Nr. 12
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 187
Philatelie.
(Die ven
tianischen Erinaerungsmarken.)
Anläßlich der Einweihung des neuen Cam
panile in Venedig sind, wie wir schon in
Nr. 9 mitteilen konnten, zwei Erinnerungs
marken zu 5 und 15 Centesimi, erstere in
dunkelblauer, letztere in brauner Farbe, ver
ausgabt worden. Wir bringen nun hier ein
Bild dieser Marken (|Fig. 7). Die Zeichnung
beider Marken ist die gleiche und veran
schaulicht die fünf Kuppeln der Basilika von
Sankt Markus und den neuerbauten Glocken-
turm. Im Hintergründe erblickt man das
Fig. 7. Zollgebäude, die Kirche des Heils, die Er-
löserkirche und die Insel St. Georg. Auch Teile der Lagune
mit Gondeln, Fischerbooten und Seglern belebt, sind sichtbar.
Auf den Marken befinden sich auch noch die Inschriften
»Venezia 1902 1912« (das sind die Jahre des Einsturzes und
der Einweihung des Turmes) und die Worte »Come era —
Dove era«, zv deutsch »Wie er war — wo er war«, das heißt,
der Turm ist in genau der gleichen Ausführung wie früher und
an derselben Stelle wieder aufgebaut worden. Die beiden
Marken werden seitens der italienischen Post in Venedig ver
kauft und sind nur zu Frankierungszwecken innerhalb Italiens
zulässig. Briefmarkensammler, die sich die sehr geschmackvoll
in Kupferdruck ausgefiihrten Marken anschaffen wollen, er
halten sie in jeder Briefmarkenhandlung. Selbstverständlich
finden beide Postwertzeichen Aufnahme in dem bekannten, im
Verlage von C. F. Lücke, G. m. b. H., Leipzig, erscheinenden
Schaubck-Album.
(Neue bosnische Marken.) Noch in diesem Mo
nate gelangen für Bosnien und die Herzegowina drei Gat
tungen Postfrankomarken zur Ausgabe: 12 h mit dem Bilde
»Straße in Jajce«, 60 h mit dem Bilde »Ansicht von Konjic«
und 72 h mit dem Bilde »Ansicht von Vysehrad«. Die Farbe
der neuen Marken ist ultramarinblau, schieferblau, beziehungs
weise scharlachrot.
(Großer Markendiebstahl in Persien.) Von
den persischen Marken der neuesten Emission (1911) sind nam
hafte Posten gestohlen worden. Um zu verhindern, daß die
Diebe ihren Raub zum Schaden des Staates verwenden, sind
die noch vorhandenen Bestände kurzerhand mit »Offiziell« und
gleichwertigem Aufdruck in persischen Schriftzeichen über
druckt worden.
Verschiedenes.
(Eine Silhouette von E. Th. A. Hoffmanin.)
In Privatbesitz wurde kürzlich eine bisher ganz unbekannte
Silhouette des Dichters E. Th. A. Hoff mann entdeckt. Das
überaus charakteristische Blatt wird mit anderen wenig oder
gar nicht bekannten Porträts und Handzeichnungen vom
Dreililienverlag in einer billigen Volksausgabe der Werke
E. Th. A. Hoffmanns, die in drei starken Bänden zum Preise
von Mk. 3.80 alles Wesentliche vereinigen soll, zum ersten
mal publiziert werden.
(Die Kunstsammlung der Frau Eduard
Andre.) Aus Paris wird uns geschrieben: Die dieser Tage
verstorbene Witwe des Bankiers Eduard Andre hat fast ihr
ganzes Vermögen dem Institut de France hinterlasscn. Es
handelt sich um eine Schenkung von 500.000 bis 600.000 Franken
Jahresrente, die allerdings mit einigen Legaten belastet ist.
Doch kommt das Hotel am Boulevard Haußmann mit seiner
kostbaren Kunstsammlung hinzu.. Frau Andre war vor ihrer
Heirat selbst eine Kunstbeflissene. Unter dem Namen Nelie
lacquemart stellte sie vor vierzig Jahren regelmäßig im
»Salon« aus. Am bekanntesten sind ihre Porträts des Generals
Canrobcrt, des Generals Palikao, von Thiers und dem Premier
minister Dufaure. Strenge Kritiker fanden damals, wie Jules
Claret ie erzählt, daß die Künstlerin allen ihren Modellen
die nämlichen »Kautschukhände« male. Sicherlich hat sie mit
ihrem Testament mehr für ihren Nachruhm getan als mit ihren
Gemälden. Auch in der Chronik der vornehmen Pariser Ge
sellschaft wird sie nicht so rasch vergessen werden. Durch
Jahrzehnte hindurch wußte sie ihr Hotel zum Sammelplatz
des geistigen und künstlerischen Paris zu machen. Sie legte
darin vor allem eine außerordentlich gewählte Kunstsammlung
an, die reich ist an antiken Bronzen und Marmorfiguren,
Ernails von Limoges, gotischen Elfenbeinschnitzereien, spanisch
maurischer Keramik, Renaissancemöbeln, französischen Ta
pisserien. Unter den Gemälden finden sich Stücke von sehr
großem Werte. Mantegna ist mit drei Bildern vertreten:
»Ecce Homo«, dann einer Madonna und einer Madonna
zwischen dem heiligen Ludwig und dem heiligen Hieronymus.
Eine Madonna wird Perugio zugeschrieben; ein »Narziß am
Wasser« galt lange für ein Werk Raffaels, wird aber jetzt
als Giovanni Batista Bertucci bezeichnet. Von Lukas Sig-
norelli ist eine »Heilige Familie« vorhanden. Verschiedene
Porträts stammen aus der Schule der B e 11 i n i, vier Decken
gemälde »Heinrich III. von Contarini empfangen« von T i e-
p o 1 o. Ferner enthält die Sammlung ein Porträt von M u-
r i 11 o, ein Frauenporträt, das dem jungen H o 1 b e i n zu
geschrieben wird, Gainsborougs Porträt von Frau
Buchanan Mills, ein Frauen- und ein Männerporträt von
R u b e n s, dann das »Porträt eines Syndikus« und »Die Zeit,
dem Amor die Flügel beschneidend« von Van Dyck, ein
Kinder-, ein Frauen- und ein Männerportnit von Franz Hals,
von Rembrandt eine Replik der »Jünger von Emaus«, ein
Porträt der Saskia und des Advokaten T h o 1 i u x. R u i s-
dael ist mit einer Ansicht von Harlem, Cuyp mit einem
Mädchenbildnis vertreten. Den: französischen 18. Jahrhundert
gehören an: eine »Schaukel« von Watteau, Werke von
baueret, Pater, Chardin, fünf Fragonards, ein
Nattier Besonders interessant sind die italienischen
Skulpturen mit einer Plakette von Do na t eil o (»Martyrium
des heil. Sebastian«), eine Bronzestatuette von Pollaino io,
das vergoldete Bronzepferd von L i o n a r d o da Vinci, die
»Vier Kardinaltugenden« von Verrochio vom Grabmal der
Francesca Tornabuoni. Unter den Manuskripten findet sich
das »Livre d’heures« des Marschalls Boucicanf. Da das
Institut de France kaum geneigt sein dürfte, die Sammlung
den Staatsgalerien zu überlassen, So wird Paris im Hotel der
Spenderin arn Boulevard Haußmann ein neues kleines Museum
erhalten.
Museen.
(Neuerwerbungen der Berliner Antiken-
sammlunse n.) Die Antikensammlungen der Berliner
Museen haben von ihrem neuen Direktor Dr. Theodor W i e-
gand einige Geschenke erhalten. Der Antikenabteilung über
wies Dr. Wiegand eine kleine Eule aus Kalkstein, dom Anti
quarium ein römisches Tongefäß in Form eines Isiskopfes.
Geh. Rat Dr. Eduard Simo n schenkte dem Antiquarium eine
kleine glasierte hellenische Kanne aus der Gegend von An
gora. Ein weiteres Geschenk für die Sammlung ist das archai
sche Bronzefigiirchen eines bärtigen bekleideten Mannes, das
aus Poiradschick, dem alten Garnbrion, stammt.
(Schenkungen an das Tolstoi-Museum.)
Fürst Obolenski hat dem Moskauer Tolstoi-Museum eine
große Sammlung von Handschriften seines Schwiegervaters
Grafen Leo Tolstoi geschenkt. Seine verstorbene Ge
mahlin, Gräfin Maria T o 1 s t a j a, war viele Jahre hindurch
Sekretärin ihres Vaters. Als solche hatte sie Kopien seiner
Niederschriften angefertigt, die neben den Handschriften
Tolstois einen großen Teil der Sammlung bilden. Der wich
tigste Teil der Handschriften Tolstois in dieser Sammlung
sind seine Notizbücher von 1865 bis 1896, seine Tagebücher