Nr. 4
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 35
Der Nachlass Paul Meyerheims.
Am 14. und 15. März kommt in Rudolph Lepkes
Kunst-Auktionshaus in Berlin der Nachlaß des im
vorigen Jahre verstorbenen Professors Paul Meyer
heim zum Angebot.
Der erste Teil enthält die künstlerische Hinter
lassenschaft des Meisters, eine Sammlung alter Gemälde,
die er im Laufe der Jahre in den Räumen seiner Villa,
Hildebrandstraße 22, zusammenbrachte und zahl
reiche Erwerbungen und Dedikationen von zeitge
nössischen Malern, die vielfach mit Widmungen an
den Erblasser versehen sind. Unter letzteren' befinden
Fig. 8.
Aut. Coypel, Porträt.
sich fünf prächtige Werke von Ad. von Menzel,
Arbeiten von Franz Meyerheim, Fritz Werner,
Franz von Lenbach, Carl Blechen, Gottfried
Schadow, Rosa Bonheur, Eugen Bracht u. a. m.
Die Werke von Paul Meyerheim selbst zerfallen
in drei Abteilungen: die Ölgemälde und Ölstudien,
worunter ganz prachtvolle Stücke, die Aquarelle und
Pastelle und endlich die reichhaltige Sammlung von
Zeichnungen. Unter den Ölgemälden seien die präch
tigen Tierbilder „Löwenbaby“, „Löwenpaar“, „Phi
losoph“, .Elefantenliebe“, „Tiger“, „Rabe“ und
„Hühnerhof“ erwähnt, von den Genre- und Land
schaftsbildern „Die ziehenden Zigeuner bei Tarasp“,
„Die Netzeflicker“ und „Das Urteil des Paris“. Von
großem Reiz sind auch die Studien aus dem Orient,
die bei Lebzeiten des Meisters das Treppenhaus der
Villa schmückten. Einen besonderen Genuß aber
gewähren die vor der Natur geschaffenen Aquarelle
und Zeichnungen, da hier die große Meisterschaft und
Beobachtungsgabe des Künstlers unmittelbar zum
Herzen spricht. Es ist kein Zweifel, daß sich auch für
diese Abteilung begeisterte Liebhaber finden werden.
Nicht weniger als siebzehn Zeichnungen von Eduard
Meyerheim, dem Vater unseres Künstlers, sind eben
falls im Kataloge verzeichnet.
Die Sammlung von Gemälden alter Meister setzt
sich nur aus 35 Nummern zusammen, enthält aber
so viel des Guten und Vorzüglichen, daß auch hier
ein lebhafter Kampf um den Besitz entstehen dürfte.
Eine Madonna von Meister des heiligen Blutes scheint
den ersten Rang einzunehmen; es folgen prächtige
Bildnisse von Palamedesz, B. v. d. Heist, J. C.
Verspronck, Alex. Roslin, Sir P. Lcly, Ant. Coypel
(Halbfigur eines Mannes in bronzefarbenem Brokat
gewand, siehe Fig. 8), J. M. Nattier (Art), M. An.
de la Tour u. a., ferner hervorragende Stilleben von
C. de Heem, Dan. Seghers, Rachel Ruysch, Fr. W.
Tamm, ein Geflügelstück, das von D. Wyntrack
und Jan Wynants gemeinschaftlich gemalt wurde,
und ein grobes Gemälde von Jakob Jordaens, Merkur
und Bacchus darstellend.
Am Schluß kommen sehr wertvolle Lithographien,
Steinzeichnungen, Holzschnitte und Radierungen von
A. von Menzel zum Angebot.
Der Gemäldesammlung der ersten Abteilung folgt
am 21. März und den nächsten Tagen eine zweite
Abteilung des Nachlasses Meyerheim, umfassend die
Ausstattung seiner Wohnräume.
Der Katalog beginnt mit der großen Abteilung
Möbel und Arbeiten in Holz, wobei eine Anzahl
sehr großer repräsentativer Schränke, meist des
18. Jahrhunderts, mit dem Stil entsprechenden Einzel
möbeln an Tischen und Stühlen besonders erwähnens
wert ist. Es schließt an die Abteilung Gobelins und
^Stoffe, von denen die Reihe der großen Gobelins
die Wandbekleidung in Meyerheims großem Atelier
bildete, während die Stoffe und kleineren Verdüren
als Vorhänge an Fenstern und Türen in. den Gesell
schaftsräumen des Hauses verwandt waren.
Neben den kleineren Gruppen der Glasscheiben,
Porzellane und Fayencen aller Art steht eine größere
Sammlung, die der Ar-beiten in Metall: gotische
Messingbecken, Zinn, gute ostasiatische und einige
moderne französische Bronze, alte Danziger Kronen
usw. Auch hier sind verschiedene, von Paul Meyer heim
selbst bemalte kunstgewerbliche Stücke in den ein
zelnen Abteilungen verstreut: ein großer, die Geschichte
der Leinwand darstellender Schrank, ein hübscher
Fächer u. a.
Der mit sechzehn Lichtdrucktafeln ausgestattete
Katalog umfaßt etwa 500 bis 600 Nummern aus diesem
vornehmen, behaglich eingerichteten Haushalt, der in
jedem Stück den Geschmack Meyerheims widerspiegelt.