mit der aufdringlichen und künstlerisch wenig gehaltvollen Ar
chitekturmacherei der neuen Anlage nicht vertauschen will.
Diese stillschweigende Ablehnung des Kaisers ist in der Tat
die empfindlichste und gerechteste Verurteilung einer bomba
stischen Stilmacherei, die gleichsam aus der Schublade, wo die
palladianischen Architekturkopien liegen, herausgezeichnet wird
und deren Anwendung heute als ein unfehlbares Merkmal
künstlerischer Unfruchtbarkeit und Mangel eigenen schöpfe
rischen Empfindens anzusehen ist. Heute, da jeder König vom
Schottenring sich ein ebenso effektvolles Haus wie der Kaiser
von Österreich bauen lassen kann und bauen lässt, ist das Ar
chitekturideal der siebziger und achtziger Jahre kein Ziel mehr.
Dass der Kaiser als der eigentliche Bauherr sein Interesse an
dem Neubau aus begreiflichen Gründen versagt, ist der tiefere
Grund, der dem lähmenden Bureaukratismus Gelegenheit gibt,
sich wie ein Schimmelpilz reichlich auszuleben und das Wachstum
namentlich in künstlerischer Hinsicht zu hemmen. Die Eunu-
chenhaftigkeit, die immer die Äusserlichkeit eines vergangenen
Stils nachzuäffen sucht, für Staats und Hofgebäude die Formen
des Renaissancepalastes oder des Barockschlosses als Abglanz
absolutistischer Selbstherrlichkeit, vergisst völlig, dass sich eine
solche, heute bereits lächerlich gewordene Architekturkomödie
jeder Börseaner leistet und dass die edle und gehaltvolle Ein
fachheit mancher Räume der alten Burg ungleich kaiserlicher
erscheint und den puritanischen Lebensgewohnheiten des Bau
herrn durchaus angemessen ist. Es gibt mehr als ein Beispiel,
welches zeigt, dass die zurückhaltende Einfachheit, wenn sie
mit durchaus erlesener Kunst erfüllt ist, an das Kunstvermögen
die höchsten Aufgaben stellt und zu ungeahnten Wirkungen
gesteigert werden kann, denen wahrscheinlich nicht die Teil
nahme des kaiserlichen Bauherrn und gewiss nicht die des
Volkes und der fähigen Künstlerschaft, sicherlich aber die des
ganz unfähigen Bureaukratismus versagt bliebe. □
Man kann auch die Frage anders stellen und mit Recht be
haupten, dass der Kaiser hier nicht privater Bauherr ist, sondern
dass der Staatsgedanke entscheide und dass das Bauwerk daher
in erster Linie von volkskünstlerischen und auch von volks
wirtschaftlichen Interessen geleitet sei. Es ist klar, dass im
Grunde der Erörterung diese Auffassung liegen muss. Wenn
die kunstliebende, voraussehende und fördernde Persönlichkeit
des Bauherrn, der künstlerische Bedürfnisse hat, fehlt, dann
können die leitenden Interessen nicht aus dem Bureaukratismus,
sondern nur aus der Blüte der Künstlerschaft hervorgehen, die
fähig ist, neue Aufgaben zu erkennen und zu lösen. Nur sie
kann aus der toten Architektur lebendige Baukunst machen.
Das in seinen zahlreichen weitverästelten Zweigen neu belebte
und befruchtete Kunstgewerbe harrt eines grossen, weithin sicht
baren Beispieles, das als Bekräftigung und Sicherung des noch
ungewissen Besitzes dient, einer Aufgabe, an der es sich unter
seinen führenden Künstlern entwickelt, einer fruchtbaren Betä
tigung, zu der dieser Bau mehr als einen hinreichenden äusseren
Grund gibt, der dadurch eine höhere erziehliche Bedeutung
gewänne als alle Museen, Fachschulen, Gewerbeförderungen,
Almosengebereien, die Bedeutung einer ausstrahlenden KÜNST
LERISCHEN TAT. Die Belebung, die von hier ausstrahlt,
ist ein wirtschaftlicher Gewinn nicht allein im Hinblick auf den
unmittelbaren Bedarf am Bauwerk, sondern vor allem im Hin
blick auf die Erhöhung und Belebung der künstlerischen Lei
stungsfähigkeit, der Qualität und des Geschmacks, die auch
den Fernstehenden zuteil wird und im allgemeinen eine Kraft
erhöhung bedeutet. Aber ausser dem Kunstgewerbe, mit allem,
was drum und dran hängt, käme es wieder darauf an, den
Zusammenhang der Plastik und der Malerei mit der Archi
tektur, das reine und abstrakte Wesen echter Baukunst, die
Grundzüge der Gartenkunst, des Denkmalwesens an diesem
grossen Burgbauprojekt nach Sempers Plan zu zeigen, Gedanken,
deren Träger heute wenige Künstler sind, die aber immerhin
da sind, um auf allen diesen furchtbar verrotteten Gebieten
neue, im Wesen natürlich uralte und ewige Kunstziele sichtbar
zu machen und Vorbilder aufzustellen. Solche Beispiele sind
ungeheuer notwendig in einer Zeit wie heute, da der grosse
Bedarf an Denkmälern, Plastiken, Architekturen, Gartenan
lagen etc. in einer unverständigen, für die Bildung in geistiger
und künstlerischer Hinsicht gänzlich wertlosen Weise befriedigt
wird, die einmal dazuführen muss, dass man sich all dieser
„Verschönerungen'' als des Ausflusses einer innerlich ganz ver
wahrlosten Zeit schämen und die Kosten bedauern wird
müssen, die so unfruchtbar angelegt worden sind. Die Künstler,
die Höheres und Vorbildliches zu schaffen vermögen, Archi
tekten, Bildhauer, Maler, sind vorhanden; sie sind natürlich
nicht an dem Burgbau tätig, sonst wäre dieser ohnehin glänzend
und mit fieberhaftem Eifer geführte lebendige Baukunst. □
Der Staat hätte die Pflicht die Qualitäten zu kennen und sie
zu berufen. Aber es ist mit dem Burgbau nicht viel anders
wie mit den meisten Hof-, Staats- und Kommunalbauten. Sie
sind tote Architektur. Man muss immer wieder fragen: Wozu
erzieht der Staat Künstler, wozu hat er sie? Wozu gibt es denn
überhaupt eine staatliche Kunstpflege? Die äusserlich verwahr
losten Bureaus der Kunstreferenten im Unterrichtsministerium
sind charakteristisch für das Verhältnis des Kunstamtes zur
Kunst. Wenn Minister und Beamte in diesem Ressort nicht
die Auffassung teilen, dass vor allem die höchste künstlerische
Qualität eine volkswirtschaftliche Funktion hat und dass sie
an diesen grossen Werken der Gegenwart zum Ausdruck kommen
muss, dass die staatliche Kunstförderung keinen anderen Sinn
haben kann als dies zu erwirken oder zu erstreiten, dann muss
ich sagen, dass niemals Menschen ihre Aufgabe weniger ver
standen und ihre Pflicht schlechter erfüllt haben. □
Es ist möglich, dass unter der Herrschaft der unpersönlichen
Kommissionen die Initiative, den umfassenden Entwurf Sempers
auszuführen, gänzlich versiegt ist. Es wäre im Gedanken an
die tote Architektur kaum zu beklagen, und es wäre tief zu
beklagen, wenn man die Entfaltungen bedenkt, die mit Hilfe
der vorhandenen neuen Begabungen möglich wären. Mit dieser
Rücksicht muss alles darangesetzt werden, der vorhandenen
und kommenden künstlerischen Kraft das Glück einer schöpfe
rischen Arbeit zu gewähren, in der das lebende Geschlecht sein
Eigenstes und Höchstes versucht. Nur im Hinblick auf die
Besten ist zu erwarten, dass aus dieser toten Architektur im
weiteren Arbeitsgange eine lebendige Baukunst ersteht. □
KUNST IST NICHT NACHAHMUNG DER WELT,
SONDERN WIEDERGEBURT DER WELT. □
□ OUCKAMA KNOOP.
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