12
dessen unbestrittener Führer für die letzten fünf Jahre seines Lebens
Harunobu wurde. Mit einem Schlag wandelte sich das Bild des Farb-
holzschnittes, Harunobu führte ein neues, dem Quadrat angenähertes
Format ein, das er ganz mit Darstellungen füllte, indem er seine
Gestalten in einen realen Raum, sei es Landschaft oder Innenraum,
stellte. Das Schauspielerbild, das schon in seinem frühen Schäften
überaus selten war, verschwand, auch die Bildnisse von Kurtisanen
spielen keine Rolle mehr, obwohl das Milieu des Yoshiwara ein
Hauptthema bleibt. Szenen des fraulichen Lebens im Vergnügungs
viertel oder im bürgerlichen Kreis füllen nun das Schaffen Harunobus
aus; auch wenn er Themen der chinesischen oder japanischen Ge
schichte, Literatur oder Legende darstellt, hüllt er seine Figuren in
modernes Gewand, so daß sie sich für den unbefangenen Betrachter
nicht von den Themen des Alltags unterscheiden. Dieser ,,Alltag“
ist allerdings eine Welt der Zärtlichkeit und Schönheit, voll musi
kalischer Stille, bevölkert von reinen, mädchenhaften Wesen. Hatten
die Kwaigetsudös die Kurtisanen zu hoheitsvollen Fürstinnen ver
wandelt, so werden sie bei Harunobu, wie alle seine Frauen, zu kind
haft zarten Feengestalten. Er hat sicher viel von Sukenobu gelernt,
nur daß sich die gesunde Natürlichkeit der Frauen dieses Künstlers
bei ihm zu eleganter Verfeinerung wandelt. Die formalen Mittel,
die Harunobu anwendet, stehen ganz im Dienste dieser neuen Bild
inhalte. Seine Kurven sind voll Grazie und Wohlklang, die Farb-
stimmung seiner Blätter ist von köstlicher Harmonie, oft voll Frische
und Glanz, voll strahlender Leuchtkraft, oft von gedämpfter, in
gebrochenen Mitteltönen schwelgender Zurückhaltung. Und dieser
neue Frühling erblühte sozusagen über Nacht, und die überreiche
Ernte wurde m nur fünf Jahren eingebracht! Harunobus Erfolg war
außerordentlich, schon zu seinen Lebzeiten wurden seine Blätter
nachgeahmt uncl sogar gefälscht; seinem künstlerischen Einfluß, zu
mindest was seine neue Technik betrifft, konnte sich keiner seiner
Zeitgenossen entziehen.
Koryusai Am wenigsten sein großer Schüler und Freund Isoda Koryüsai,
Tafel 12, dessen Frauenbilder so verwandt sind, daß man eine Zeitlang
13, 14 h, glaubte, beide Meister seien dieselbe Person. Aber Koryüsais Farb-
IS a, 13 h akkorde sind anders, und er hat auch Themen behandelt, vor allem
Tierbilder, die ein leidenschaftliches, kraftvolles Temperament ver
raten, das seinem Freund fehlte. Seine meisterhafte Kompositions
kunst zeigt sich vor allem in den unzähligen Langbildern, ein
Format, das er wie kein anderer Meister geliebt hat. Koryüsai war
ein Samurai, der, als er brotlos wurde, für den Holzschnitt zu
arbeiten begann, der sich aber in den Jahren nach 1780 davon wieder
zurückzog und nur mehr Bilder malte. Von seinem Leben ist uns
sonst fast nichts bekannt.
Auch das Schauspielerbild konnte sich dem neuen Stil auf die
Dauer nicht entziehen. Doch war es nicht die Familie der Torii, zäh
und unbeweglich an der alten Art festhaltend, welche die Wandlung
brachte, sondern ein neuer Mann, zu den Größten dieser Kunst