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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 2. Jahrgang 1905/06

ZUM BEGINN DES II. JAHRGANGES. 
D ie künstlerische Bildung im Volke wurde bisher auf dem Umwege über die Literatur betrieben. „Die 
Kultur des Geistes“, die „Kultur des Denkens“ blieb bis heute das Schlagwort der „Gebildeten“, 
die darüber völlig vergessen hatten, daß dieser „Kultur des Geistes“ keine Wirklichkeit entspricht. 
Die reale Umgebung, mit der die meisten Gebildeten ganz zufrieden sind, zeigt sogar eine ziemlich arge 
Unkultur. Außere Verrohung und Verelendung gehen damit Hand in Hand. Wert wird Unwert, Unwert Wert. 
Hier setzt unsere Arbeit ein. Wir pflegen künstlerische Bildung nicht durch die Literatur, durch die Wissen^ 
Schaft, sondern durch die Kunst, durch die Anschauung. Was einzelne hervorragende Männer auf diesem 
Gebiete begonnen haben, setzen wir fort; uns schwebt der Begriff von Kunst und Arbeit als eine organische 
Einheit vor. 
Der große schier alles umfassende Umfang unseres Programms ist aus dem Beiblatt jedes Heftes, noch 
mehr aber aus dem Inhalt des abgelaufenen Jahrganges bekannt, der alles Gestalten einer vergleichenden 
Darstellung unterzogen und die Unterscheidungsmerkmale zwischen „Gut und Schlecht“ festzustellen ver«- 
sucht hat. Daß den schlechten Neuschöpfungen meistens gute alte Beispiele gegenübergestellt wurden, ist 
natürlich; des schlechten Neuen ist leider zu viel und des guten Neuen noch zu wenig, um die Heimat' 
kultur anders als mit alten Lösungen zu erläutern. In Hinkunft aber soll das Neuschaffen in den Vorder' 
grund treten, da wir hoffen können, daß das Unterscheidungsvermögen an den alten Dingen bereits ge' 
schärft ist, um nicht nur das überwiegend schlechte Neue abzulehnen, sondern auch — UND DAS IST 
UNSER ENDZIEL! — die, wenngleich seltenen, guten neuen Schöpfungen, die gewöhnlich mißverstanden 
werden, zu erkennen und die Herrschaft der Qualität — der Wertigkeit — zu befestigen. 
Rückblickend können wir mit bescheidenem Stolze sagen, daß unsere Arbeit nicht unbelohnt geblieben ist. 
Mehrere Bauwerke von künstlerischem Wert sind durch unser Dazwischentreten vor dem Abbruch gerettet 
worden, verkannte gute Bestrebungen werden der Förderung leitender Kreise — MIT NACHDRUCK! — 
keineswegs erfolglos empfohlen; in Städtebaufragen haben wir den ratsuchenden Stadträten der Provinzorte 
den ^Veg zu künstlerischen Lösungen gezeigt, gelegentliche Vorträge haben in künstlerisch praktischen Fragen 
weiterhin Aufklärung gegeben und schließlich wurde die Organisierung von „Hohe ^Varte“'Verbänden zur 
Förderung der Kulturinteressen in den Provinzen unternommen, also immerhin ein gutes Stück Arbeit ge' 
geleistet, wenn auch manche andere von guten Absichten geleitete Versuche an dem leider sehr verbreiteten 
Stumpfsinn scheitern mußten. 
Wir haben uns auch, Gott sei Dank! redlich viel Feinde erworben. Wer wollte den Stumpfsinn nicht zum 
Feinde haben? Und darum haben wir natürlich auch sichere Freunde gewonnen, deren Zahl täglich wächst 
und die wissen, daß hier fruchtbare Arbeit geschieht für die Kultur jedes einzelnen und der Gesamtheit. An 
ihnen liegt es, der guten Sache zu dienen, indem sie neue Anhänger werben. Gewiß, jeder kann mit Leichtig' 
keit das Seine dazn beitragen. 
Der Herausgeber,
	        
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