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Volltext: Die chemische Grossindustrie (Gruppe III, Section 1), officieller Ausstellungs-Bericht

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Dr. A. Bauer. 
kann, dann liegt darin ein, nicht zu leugnender Vortheil, gegenüber Deacon’s 
Verfahren. 
Deacon’s Verfahren ift in acht oder neun englifchen und zwei deutfchen 
Fabriken in Anwendung und liefert, nach des Erfinders Angabe, etwas mehr als 
i Tonne 35 percentigen Chlorkalk für je 1% Tonnen (30 Centner) des im Sulfat 
ofen zerfetzten Salzes, unter Anwendung von 1 Tonne Kohlenklein. Ein kleiner 
Theil der angewendeten Säure geht aus bisher nicht bekannten Urfachen verloren, 
allein der allgemeinen Einführung des Verfahrens in der Induftrie Hellten fich, 
nach derfelben Angabe, bisher blofs folche technifche Schwierigkeiten, die in der 
Conftrudlion der Apparate liegen, entgegen. Der Erfinder hat in jüngfter Zeit die 
wichtige Wahrnehmung gemacht, dafs der Zufatz von Salzen, wie Natriumfulfat 
undKaliumfulfat zum Kupfervitriol, die Verflüchtigung des Kupferchlorides inner 
halb der einzuhaltenden Temperaturgrenzen hindert und den Vorgang der Zer- 
fetzung der Salzfäure erleichtert. Diefe Modification wurde im Laufe des September 
1873 in der chemifchen Fabrik des Erfinders zu Widnefs in Lancafhire in gröfserem 
Mafsftabe eingeführt. 
Von den auf der Ausheilung vertretenen englifchen Firmen hat John 
Hutchinfon & Comp, zu Widnefs den Deacon’fchen Procefs eingeführt. 
Was den Chlorkalk felbft anbelangt, fo hat es nicht nur an Verfuchen nicht 
gefehlt, denfelben durch andere ähnliche Verbindungen zu erfetzen, fondern es 
wurden auch neue Verfahrungsarten zu feiner Darftellung d. h. Modificationen der 
bei Einwirkung des Kalkes auf das Chlor dienenden Vorrichtungen angegeben, 
welche namentlich , mit Rückficht auf die oben angedeuteten Schwierigkeiten, 
bei der Anwendung des Deacon’fchen Verfahrens von Bedeutung find. So läfst 
man z. B. nach H. Larkin, A. Leighton und W. White den Kalk als feines 
Pulver in den Chlorgasftrom fallen. Bei Beurtheilung fol'cher Vorfchläge müffen 
jedoch die in den letzten Jahren ausgeführten theoretifchen Arbeiten über die 
Bildung und Conftitution des Chlorkalkes mafsgebend fein, welche von J. Kolb, 
Riehe, Bobierre, dann Scheurer-Keftner, G. Calvert und endlich in 
Knapp’s Laboratorium von Reimer, Tfchigianj ang und Fritfche aus 
geführt wurden und an die fich in neuefter Zeit Göpner’s Arbeit reiht. 
Es erfcheint hier am Platze, auf die grofsen Quantitäten von Chlorcalcium 
hinzuweifen, welche durch die chemifche Grofsinduflrie producirt werden, und 
deren ökonomifche Verwerthung grofse Schwierigkeiten darbietet und in Zukunft 
vielleicht in noch erhöhtem Mafse darbieten wird. 
Ift es der Ammoniakfoda-Procefs, dem die Zukunft gehört, fo fällt, (wenn 
nicht Magnefia an die Stelle des Kalkes treten kann) das gefammte Chlor des 
angewendeten Kochfalzes fchliefslich als Chlorcalcium und für die 13,135.000 
Centner Soda, welche als die JahresproduktionEuropas imjahre 1872 angenommen 
werden, entftünden nahezu ebenfoviele Centner Chlorcalcium. Das Bedürfnifs nach 
Bleichpulver und Chlor fichert allerdings, fchon der Salzfäure wegen, dem Leblanc’ 
fchen Proceffe eine Zukunft; allein wenn Deacon’s Procefs nicht die bisherigen 
Schwierigkeiten vollftändig überwindet, fo ift man immerhin auf die Anwendung und 
Regenerirung des Braunfteines angewiefen, durch welche ebenfalls nur etwa ein 
Drittel des im Kochfalz enthaltenen Chlors dem Bleichproceffe zugeführt wird, 
und ebenfalls eirorme Mengen von Chlorcalcium entliehen. 
Ift trotz der fchönen Erfolge des Ammoniakverfahrens dennoch auch 
in der Zukunft eine weitere Entwicklung des Leblanc’fchen Proceffes zu gewär 
tigen, fo fleht die Chlorcalcium-Frage nicht wefentlich anders, und es tritt dann 
noch eine zweite Anwendung der Salzfäure in den Vordergrund, nämlich die 
zur Regenerirung des Schwefels aus den Sodarückftänden, wodurch aber das Chlor 
ebenfalls in Chlorcalcium übergeführt wird. 
Die Verwendungen, deren das Chlorcalcium fähig ift, liehen zu den Mafien, 
welche erzeugt werden, in keinem entfprechenden Verhältniffe, und es hat uns 
auch die Ausftellung in diefer Beziehung keine, wefentlichen Fortfehritte gezeigt ;
	            		
Die chemifche Grofsinduftrie. 19 es feien denn die fchon von Ranfome in Ipswich unter Mitanwendung von Chlorcalcium dargeftellten künftlichen Steine und der von vielen Firmen erzeugte gefällte Gyps (Annaline), welcher namentlich von den Stafsfurter Fabiiken, dl “ Umfetzung von Chlorcalcium und verfchiedenen Sulfaten als billiges Nebenp erzeugt wird. Beide Anwendungen waren fchon vor längerer Zeit bekannt u unfere Hoffnungen in Betreff der entfprechenden Verwendung des Ci Chlorcalcium müffen wir der Zukunft überlaffen, welche vielleicht in der a § meinen Einführung von Magnefia an Stelle des Kalkes und Zerfetzung des Chlor magnefiums den richtigen Weg zur Verwerthung des im Kochfalz enthalte Chlors finden wird. Specieller Theil. Oesterreich. Die chemifche Induftrie Oefterreichs war auf der Aus ftelluno- fehl- vollftändig vertreten und der Specialkatalog wies in der III- Giuppe 461 Nummern auf, von denen 74 in die I. Seftion gereiht waren, mehrere von den letzteren wurden jedoch bei den Juryberathungen in andere Sektionen de III. Gruppe verwiefen; fie finden daher auch in diefem Specialberichte keine Er wähnung. Es gilt diefs namentlich von den fehr bedeutenden Bleiweifs-Fabriken Kärnthens, welche unter den Mineralfarben * ihre Berückfichtigung finden werden Die chemifche Grofsinduftrie Oefterreichs geftattet, mehr als die eine anderen Landes, die hiftorifche Entwicklung derfelben zu überblicken, denn es find hier an einigen Orten noch Proceffe in Anwendung, welche anderwärts langlt aufgegeben find oder doch nur feiten geübt werden. . Von der, allerdings dem Erlöfchen entgegengehenden Gewinnung dei Kehrfoda in Ungarn, der Gewinnung des Schwefels durch Abtreiben, der Gewin nung des Vitriolöles und der Vitriole in Böhmen; bis zu der Anwendung der neueften Methoden in den hervorragenden Etabliffements des Reiches , a 1 man alle wichtigen Proceffe* durch die Ausftellung repräfentirt. ' „ . Wir haben bei einer anderen Gelegenheit ** die Gefclnchte dieferlndu gefchildert und können hier nur der Befriedigung Ausdruck geben, dafs die e e im Laufe der letzten Jahre und namentlich feit der Bewilligung zur zollfreien in fuhr ausländifchen Salzes zu technifchen Zwecken, einen fo mächtigen Auffchwung genommen hat. Allerdings kam diefe Bewilligung bisher nur beftimmten Loyalitäten zu Gute, da die theueren Frachten den Bezug des ausländifchen Rohftoffes nie t allerorts ermöglichen, die chemifche Grofsinduftrie jedoch, die m erfter Lime auf Salz, Schwefel und Kohle angewiefen ift, keines diefer Produkte theuer vei- frachten kann, ohne in ihrer Exiftenz bedroht zu fein. Oefterreich-(Cisleithanien) erzeugt zwar die bedeutende Menge von über c Millionen Centner Salz, worunter über 2% Millionen Centner Sudfalz und den Bedürfniffen der Induftrie wird, trotz des beftehenden Monopols, von Seite der Staatsverwaltung nach Möglichkeit Rechnung getragen, fo dafs der Preis des Salzes für induftrielle Zwecke ein wirklich niedriger genannt -werden muls. Allein die chemifche Induftrie könnte nur in der völligen Freigebung des Salzes, ihr Ziel in diefer Richtung erreicht fehen, da diefelbe nur dann die Salz gewinnung, mit der chemifchen Verarbeitung desfelben, fchrankenlos m Verbin dung bringen könnte, und auch der durch die nöthige Controle verurfachten For malitäten, bei der Verwendung des Induftriefalzes ledig wäre. , Einer folchen Aufhebung des Salzmonopols flehen nun allerdings Bedenken verfchiedener Art entgegen, und namentlich könnte der Staat nicht auf den durc 1 das Monopol, den Finanzen zufliefsenden bedeutenden Ertrag verzichten, und es müfste in diefer Beziehung ein entfprechender Erfatz gefchaffen werden. * Siehe Lippmann’s Bericht über die Farben. *« Bäuerin W. Fr. Exner’s Gefchichte der Gewerbe und Erfindungen.
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