Schablonenschnitt von Else Lott, erschienen im Jahre 1903
in der „Fläche“ (Verlag von Anton Schroll & Co., Wien).
Applikationsarbeit, „Originalentwurf“ von A. Lang,
erschienen im Jahre 1904 hi der „Wiener Mode“.
’ DAS KÜNSTLERISCHE PLAGIAT.
> 1 l '' s gibt keine einzige bedeutungsvolle, für die Entwick^
> I—i lung der menschlichen Bildung fruchtbare künstle^
r I rische Tat, die nicht durch das Treiben der plagiatori'
1 sehen Afterkunst zur gänzlich verkehrten und abträg
lichen Wirkung gebracht werden kann und wird. Man denke
1 nur einmal daran, in welcher schändlichen^^eise die „Moderne
r durch das Treiben der Plagiatoren, Halb- und Viertel-
r künstler, kompromittiert und schließlich zu einem Begriff
gestempelt wurde, der, wie HERMANN MUTHESIUS kürz-
;• lieh schrieb, durch einen Ballast von Afterkunst heute so
1 entwertet ist, daß ihn niemand mehr anzuwenden wagt.
1 Wir haben wiederholt auf diesen Krebsschaden hingewiesen,
1 der von der Pöbelmeinung in der Regel den schöpferischen
1 Künstlern zum Vorwurf gemacht wird, ohne daß man bedenkt,
daß gerade der Künstler der Hauptgeschädigte ist, der einer
1 mißbräuchlichen und unverständigen Ausbeutung seines Gutes
^ Zusehen muß, und daß anderseits die Öffentlichkeit selbst
betrogen ist, die Scheingeld für echte Münze hinnimmt.
l ' In welchen Fällen liegt ein künstlerisches Plagiat vor ?
Haben nicht zu allen Zeiten einzelne künstlerische Voll
naturen eine gewisse diktatorische Gewalt ausgeübt und
durch ihr Schaffen nicht nur die Zeitgenossen, sondern auch
n oft spätere Generationen in ihren Bannkreis gezogen ? Sind
nicht um die Person eines einzelnen Meisters ganze Schulen
entstanden? Haben wir nicht heute oft genug das Beispiel
1- vor Augen, daß die Schüler eines Künstlers dessen Werk
fortsetzen und eine eigene Individualität gänzlich verleugnen?
Kommt es nicht häufig vor, daß der Schaffensgeist eines
bedeutenden Künstlers von einem anderen merklich beeinflußt
wird, und ist das nicht gerade bei hervorragend künstleri
schen und eben darum vielleicht auch um so sensibleren
und für die Erscheinungswelt um so empfänglicheren Na
turen selbstverständlich? Wie und wo also sollen die fließenden
Grenzen des Plagiats feststellbar sein?
Ein Künstler, der seine eigene Individualität besitzt, kann
alle möglichen wahrnehmbaren Einflüsse aufnehmen, und sie
werden keineswegs als Plagiat gelten können, wenn er sie zu
seiner eigenen Individualität verarbeitet. Also ist ein wirklicher
und individueller Künstler gar nicht im stände, ein Plagiat
zu begehen, weil immer wieder seine eigenen Züge aus den
fremden und verarbeiteten Stoffen heraussehen werden. Eben
sowenig können Schüler, die sich als Veilender und Fortsetzer
der Art ihres Meisters bekennen, sich eines Plagiats an
ihrem Lehrer schuldig machen. Alle anderen Fälle, in denen
einer mehr oder weniger verblümt, mehr oder weniger frech,
die Charakteristik aus fremden Kunstwerken borgt und
zusammenstoppelt oder sie einfach kopiert und als Eigen
werk ausgibt, stellen gemeines Plagiat dar.
Das konstruktive Element, soweit es aus der Natur geholt
werden kann, sei es aus dem Zweckbegriff oder aus den
menschlichen Dimensionen, ist allerdings als Gemeingut
aufzufassen, wenn es wirklich aus der Natur abgeleitet wird;
dagegen hat die individuelle Gestaltung, die Komposition und
das dekorative Element als persönliches Eigentum zu gelten.
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