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F. Lieb.
Vergangenheit noch einen fchwachen Nimbus flicht. Eine \Yüfte auf kuntt-
induftriellem Gebiete.
Eben fo traurig tlimmte das Suchen nach ehemaliger orientalifcher
Pracht. Wasneu war, war nicht gutund das wenige Gute w ar eben
alt. Wo find die Märchen von orientalifcher Pracht? Sie find eben zu Märchen
geworden.
Trofllos blickt das Auge auf einen Tand von ftillofen Verzierungen. Egyp
ten und die Türkei, weniger In d i e n, huldigen dem Gefchmacke a la Franca.
Die fmnlofeften Schnörkel find willkürlich ohne organifche Ordnung, hirnlos an
einander gepatzt, die fchönen Linien verfchwunden. Die orientalifchen Zeichner
haben eben die nationale Richtung in demfelben Grade verloren, als diefe die
ruffifchen Collegen zu finden fuchten und theilweife fchufen.
Sie hatten die betten Motive an ihren alten Stoffen und Teppichen,-durften
nur darnach langen, aber fie wollten fich modernifiren und indem noch in jedem
Blutstropfen der Türke fleckt, mutste gewaltfam gegen alle innere Ueberzeugung
der Franzmann hinein. Und fo wurde denn ein Baftardftil der mifsrathenften Art
erzeugt, der bei den kunftfinnigeren, noch lange nicht allen Gefchmackes baren,
gebildeten Ständen nur Zurückweifung und Ekel erzeugte. Bei entfernteren
Dittridten, z. B. den Erzeugniffen Bagdads, merkte man fchon weniger den unheil
vollen Wahn der Nachahmung, wenn gleich ein Fortfehritt, eine Verfeinerung
des Gefchmackes eben fo vergeblich gefucht wird.
Meine Befürchtungen, mein Bangen um das fernere Beftehen des fo poefie*
reichen, rein orientalifchen Gefchmackes, wurden einigermafsen zerttreut durch die
Verficherungen des liebenswürdigen Chefs der orientalifchen Abtheilung, dafs er
bei feiner Regierung ein Fetthalten am guten alten Stile aus innerer Ueberzeu
gung lebhaft zu befürworten, fich zur Lebensaufgabe machen wolle.
China und Japan brachte in Stoffen nur Mittelmäfsiges; mit den dort noch
in Verwendung flehenden Webevorrichtungen kann es nur Wunder nehmen, dafs
es noch möglich war, Solches zu leiften.
Stickereien diefer Länder, namentlich Chinas, fowie andere Ku-nftindutlrie-
Artikel, erregten ungetheilte Bewunderung. Sie find noch von keinen fremden
Einflüßen angekränkelt und wenn auch kein Fortfehritt möglich itt, fo itt er eben
fo überflüffig. Das Gebotene könnte unmöglich befler fein, als es eben itt.
Wir find fomit bis zum Ottportale des Riefenbaues gelangt, unter detfen
Dach die Produkte der gefammten Völker aller uns bekannten Länder unferes
Erdballes Raum fanden. Es fei geflattet, dafs wir noch, bevor wir vielleicht auf
lange fcheiden, einen vergleichenden Rückblick auf vergangene Austtellungen
machen, wobei wir von alten Bekannten fprechen und indem wir Vergleiche
anttellen wollen zwifchen Vergangenheit und Gegenwart, naturgemäfs einen Blick
in die Zukunft thun, und unfere Meinung darüber ausfprechen, was no th thut
fürfernerhin. .
Es reicht wohl beim grofsen Theile unterer geneigten Lefer in die Knaben
zeit, bei anderen in die Jünglings-, beim kleinften Theile in die Manneszeit zurück,
die Erinnerung an die letzte Wiener IndUftrieausttellung im polytechnifchen
Inftitute, welche im Jahre 1845 abgehalten wurde. Sie kehrten nach Bedürfnifs
in einigen Jahren wieder oder gar nicht mehr, wie diefs bei uns der Fall war.
Ich möchte fie eigentlich die Vorboten der Weltausftellungen nennen, zu welchen
zum erftenmale im Jahre 1852 die Engländer die Völker der Erde einluden, fich
gegenfeitig zu meffen im grofsen Wettkampfe.
Sprachlos vor Erttaunen ob der Riefenidee (landen wir damals und in
Bewunderung aufgelött da. Wer ahnte auch zu jener Zeit, dafs diefe Expoution
eigentlich ein Kinderfpiel fein wird, gegen jene, welche wir 21 Jahre fpäter im
eigenen Lande in Scene fetzen werden. Und diefes, heute in Sydenham flehende
Glashaus genügte hinreichend, um Alles unterzubringen, was fich anmeldete. Viel