das „blaue Zimmer", dem er einen Reiz
verleiht, wie seiner „Dame in Blau". Dres-
den hat an Kuehl einen malerischen Bio-
graphen gewonnen, der mit der Zeit sein
Rudolf Alt werden kann. An unseren
patriarchalischen Meister erinnert er aber
mitunter auch malerisch, und ganz auf-
fallend, trotz der heutigen breiteren,
fleckigeren, tonigeren Malweise. Die Ve-
dutenkunst hatte früher von Dresden nur
die Linearperspektive gegeben (Cana-
letto!), jetzt endlich wird auch die Luft-
perspektive von Elbilorenz verewigt. Und
wie köstlich weiss Kuehl alle die alte
Barockpracht mit ewig neuen Witterungen
zu modernisieren. An der Augustusbrücke.
die er in der Kunstwelt so populär
gemacht hat, wird gewiss einmal eine
Gedenktafel an ihn erinnern. Und dabei
behält er nach wie vor jene Frische der
Hand, die vor zehn Jahren dem mittel-
europäischen Auge so wohlgetan hat.
Gleichzeitig sieht man bei Pisko eine
Sammlung Bilder von Tina Blau. Auch
von diesen kennt man so manche längst;
aus ihrer guten alten Schindlefschen Zeit,
aus dem Schindler'schen Prater und
Holland, aus Szolnok an der Theiss. Seither
Londgn 177„ rotes Margquin (253 Größe) hat sie nach einer gewissen Wucht ge-
strebt, dabei aber viel Luft verloren. In
der Tat ist das ihre Schwäche geworden.
Die Farbe wirkt oft mehr als Farbenmaterial, nicht als farbiger Schein der Dinge. Ihre
jüngsten Motive sind aus dem Oetztal und vom Fusse der „]ungfrau" geholt. Da macht sich
denn der Mangel an Luft besonders geltend. Es fehlt an Weite, Ferne, Grösse. Auch ein auf-
zie hendes Gewitter am Gardasee wird versucht, nicht ohne Wirkung, obgleich dazu doch
eine andere Art malerisches Temperament gehört. In den grossen und kleinen Blumen-
stücken bewährt sich das frauenhafte Blumengefühl, wie bei allen Schülerinnen
Schindlers, der ein grosser Florist war. An Beobachtung und zierlicher Durch-
führung lassen sie nichts zu wünschen, nur fehlt wieder bei grösserem Masstabe der
Raum. Bei dem trefflichen Können der Künstlerin wundert man sich immer wieder,
dass sie nicht recht weiss, was sie damit anfangen soll. Es liesse sich damit sehr
Gutes leisten.
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IE ENTWICKLUNG DER MODERNEN BUCHKUNST IN
DEUTSCHLAND} Entwicklungsgeschichtliche Betrachtungen zeitgenös-
sischer Kulturströmungen dürfen nicht mit dem Masstabe gemessen werden, den man an
rein geschichtliche Schilderungen anzulegen berechtigt ist. Was uns in solchen Fällen, wo
" Otto Grautoff, die Entwicklung der modernen Buchkunsx in Deutschland. Leipzig W. Seemann
Naehf. (19:22).