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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 1. Jahrgang 1904/05

Arbeitsweisen ins Auge zu fassen, bei denen der künstlerische Wert 
vornehmlich auf der eigenen Arbeit des Künstlers beruht. 
Neben den schon in weiterem Umfange bestehenden Werkstätten für 
Treiben, Ziselieren und Holzschnitzen werden sich an Kunstgewerbe' 
schulen zunächst etwa das Kunstschmieden, die Lithographie, der 
Schriftsatz, das Buchbinden, die feinere Holz' und Metallbearbeitung 
jeder Art und die weiblichen Kunsthandarbeiten für den Werkstätten' 
betrieb eignen. Das Wesen der Kunstgewerbeschule bedingt es, daß in 
der Werkstätte die künstlerische Unterweisung mit der technischen 
Hand in Hand geht. Die Schüler haben daher in der Regel ihre eigenen 
Entwürfe auszuführen. Die zeichnerische Behandlung des Entwurfs 
hat sich dann auf das Notwendigste zu beschränken und innerhalb 
der Grenzen der Werkstattzeichnung zu halten, bei der auf die Dar' 
Stellung kein wesentliches Gewicht gelegt wird. 
Als geeignetster Lehrer für den Werkstättenunterricht in den kunst' 
gewerblichen Abteilungen ist der ausübende Kunsthandwerker so 
lange zu betrachten, als es gelingt, Persönlichkeiten zu finden, die das 
Künstlerische wie das Technische in gleicher Weise beherrschen. Nur 
da, wo ausübende Handwerker mit genügenden künstlerischen Fähig' 
keiten nicht zu erlangen sind, ist der Unterricht zwischen einem Künstler 
und einem Techniker zu teilen, wobei der Techniker unter der Leitung 
des Künstlers arbeitet. 
Und nun das österreichische Gegenbeispiel: Hat hier nicht der Kunst' 
gewerbeschul'Direktor Baron Myrbach eine Reform im Sinne der 
kunstgewerblichen Lehrstätten schon längst angebahnt? Und was ist 
damit geschehen? Hier ist alles in den Ansätzen stecken geblieben, 
von den einschränkenden Bestimmungen des Bureaukratismus nieder- 
gehalten. Man ist oben so furchtbar helle. In Kunstsachen kann der 
preußische Minister seinen Kollegen immerhin noch ein Licht aufstecken. 
DER BAUCH- UND EIERTANZ DER KRITIK. 
Tn Maximilian Hardens „Zukunft“ befaßt sich Karl Scheffler mit der 
A „Wiener Werkstätte“, die in Berlin ausgestellt hat. Die Wiener Be 
wegung hat im Auslande eine sehr eingehende Beachtung gefunden, 
und von berufener Seite, Hermann Muthesius vor allen zu nennen, 
ist sie in ihrer künstlerischen Tragweite mit großer Sachkenntnis dar- 
gestellt worden. Das muß im Gegenhalt zu Scheffler hervor gehoben 
werden. Als Abwechslung kann man sich auch einmal die Clownsprünge 
einer schnodderigen Kritik gefallen lassen; sie sind ein Spaß, wenn 
auch ein übler. Das Spaßmachertum vom Range des „little Karlsen“ 
hat einen kunstkritischen Ableger gefunden, der sich über die Wiener 
Bewegung sehr ergötzlich vernehmen läßt: „Diese ganze Kunst ist ver 
zweifelt gut und solid, absichtlich einfach, klug ohne Seele, raffiniert, 
„primitiv und paradox, grotesk und biedermeierlich schüchtern zu- 
„gleich, von einer unwidersprechlichen, aber unausstehlichen Vernunft 
„und so absolut geschmackvoll, daß sie fast geschmacklos wird. In 
„dem Sinne etwa — mit dem natürlichen Abstand — wie die ungeheure 
„Kunst Beardleys als Ganzes eine kulturelle Geschmacklosigkeit genannt 
„werden kann (!!).“ 
Über das Wienertum ist schon manche geistreichelnde Dummheit 
gesagt worden — die Ehre des neuesten Trumpfes gebührt der Note 
„little Karlsen“, der sein variétémäßiges Quodlibet zu diesem Thema 
liefert. In diesem Sinne fabuliert der Autor: „Der Wiener Stil — immer- 
„hin ist’s ein Stil! — ist etwa ägyptisches Rokoko, snobistischer Ja- 
„panismus und makartisches Empire; die englische Sachlichkeit wird 
„von ihm durch ernsthaft gemeinte Übertreibungen ironisiert und die 
„belgische Kausalidee im Spiel verzettelt. Was bei den keltischen Bluts- 
„verwandten, den Schotten, immerhin noch wie innerer Zwang wirkt, 
„erscheint hier wie die Wahl einer Möglichkeit unter vielen.“ 
In diesem Pirouettenstil dreht sich die Kritik; sie schließt mit dem 
erheiternden Bedauern des Autors, daß er keine „Bestätigung seiner 
Kulturhoffnungen gefunden habe“. 
Was ist das für ein krauses, verworrenes Zeug? Nichts, das klärt oder 
nährt. Wem frommt eine solche Ringelspiel-Kritik, die flunkerhaft 
und verwirrend, mit ästhetischen Paradoxen Schwindel treibt, und 
delirisch um die eigene Achse tanzt, nach der Art des Bauchtänzers, 
der, wenn ihm schließlich Hören und Sehen vergeht, nichts mehr unter 
scheiden kann und verzückt auf den eigenen Nabel starrt? 
„DIENSTBOTENZIMMER". 
Z immer heißt es, aber was man darüber versteht, ist gewöhnlich 
eine Spottgeburt. Man betrachtet es nach heutigen bürgerlichen 
Begriffen schon als einen Fortschritt, wenn das Dienstbotenzimmer 
nicht aus einem Winkel des Vorzimmers oder der Küche besteht, wo 
das „Tafelbett“, dieser berüchtigte Wanzenhort, aufgestellt ist. Was 
unsere Miethauserbauer aus einem solchen „Zimmer“ gemacht haben, 
gehört in das Gebiet des groben Unfugs. In der Regel sind es Löcher, 
die entweder gar kein Fenster haben, oder sie sind so winzig, daß kaum 
ein Bett und ein Stuhl darin unterzubringen sind, oder sie sind durch 
einen Verschlag von der Küche oder vom sogenannten Badezimmer 
abgezwackt, oder sie haben nicht den einen oder anderen dieser Mängel, 
sondern alle zusammen aufzuweisen. Dem entspricht in der Regel 
auch die Einrichtung. 
Zu jenen Räumen, für die man im allgemeinen auch das Schlechteste 
für gut genug hält, gehören die Dienerzimmer. Es ist ein trauriges 
Zeichen schlechter sozialer Begriffe und unzureichender menschlicher 
Einsicht, wenn man in einem Hause die Dienstleute, denen man doch 
Treue und Anhänglichkeit zum Gesetz macht, schlecht versorgt findet. 
Im Dienstverhältnis gibt es nach beiden Seiten hin Pflichten und Rechte 
und kein Teil, weder Dienstgeber noch Dienstnehmer, dürfte dem 
anderen etwas schuldig bleiben. Für menschenwürdige Zustände im 
Hinblick auf das Dienstpersonal zu sorgen, ist auch eine der ersten 
Pflichten der Hausfrau, wenn sie nicht Recht behalten sollte, daß sie 
wirklich „bezahlte Feinde“ im Hause habe. Guter Geschmack heißt 
hier wie überall Reinlichkeit und Zweckdienlichkeit. Massiv eiserne 
Betten (Hohlräume sind immer Aufenthalt unausrottbarer Ungeziefer), 
einfache Möbel aus weichem Holz in irgend einer Farbe gestrichen, 
Tisch, Stuhl, Schrank und Waschgelegenheit möblieren den Raum 
vollständig und können ihn zugleich recht wohnlich machen. Wenn 
für das persönliche Wohl der Dienstleute in mustergültiger Weise 
gesorgt ist, ist das immer eine Ehre für die Hausfrau. 
ZUR VERHUNZUNG SALZBURGS. 
I n Salzburg predigt einer zu gunsten der Stadtverhunzung:„Nun also—, 
da wäre glücklich wieder ein Hindernis für den langersehnten 
Ausbau der Paris-Lodronstraße und somit ein Hemmschuh für die 
Ausgestaltung der Neustadt gegen Schallmoos zu gefunden! Daß es 
gerade diese letztere immer trifft, die an Wachstum mit Gewalt ver 
hindert werden soll, das ist doch höchst sonderbar. Bei der Verbauung 
der herrlich schönen Nonnberg-Partie durch das Justizgebäude, bei 
der Demolierung der malerischen Mattika-Häuser, beim Abbruchsver 
dikt über das „kalte Bräuhaus“, die Fronfeste am Kajetanerplatz, die 
durch die famose Swietly-Flucht auch gewissermaßen eine historische 
Berühmtheit erlangt hat, da gab es kein Hindernis für die wohlver 
gönnte Entwicklung des Kaiviertels. Kunstsinn, wo stakst du, als die 
alte, ehrwürdige Bürgerspitalkirche durch die Errichtung der neuen 
städtischen Kühlanlage verschandelt wurde, wo nun unmittelbar neben 
dem Kirchtore die geschlachteten Tiere ein- und ausgetragen werden, 
wo warst du, als die sang- und klanglose, unverständige Demolierung 
einer der schönsten Architekturpartien, nämlich die alte, gotische Ein 
gangshalle zur ehemaligen Bürgerspitalsmühle wegen der vorerwähnten 
Kühlanlage vor sich ging? Warum wird jetzt plötzlich auf den Hexen 
turm die Aufmerksamkeit aller Kunstbeflissenen gelenkt? Was ist es 
denn eigentlich mit diesem alten Rundbau, von dem jetzt auf einmal 
soviel Aufhebens gemacht wird und welchen man mit Gewalt eine 
große geschichtliche Bedeutung unterschieben will? Erstens ist dieses 
Objekt ein unbestrittener Privatbesitz, welchen der Eigentümer zu 
jeder Zeit verkaufen, abreißen, verändern und umbauen lassen kann, 
so modern er nur will und wie er es mit dem Baugesetze und 
seinen Absichten vereinbaren kann. Zweitens kann dem Hexen 
turme, ehrlich ohne Selbstlüge, ein höherer Kunstwert absolut nicht 
zugesprochen werden, weder in architektonischer noch in malerischer 
Hinsicht. Drittens ist der „historische“ Wert, wenn überhaupt einer in 
Betracht kommt, der einzig fragliche und wäre ein solcher aber für 
keinen Fall ein höherer, als jener aller übrigen Tore und Türme, 
welche dem gesunden Wachstume Salzburgs zuliebe fallen mußten,
	        
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