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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 3. Jahrgang 1906/07

GOLDSCHMIEDEKUNST 
SCHMUCK» UND EDELMETHLLHRBEITEN 
E ine Auswahl moderner Werke von Schmuck« und Edelmetall« 
arbeiten gibt die Verlagsanftalt von Hofrat Alexander Kock 
in Darmftadt als Band IX ihrer Monographien heraus. Dem 
Verlag war anfcheinend mehr darum zu tun, eine möglichft breite 
Überficht über den Stand der heutigen Goldfchmiedekunft zu geben, 
denn eine ftrenge Auslefe des Beften, die nach der heutigen Lage 
diefes Kunftzweiges allzu knapp hätte ausfallen müffen. Nichts« 
deftoweniger haben in der Auswahl, die diefer fchmucke Band 
bietet, nur künftlerifcbe Arbeiten Aufnahme gefunden, und zwar 
nicht nur deutfdbe und öfterreichifche, fondern auch englifche und 
franzöfifche. Wer alfo prüfen und vergleichen will, findet hier 
ein ftattlicbes Material beifammen. lim einen der Höhepunkte 
zu markieren, hat uns die Verlagsanftalt aus dem Werke die 
nebenftehenden Abbildungen der von den Skoda=Werken dem 
Kaifer von Öfterreich gewidmeten Kaffette, nach Entwürfen von 
C. 0. Czefchka von der Wiener Werkftätte ausgeführt, zur Ver« 
fügung geftellt. Die Treibarbeit, die den Handwerkern, die fie 
bergeftellt, ein fcbönes Zeugnis ausftellt, ift aus Silber gefertigt, 
und die ornamental behandelten Felder, die an der Vorderfeite 
allegorifcbe Darftellungen der Kraft zur See mit den Kriegs« 
fchiffen Zenta und Babenberg, fowie das kaiferliche Wappen in 
ftrenger Stilifierung enthalten, find vergoldet, wie die Säulen, 
die auf Elfenbeinfüßen ruhen und die Kaffette tragen. Die 
Kaffette, die zur Aufnahme von Erinnerungsbildern anläßlich 
eines Kaiferbefuches in den Skoda«Werken beftellt war, bat eine 
ebenfo forgfältige und eigenartige innere Ausftattung erhalten, 
mit Gurten, die nach Zeichnung eigens für diefen Zweck gewebt 
waren. Zum rühmlichen Unterfchied von dem herkömmlichen 
Plunder, der bei folcben Anläffen von den fonft bevorzugten 
Galanteriefirmen in altbekannter Gefcbmacklofigkeit beforgt wird, 
verdient diefes Werk in den Hofmufeen oder in der Schatzkammer 
einen Platj, wo es fich immerhin in gemeffener Nähe neben 
Goldfcbmiedewerken der alten Kunft zeigen darf. Ich bin aber 
nicht ficber, ob dies der Fall fein wird. □ 
Ungeachtet vereinzelter Anftrengungen, die da und dort von 
Künftlern gemacht werden, ftehen doch die englifchen Arbeiten 
im Range am böcbften. Sie nehmen daher auch in Kochs Publi« 
kation das Intereffe am ftärkften in Anfpruch, wenn man die 
beften Leiftungen auf allen Linien vergleicht. Was von konti« 
nentalen Arbeiten gut ift, ftebt meiftens in Abhängigkeit von 
englifchen Vorbildern. Auch Japan mit feinen wundervollen 
Vafen und Korbformen, die wieder mit einer von uns noch 
lange nicht begriffenen feinen Kunft des Blumenarrangements 
zufammenbängt, hat in befonderen Fällen Anregungen geliefert. 
Entfcheidend in folcben Fällen ift immer, ob ficb’s um ein Nach« 
bilden, oder um ein felbftändiges Verarbeiten bandelt. Das 
letztere ift künftlerifcb, das andere ein Unfug. Der Unfug ift 
nicht immer an Japan geübt. Für den, der fehen kann, enthält 
der Band Beäfpiele nach allen diefen Richtungen. Es ift natür« 
lieh der Verlagsanftalt nicht eingefallen, Beifpiele und Gegen« 
beifpiele zu bringen; die Gegenbeifpiele find ganz unbeabfichtigt 
und im guten Glauben an die Legitimität aufgenommen worden. 
Daß die Qualität der englifchen Arbeiten überwiegt, bat feinen 
guten Grund. Dort bat früh genug die Arbeit Ruskins und 
feiner Bekenner eingefetzt, um das Fünkchen einer guten Hand« 
Werkstradition zu neuem Licht anzublafen und es gegen den 
gemeinen Publikumsgefcbmack und deffen Markthelfer zu be« 
haupten. Daß es fo was Gemeines auch dort gibt, felbft dafür 
gibt der Band, beimtückifcb gegen feinen Verleger, unzweideutige 
Belege. Wir auf dem Kontinent find aber noch übler daran. 
Deutfche Goldfchmiedekunft exiftiert beute nur dem Namen nach, 
weil die gute Handwerksüberlieferung hier völlig ausgeftorben 
ift. Hieraus erklären fich fo viele künftlerifcbe Irrtümer. Immer« 
bin, uns bleibt zu hoffen. Am fcblimmften fiebt’s mit Frankreich 
aus. Trotz Lalique. L. 
ANWENDUNG DES GOLDGLANZES 
N ur aus Neuern erfcheint die krude Goldfarbe und der 
banale Spiegelglanz des polierten Metalls als Reizmittel 
für untere ftumpfen Sinne notwendig, als das Höchfte, 
wonach die Kunft des Vergolders zu trachten habe. a 
Man lieht die Voltkommenbeitsidee in der Alleinberrfcbaft des 
Glanzes nach den erhabenen Grundlagen und Prozeduren des 
Schuhputzers erfüllt; man wichft das Ganze, wo nicht, fo wird 
fo viel gewidbft wie möglich. Dadurch ift dem in den Künften 
wie in der Natur berrfchenden Gefetze, wonach Licht und Glanz 
erft durch Konzentration und durch das Übergewicht des Dunklen 
recht wirken, zwar keineswegs entgegengetreten, weil eine voll« 
kommen polierte Metallfläche außer ihren Glanzftellen das 
dunkelfte Objekt ift; aber diefe Wirkungen gehören mehr 
den allgemeinen Naturphänomenen an, als denen, welche die 
Kunft zu ihren Mitteln zählt. Wo jedoch letztere diefelben als 
Hauptmotiv benutzen will, dort ftellt fie fich eine Aufgabe, die 
febwerer ift, als die Meiften ahnen, die aus Ökonomie, Un« 
gefchick, Ungefcbmack, Geiftesarmut und Bequemlichkeit faft 
keine anderen mehr in Bewegung fetzen. Der Gedanke des 
Künftlers muß gleich bei der Konzeption feines Werkes auf 
diefes Ziel gerichtet fein, jedes Detail muß er für den rein 
finnlichen Licht« und Glanzeffekt berechnen; das Scbwierigfte 
bleibt dabei, das Glitzernde einheitlich zufammenzuhalten. Diefe 
Schwierigkeit erkennend, gingen die guten, alten Meifter mit 
dem Polierftable weit vorfiebtiger um, begnügten fie fich im 
allgemeinen mit dem natürlichen matten Glanze des Goldes 
(und Silbers), gingen fie von diefem böcbften Ton ihrer Effekt« 
fkala abwärts, indem fie das Metall mit Farben und Lafuren 
überzogen und feinen Glanz nach den Erforderniffen der Auf« 
gäbe, die vorlag, dämpften, abtönten und variierten. □ 
Der Polierftabl diente nur, um einzelne Glanzpunkte heraus« 
zuheben oder um eine Goldfläche durch Abwecbflung des Matten 
und Glänzenden damit zu muftern, um Arabesken und Akantus« 
rankenwerk mit ihm bervorzubrängen. □ 
Das Gold als Grund bildnerifcher und malerifcher Gegenftände 
darf nicht glänzen; es muß auch mit dem Kolorite und der 
Gegenftände auf ihm fowie des umgebenden Ganzen überein« 
ftimmen. So feierlich und ruhig diefe Goldgründe wirken, wo 
natürlicher Stilfinn oder die Hand eines Meifters ihre erforder« 
liehen Abftimmungen übernahmen, ebenfo abfcbreckend find 
gewiffe febr anfprucbsvolle und fogar vielgepräefene moderne 
Ausgeburten der von falfcbem Klaffizismus befruchteten Ge« 
fchmacklofigkeit. SEMPER 
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