Allgemeine Bewaffnung und Artilleriewefen.
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gebrachten Revolver fremder Expofiteure liefsen bei einer dem öfterreichi-
fchen gleichen Leiftungsfähigkeit mitunter jene Einfachheit und Solidität der
Beftandtheile vermiffen, die mit zu den Hauptbedingungen einer Kriegswaffe
gehören.
Darf man folchergeftalt über den Standpunkt der Bewaffnung der öfter-
reichifchen Infanterie- und Cavallerietruppen infoweit beruhigt fein, als deren
achtunggebietende Vollendung eben nur mehr eine Frage der finanziellen Mittel
ift, fo kann diefs von der Ausrüftung der Artillerie mit Feld-
gefchützen leider nicht gefagt werden.
Die Ausftellung hat gezeigt, dafs wir in diefer Beziehung hinter jenen
Mächten zurückftehen, welche mit der Neubefchaffung ihres Materiales fpäter
begannen, und fomit die jüngften Erfahrungen und Errungenfchaften der
Technik verwerthen konnten. Während wir ehemals zu Denjenigen zählten,
die auf ihr Gefchützmaterial Holz fein durften, wäre jetzt eine Apologie
der öfterreichifchen Feldgefchütze nicht mehr am Platze. Sie gehörten zur
Zeit, als die gezogenen G^fchütze ihre Aufnahme in die Armeen fanden,
zu den bellen ihrer Art, und haben ihre Schuldigkeit in mehreren Feldzügen
gethan.
Allein die Waffentechnik ift bei dem vor zehn Jahren Gefchaffenen nicht
flehen geblieben; fie hat vielmehr bedeutende Fortfehritte nicht nur in der Dar-
ftellung des Rohmaterials, fondern auch in Bezug auf Conftrudlion der Gefchütz-
rohre und Gefchofserzeugung gemacht, und in den meiften Staaten hat man fielt
der neueften Schöpfungen derfelben bereits bemächtigt.
Hier ift zu bemerken, dafs die vollkommenften Conftrudlionen, welche in
Folge der letzten Erfahrungen im grofsen Kriege * in Preufsen z. B. demnächft
zur Einführung gelangen werden, und gegenwärtig in der Erprobung find, auf
der Ausftellung nicht einmal repräfentirt waren.
Das Streben nach möglichft ausdauernden F e 1 d g e f c hü tz e n
mit der thunlichft gröfsten Tragweite, S c h u f s p r ä c i f i o n, Flug
bahn-Ra fanz und GefchofsWirkung befteht bei allen Artillerien, und ift
dasfelbe bisher mit mehr oder weniger Erfolg gekrönt worden.
Um nur ein Beifpiel diefer Bemühungen anzuführen, welches umfo dralli-
fcher wirkt, als es aus einem Lande geholt wird, welches auf die Bewaffnungs-
verhältniffe der europäifchen Grofsftaaten nicht jene ftrengen Rückfichten zu
nehmen hat, wie z. B. Oefterreich, verweilen wir auf Schweden.
Diefes Land, welches fein vor zehn Jahren eingeführtes Gefchützfyitem
aus leicht begreiflichen Gründen nicht aufgeben wollte, fuchte die Portee, Präcifion
und Gefchofswirkung feiner Gefchütze durch die zuläffige Vermehrung der
Gewichte von Gefchofs und Ladung entfprechend zu erhöhen. Freilich entfpricht
diefes fo verbefferte Syftem dennoch nicht den heutigen Anfchauungen über die
Leiftungen einer Feldartillerie, allein man hat dort eben getrachtet, den von uns
angedeuteten Zweck wenigftens fo weit, als möglich war, zu erreichen.
Als Rohrmaterien fahen wir Gufseifen, Bronce und Gufsftahl
verwendet, letzteren von fo vorzüglicher Qualität, dafs er in Verbindung mit der
Ringconftrudtion wohl die meiften Garantien zur Erreichung der obigen Zwecke
bietet. Der Umftand, dafs auch noch Broncerohre ausgeftellt waren, veranlafst
uns zu einer kurzen Betrachtung über diefelben.
Die Bronce befitzt jenen Grad von Zähigkeit, welcher die Gefahr des plötz
lichen Zerfpringens eines Kanonenrohres vollftändig ausfchliefst. Leider kleben
derfelben aber anderfeits fo bedeutende Nachtheile an, dafs dieferhalben Rohre
aus Bronce den modernen Anforderungen an ein Feldgefchütz niemals entfpre-
chen können. Sie ift nämlich zu wenig elaftifch, und hat eine zu geringe abfolute
* Nur aus diefem laffen üch für den Feldkrieg gütige, die Bewaffnungsverhältniffe
beeinfluflende Lehren ableiten.