20
S. Goldfchmidt.
Wir haben nun noch die verfchiedenen Verfuche, radicale Aenderungen
und Verbefferungen in der Gerberei einzuführen, zu erwähnen, die auf der Aus-
ftellung vertreten waren, wenn diefs auch nur flüchtig gefchehen kann, da die
Manipulationsweife und die Refultate befonders des Gewichtsergebniffes und
der Haltbarkeit nicht angegeben waren. Soweit uns bekannt ift, waren diefs blofs
die fchon früher erwähnten Sohlleder von N. Baluffi & Sohn, ferner von
H. Gramm in Ludwigsluft, Leder mit Mineralfalzen präparirt, 'dann vonRam-
b ach er in Antoing , kleine Riemenproben und endlich Sohlleder mit dem
Miller’fchen Extradt gegerbt. Der Miller’fche Extradt, aus der canadifchen Fichte
(pinus canadienfis) erzeugt, gerbte nach Angabe das ausgeftellte Sohlleder in
sechs Monaten und die ausgeftellte Walrofshaut in acht Wochen. Noch haben
wir desExtradles aus Kaftanienbaum-Holz vom Aime Koch et Comp, zu erwähnen.
Wenn wir nun diefe wenigen Verfuche, zu ändern und zu belfern, deren
Refultate noch dazu fraglich find, gegen die grofse Maffe derer halten, die noch
fall genau an dem alten Verfahren hängen, das wir fchon in dem älteften Werke
über Gerberei, welches 1708 von Desbillets, Mitglied der königlichen Akademie
der Wiffenfchaften in Paris, erfchien, befchrieben ift, fo dürfen wir wohl behaupten,
dafs das Gerbergewerbe eines der confervativften ift, da es kaum ein zweites geben
durfte, in dem im Verlaufe von mehr als anderthalbhundert Jahren die Chemie
nicht eine radicale Umwälzung hervorgebracht hat; es ift diefs um fo mehr zu ver
wundern, als die praktifche Chemie auf allen Gebieten der Induftrie fo riefige
Fortfehritte gemacht hat und gerade hier, wo es fleh um rein chemifche Proceffe
handelt, ein fo weites Gebiet menfchlichen Wiffens und Wirkens unbeachtet liefs.
Es würden zwar die verfchiedenartigften Verfuche gemacht, aus der thieri-
fchen Haut, durch Einwirkung anderer Stoffe als Vegetabilien fchneller oder beffer
dem lohgaren ähnliches Leder zu erzeugen, aber immer fcheiterten diefelben an
der Unrentabilität in Bezug auf den Koftenpreis oder das Gewichtsergebnifs oder
an der geringeren Haltbarkeit des Fabricates, und die hervorragendften unter den
Freunden des Fortfehrittes auf dem Gebiete der Gerberei mufsten ihre Verfuche
oft mit dem Verlufte ihres Vermögens biifsen ; und warum follte es doch unmöglich
fein, diefen Gerbftoff auch auf anderem Wege als aus Vegetabilien zu bereiten und
durch Verbindung mit der thierifchen Haut Leder zu erzeugen?
Wohl wird man einwenden, dafs fleh fchon bedeutende Chemiker mit der
Analyfe folcher Stoffe befchäftigt, dafs fchon fehr intelligente Gerber diefes Ver
fahren gefucht und ihre Verfuche theuer gebüfst haben, ohne praktifche Erfolge
zu erzielen. Was aber dem Einen nicht gelang, dem nur die Theorie, und dem
Anderen, dem nur die Praxis geläufig, — follte diefs unmöglich fein, wenn die Theorie
mit der Praxis, wenn der Chemiker mit dem Gerber vereint einem gleichen End
ziele zuftreben ?
Die Gerberei ift ein Gewerbe, deffen Refultate auf der Einwirkung gewiffer
Stoffe auf die thierifche Haut, beruhen, diefe zu finden, wäre die Aufgabe des
Chemikers. Diefe Einwirkung fo zu leiten, dafs ein möglifchft praktifches Refultat
gewonnen wird, wäre die Aufgabe des Gerbers. Dem Einzelnen ift bis jetzt die
Löfung der Aufgabe auf anderem als dem bisherigen Wege, beffer, billiger oder
fchneller Leder herzuftellen, nicht gelungen. Wäre es nicht dem mächtigen Hebel
der Affociation möglich, was dem Einzelnen nicht gelang?
Solltees nichtmöglich fein, durcheinen Verein der dabei
am meiften intereffirten Lederfabrikanten eine Verfuchsftation
für Gerberei zu gründen, wonach Anftellung eines bewährten
Chemikers und eines tüchtigen Gerbers, die vereint arbeiten
würden, Verfuchege m achtwerden könnte n, ohnezug rofseKoften
für den Einzelnen, eine complete Umwälzung d e s b i sh e rig en
Gerbeverfahrens auf wiffenfchaftlichem und praktifchem Wege
herbeizuführen, und zugleich ein Inftitut zu gründen, wo alle
neuen Erfindungen auf dem Gebiete derHilfsmafchinefürdie