Plänen zu erbauen, in welche die Bevölkerung aus den alten,
fcbmutjigen Städten mit folcher Selbftverftändlidbkeit und - dank
der fpäter anzuwendenden Macbtbefugniffe - folcher Leicbtig=
keit überfiedelt, wie aus einer alten, verfallenen Wohnung in
ein neues, behagliches Heim. Weite Strecken Landes müffen
erworben werden, um folcbe Städte bauen zu können. Hier
und da mögen wohl mit einem oder mehreren Grundbefitjern
gütliche Abmachungen getroffen werden können, aber wenn die
Bewegung in einigermaßen metbodifcber Art und Weife um fich
greifen foll, fo bandelt es fich um den Erwerb weit größerer
Länderftrecken, als für das erfte Experiment erforderlich waren.
Denn gerade wie die erfte kurze Eifenbahn, die der Keim des
ganzen Eifenbabnwefens war, nur in wenigen Menfcben ein
Bild eines fich über das ganze Land verzweigenden Eifenbabm
netjes erwecken konnte, fo kann der Lefer aus meiner Befcbrei*
bung und meinen Ausführungen keine Vorftellung von der Ent=
Wicklung gewonnen haben, die dem erften Experiment folgen
und das Planen und die Erbauung ganzer Gruppen von Städten
zeitigen muß, in denen jede einzelne Stadt eine beftimmte Eigen
art bat, die fich aber doch alle einem großen, wobldurcbdacbten
Plane einfügen. □
Ich möchte hier ein Diagramm (Seite 120) einfügen, das nach
meiner Anfcbauung ein Bild von dem einzig richtigen Prinzip gibt,
nach dem alle Städte fich entwickeln müßten. Nehmen wir an, daß
die Gartenftadt die erhoffte Entwicklung genommen und die in
Ausficbt genommene Einwohnerzahl von 32 000 Bewohnern er
reicht bat. In welcher Weife foll fie nun weiter wachfen? Wie
foll fie den Bedürfniffen derer entfprecben, die durch ihre zahl
reichen Vorzüge angezogen werden? Soll fie etwa den Gürtel
der fie umfcbließenden Ländereien bebauen und auf diefe Weife
für immer das Recht auf ihren Namen »Gartenftadt« verlieren?
Sicherlich nicht. Diefes beklagenswerte Refultat wäre allerdings
unausbleiblich, wenn diefer Gürtel, wie es in den beftebenden
Städten der Fall ift, fich in den Händen von Privateigentümern
befände, die ängftlicb darauf bedacht find, Nu^en daraus zu
ziehen. Denn dann würde das Land, mit dem Augenblick, wo
das Stadtgebiet bebaut wäre, »baureif«, und mit der Schönheit
und Gefundbeit der Stadt wäre es dann fchnell vorbei. Aber
glücklicherweife befindet fich das Land, das die Stadt umgibt,
nicht in den Händen von Privateigentümern, fondern in denen
der Gefamtbeit der Stadtbevölkerung, und wird nicht für die
vermeintlichen Intereffen jener wenigen, fondern im wirklichen
Intereffe des ganzen Gemeinwefens verwaltet. Auch gibt es
wenig Dinge, über die das Volk fo eiferfüchtig wacht, wie über
feine Parks und freien Plä^e. Ich glaube, man darf überzeugt
fein, daß die Bewohner der Gartenftadt es nicht einen Augenblick
dulden würden, daß die Schönheit der Stadt unter ihrem Wachs
tum litte. Aber eine andere Frage könnte dann am Platze
fein: Werden die Bewohner der Gartenftadt nicht in hohem
Grade felbftfüchtig fein, wenn fie fich dem Wachstum der Stadt
entgegenftellen und dadurch viele andere von dem Genuß der
Vorteile, die fie bietet, ausfcbließen? Gewiß nicht. Denn es
bietet fich eine glänzende, bisher aber immer überfebene Alter
native. Die Stadt wird weiter wachfen; aber fie wird nach einem
neuen Prinzip wachfen, fodaß das Wachstum der Stadt nicht
eine Verminderung und Zerftörung, fondern vielmehr eine
Steigerung ihres gefelligen Lebens, ihrer Schönheit und ihres
Komforts bedingt. Der Lefer betrachte einen Augenblick das
Beifpiel einer Stadt in Auftralien, die in gewiffem Grade das
von mir vertretene Prinzip illuftriert. Die Stadt Adelaide ift,
wie aus der anliegenden Skizze bervorgebt, rings von Park
gelände umgeben. Das Stadtgelände ift völlig bebaut. Wie foll
die Stadt weiter wachfen? Sie wäcbft, indem fie das Parkgelände
überfpringt, und ein Nord-Adelaide wird begründet. Dies ift
auch das Prinzip, welches in der Gartenftadt befolgt und ver
vollkommnet werden foll. □
Unter Diagramm wird nun verftändlicb fein. Das Stadtgebiet
der Gartenftadt ift vollftändig bebaut; ihre Bevölkerung bat die
Zahl von 32000 Köpfen erreicht. Wie wird fie weiterhin wacbfen?
Sie wird wachfen, indem fie - vorausficbtlicb unter Anwendung
ftaatlicb verliehener Enteignungsbefugniffe - eine andere Stadt
in einiger Entfernung jenfeits ihres eigenen Landbezirkes er
richtet, fodaß die neue Stadt gleichfalls ihren eigenen befondern
ländlichen Bezirk bat. Ich habe von der Errichtung einer neuen
Stadt gefprochen, und was die Verwaltung anbetrifft, würde es
fich tatfächlich um zwei felbftändige Städte bandeln. Die Be
wohner der beiden Städte könnten einander aber in wenigen
Minuten erreichen, denn man würde für fcbnelle Verkehrsmittel
befondere Sorge tragen, und auf diefe Weife würden anderer-
feits die Bewohner beider Städte in Wirklichkeit ein Gemein-
wefen bilden. □
Wenn diefes Prinzip des Wachstums, das unteren Städten
immer einen landwirtfchaftlichen Gürtel zu erhalten beftrebt ift,
ftets befolgt würde, fo würden ficb im Laufe der Zeit Gruppen
von Städten bilden. Diefe brauchten natürlich nicht in der ftreng
geometrifchen Form meines Diagramms angelegt zu fein. Jeden
falls aber müßten fie ein Gebilde von Zentralftadt mit Neben-
ftädten darftellen, fodaß jeder Bewohner einer ganzen Gruppe
in gewiffem Sinne in einer mittelgroßen Stadt wohnt, zu gleicher
Zeit aber auch in einer großen, ungewöhnlich fcbönen Stadt
lebt und alle ihre Vorzüge genießt. Und dabei brauchte er nicht
auf die etfrifcbenden Freuden des Landlebens zu verzichten —
Felder, Hecken und Wälder, nicht bloße Zierparks und Gärten
find in wenigen Minuten zu erreichen. Und aus dem Grunde,
weil die Bevölkerung in ihrer Gefamtbeit Eigentümerin des
Grund und Bodens ift, auf dem diefe Gruppe fcböner Städte er
baut ift, werden die öffentlichen Gebäude, die Kirchen, Schulen
und Univerfitäten, die Bibliotheken, Bildergalerien und Theater
von einer folcben Pracht fein, wie keine Stadt der Welt, deren
getarnter Grund und Boden ftets an Privatperfonen verpfändet
ift, fie aufweifen kann. □
Ich habe fcbon erwähnt, daß fcbnelle Eifenbabnverbindungen
von den Einwohnern diefer fcbönen Stadt oder diefer Städte
gruppen gefchaffen werden würden. Ein Blick auf das Diagramm
zeigt die Hauptlinien diefes Eifenbabnfyftems. Da ift zunäcbft
eine Ringbahn, die alle Städte des äußeren Ringes - 20 englifcbe
Meilen im Umkreis — miteinander verbindet. Um von einer
diefer Städte zu der am weiteften entfernt gelegenen Scbwefter-
ftadt zu gelangen, find unter diefen Umftänden nur zehn eng»
lifche Meilen zurückzulegen, was in etwa zwölf Minuten mög
lich wäre. Zwifchen den Städten find keine Halteftellen vor-
gefeben, da jede Stadt mit der näcbftgelegenen durch eine direkte
Linie verbunden ift. Der Verkehr auf der Strecke zwifchen
zwei benachbarten Städten wird durch elektrifche Straßenbahnen
vermittelt, welche die großen Landftraßen benutjen, von denen,
wie man fiebt, eine ganze Anzahl vorhanden find. □
Außerdem ift noch ein Eifenbabnfyftem vorhanden, welches
jede Außenftadt direkt mit der Zentralftadt verbindet. Die Ent
fernung zwifchen jeder Außenftadt und dem Hetzen der Zentral
ftadt beträgt nur 3 l U engl. Meilen, und diefe könnten mit Leichtig
keit in fünf Minuten zurückgelegt werden. □
Diejenigen, die erfahren haben, wie fchwierig es ift, aus einer
Vorftadt Londons in eine andere zu gelangen, werden fofort
einfeben, welchen Vorzug die Bewohner einer folcben Städte
gruppe wie die unfrige genießen, und zwar aus dem Grunde, weil
ein Eifenbabn - S y ft e m und nicht ein Eifenbabn -Chaos vorhanden
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