jedoch mehr oder minder frei
in der Luft schweben; was diese „Wälder” von Thürmchen und Giebeln,
wo es nichts zu krönen gibt, als höchstens die gerade nur ihnen zu
Liebe daruntergestellten Heiligenfigürchen, die aber auch nur wieder
die Aufmerksamkeit von der Hauptsache, dem Sanctissimum, noch mehr
abzulenken geeignet sind? Durch nichts könnte das innerlich Unmotivirte,
um nicht zu sagen Absurde dieses Spielens mit architektonischen Ele
menten schlagender nachgewiesen werden, als dadurch, dass, wie ein
Blick auf die vielen in einer Reihe stehenden gothischen Monstranzen
aller Grössen zeigt, kaum bei einem einzigen Stück das Detail durchwegs mit
einer befriedigenden Genauigkeit, die doch in der Architektur wieder so
wesentlich ist, ausgearbeitet erscheint; da gibt es im Gegcntheil überall