Internationale
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
4. Jahrgang.
Wien, 1. Juni 1912.
Nr. 11.
Die Sammlung Jahn.
Von August Strobel (Prag).
Die Besucher dieser Sammlung führt ihr Weg in ein
altes Hochadelspalais, und noch dazu in eines der
schönsten und kunstgeschichtlich berühmtesten des
barocken Prag. Denn das Palais Clam-Qallas, in
dem Herr Oberbaurat Jahn seine Sammlung als
schmückenden Bestandteil seiner Wohnung unterge
bracht hat, ist bekanntlich ein Meisterwerk Fischers
von E r 1 a c h, des Schöpfers der Wiener Karlskirche, und
enthält auch aus dem gräflichen Besitz wertvolle Ge
mälde, von denen ein andermal zu berichten sein wird.
Aber Traditionen intimerer Art verbinden die schöne
Jahnsche Sammlung mit Prags künstlerischer Vergangen
heit: sie stammt nämlich zu einem großen Teile von
einem Präget Bürger und Maler, der zu ihr am Ausgang
des 18. Jahrhunderts den Grundstock legte. In direkter
Linie ist sie sodann freilich nicht ohne beträchtliche
Veränderungen — auf den jetzigen Besitzer als Erbe
übergegangen, der in dem Gründer der Sammlung seinen
Urahn verehren kann.
Der Maler Johann Jakob Quirin Jahn (geboren
4. Mai 1739, gestorben 18. Juli 1802) war zu seiner Zeit
ein tüchtiger Prager Künstler. Er stammte selbst aus
einer Künstlerfamilie, sein Vater war Maler gewesen und
seine Mutter war die Tochter des aus Graz nach Prag
eingewanderten Malers Oswald Rauch. (Wer die Ge
setze der Vererbung im Reibmeyerschen Sinne anzu
wenden liebt, wird es übrigens nicht uninteressant finden,
daß die berufliche Begabung des Urgroßvaters väter
licherseits, der Schmied in Osseg gewesen ist, in dem
späten Urenkel insoferne wiederkehrt, als Oberbaurat
Jahn der Besitzer und Leiter einer großen Maschinen
fabrik geworden ist.) Quirin Jahn hatte sich schon in
Wien in den Hofkreisen einen Namen gemacht, ehe er
nach dem Tode seines Vaters ständig in Prag Aufenthalt
nahm. In zahlreichen Kirchen Böhmens finden sich heute
noch Werke seiner Hand, die Sammlung selbst zeigt von
ihm ein treffliches, in seiner Steifheit um so charakteri
stischeres Porträt seiner Gattin Frau Franziska Jahn, und
zwei Cupidchalbfiguren in gefälliger Manier. Jahn ver
dankt man übrigens auch eine Reihe schriftstellerischer
Leistungen, die den Forschern wertvolle Schriften über
böhmische Künstler übermitteln. Sein Aeußercs — ein
derber, aber kluger Kopf in Zopfperücke blickt aus dem
Rahmen — ist in einem Bildnis von Schülerhand erhalten.
Dieser Altpragcr Künstler also hat allem Anschein nach
auch für die Kunst seiner Mitlebenden wie für die der
großen Meister ein offenes Auge und eine offene Hand
gehabt. Leider ist ein Verzeichnis der ursprünglichen
Bilder nicht erhalten, und Erbteilungen haben manches
schöne Stück — die Tradition spricht sogar von einem
Raffael- verzettelt.
Dafür hat die Sammlung in den letztvergangenen
Jahrzehnten schon unter dem gegenwärtigen Besitzer
zwei namhafte Ergänzungen erfahren, indem Teile der
fürstlich R o h a n sehen Gemäldesammlung und dann die
Graf D e f o u r sehe Sammlung hinzukamen. Aus diesen
Sammlungen stammen mehrere Bilder von hervorragen
dem Wert, so Werke von Bon Boulognc, Zimmermann,
Brand u. a. Das Hauptinteresse wird der Besucher der
Sammlung Jahn allerdings den heimischen böhmischen
Meistern zuwenden, die hier in gewissen Fällen geradezu
einzig vertreten sind und zum Studium ihrer Art die
wichtigste Gelegenheit bieten. Die Sammlung Jahn, die
öffentlich nicht zugänglich ist und sich selten auch den
ansuchenden Fremden öffnet, ist schon wiederholt von
Autoritäten besucht worden. Auch Bode kennt sie. Der
Wiener Forscher Theodor von F r i m rn e 1 aber hat sie
vor etwa einem Jahrzehnt genau studiert und über Er
suchen des Besitzers ein Verzeichnis hergestellt, das in
wenigen Exemplaren gedruckt, niemals in den Buch
handel gelangte und nur wenigen Forschern bekannt ist.
Eritnmel hat manche von der Tradition festgehaltene Zu
weisung als unhaltbar festgestellt, neue Bestimmungen
versucht, aber auch den Ruhm einzelner Meisterwerke
der Sammlung durch seine Autorität neu gedeckt. Die
folgende knappe Aufzählung der wichtigsten Werke hält
sich irn allgemeinen an Frimmels Urteil, bei den lokalen
Meistern folgt sie zum Teile der Bestimmung durch den
genauen Kenner der Prager Schulen, Galerie-Inspektor
Bergne r.
Die Sammlung Jahn enthält Werke der ver
schiedensten Epochen und Nationen. Um mit den
Italienern zu beginnen, sei zunächst auf eine schöne
»Santa convcrsazione« hingewiesen, die lange als Palma
Vecchio ging, ohne Zweifel aber nicht diesem Meister,
sondern dem üerolamo da Santa Croce aus der
bergamenisch-venetianischen Schule (1519 bis 1549) zu
zuschreiben ist. Alter Fatijilienbesitz ist ein böhmischer