MAK
Zentralblatf für Sammler, Ciebhaber und Kunstfreunde 
Herausgeber: Jlarbert Ehrlich und 3. Hans Prosl. 
2. Jahrgang 
Wien, 1. Juli 1910. 
Hummer 13. 
Die Uhrensammlung der Baronin Ebner-Eschenbach. 
Von Hlexander Grosz (Wien). 
it Vergnügen folge ich der Einladung der „inter 
nationalen Sammler-Zeitung“, einiges über die 
Sammlung unserer hochverehrten Dichterin, der 
Baronin Dr. Filarie Ebner-Eschenbach mitzu 
teilen. 
Bei verschiedenen Anlässen rourde die Samm 
lung der Baronin als eine der größten bezeichnet, 
als ab es nur auf die Größe und Ausdehnung, 
auf die Anzahl der Stücke einer Sammlung 
ankame. „Vieles sammeln ist nicht schwer, 
Schönes sammeln aber sehr.“ Wohl jeder Samm 
ler wird diesen Spruch bestätigen können, in 
bedeutend höherem lTlaße aber der Uhrensammler. 
Hier kommt es nicht allein auf die Beurteilung 
der äußeren Gestaltung, der Dekoration, den 
jedem verständigen Auge sonst erkennbaren 
künstlerischen äußerlichen Wert des Gegenstandes an. Die 
Beurteilung der Uhr nur von dieser allgemeinen Seite aus 
nähme der Sammlung den Damen, den man ihr gibt, 
fine Uhr ist doch ein Zeitmesser und besteht nicht nur 
aus einem Gehäuse, sondern auch aus einem in diesem 
Gehäuse eingeschlossenen, kleinen, kunstvoll ausgeführten 
niechanismus, welcher ebenso wie das Gehäuse selbst, 
all den verschiedenen Zeitaltern entsprechenden Ver 
änderungen, Verschlechterungen oder Verbesserungen unter 
worfen war und die ITlerkmale seiner fnfstehungszeif in 
sich birgt. 
Diese ITlerkmale nun verstehen, beurteilen und schaßen 
zu können, ist eine Wissenschaft für sich, die nur durch 
liebevolles, jahrelanges, praktisches Studium der Geschichte 
der Zeitmeßkunst erworben werden kann. Das Studium 
dieser Wissenschaft erschließt die Kulturgeschichte der 
Völker aller Zeiten; es offenbart so schöne, so herrliche 
ITlomente menschlichen Wissens und Schaffens, daß die 
Kenntnis derselben schon an und für sich für all die 
aufgewendete )Tlühe reich belohnt. 
tcider ist die Freude an diesem Studium nicht jeder 
manns Sache; es fehlt dem Sammler vielfach an Zeit 
oder Hiebe, sich dem Gegenstände seiner Wahl eingehender 
zu widmen. Und doch wie viele schmerzliche Enftäu- 
schungen würden gerade dem Uhrensammler durch genaue 
Kenntnis der historischen Entwicklung der Zeitmeßkunst 
erspart bleiben. 
Ein sehr schlecht erhaltenes, unvollkommenes Werk, 
oder ein Werk, welches einer ganz anderen Epoche ent 
spricht, als das zum Gehäuse gehörige, wird beim Uhren 
kenner und -Ciebhaber einen Zwiespalt hervorrufen müssen, 
welcher bei ihm nicht die rechte ?reude am Gehäuse oder 
an dem Uhrwerke selbst aufkommen läßt, und ihm den 
Gegenstand, sei er noch so kostbar, zum großen Teile 
entwertet. 
Der Anblick einer schönen, antiken Uhr sollte eben 
derart auf die Phantasie des denkenden Sammlers ein 
wirken, daß er sich auch ganz in das Zeitalter der Uhr 
zurückuerseßt fühlt, die Vorgänge, die sich bei der Her 
stellung derselben abspielfen, wieder miterlebt. Der Gegen 
wart entrückt, träumt er einen schönen Traum, der, wenn 
auch kurz, dach häufig tröstend über schwere Stunden 
des Daseins hinweghilft. Um diesen Eindruck hervor 
zurufen, ist es nötig, daß Werk und Gehäuse einheitlich 
sind, derselben Zeit entstammen und im Großen und Ganzen 
ihr altes Gepräge erhalten haben, auch wenn Einzelnes 
zum Teile restauriert werden mußte. 
Und von diesem so edlen Gesichtspunkte aus hat 
die Baronin Ebner-Eschenbach an der Hand verständnis 
voller ITleister und Kenner ihre Sammlung begonnen und 
auf ihre heutige Höhe gebracht. Eines Zeitraumes von 
zirka fünfzig fahren umsichtiger, emsigster und verständ 
nisvollster Sammlerarbeit bedurfte es, derartig wertvolle 
Stücke zu erringen, alles minderwertige auszuschalten, 
ailes Schöne und Gute zu erhalten, einzureihen. 
Die Sammlung der Baronin besteht jeßt aus ungefähr 
250 Uhren, schon an und für sich eine stattliche Ziffer; 
was sie aber zu einer der hervorragendsten macht, ist die 
, ganz offenbar hervortretende Ciebe und Sorgfalt, mit welcher 
sie zusammengestellt wurde und die jedem einzelnen Stücke 
einen besonderen, vom künstlerischen, wie fachmännischen 
Standpunkte aus wichtigen Plaß anweist; 
ln der Sammlung sind Taschenuhren so ziemlich aller 
Arten und Zeiten seit deren Erfindung zu Beginn des 
sechzehnten Jahrhunderts vertreten; auch sehr hübsche, 
vorzüglich erhaltene vier- und sechseckige Tischuhren der 
Renaissancezeit in feuervergoldefen Bronzegehäusen finden 
sich da. Von diesen verdienen einige reizende Stücke 
besonders hervorgehoben zu werden. So: Eine kleine, etwa 
zehn Zentimeter hohe Turmuhr in vergoldetem Bronze-
	        
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