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Internationale Sammler-Zeitung 
Nr. 17 
sie leicht und allgemein verständlich. So konnte der 
griechische Goldschmied Taten des Herkules oder Szenen 
aus der Ilias in seine Schilde treiben, so der Vasen 
maler mit einem anderen Mythenzyklus seine Gefäße 
schmücken, denn all das war seinen Zeitgenossen so ganz 
verständlich, ein jeder wußte sich so leicht darin zu 
recht zu finden, als stände dies alles im aufgeschlagenen 
Buche. Die ganze Mythologie und Sagenwelt in ihrer 
klaren Anschauung und Ausdrucksweise war in das 
Fleisch und Blut des Volkes übergegangen. Die antike 
Religion ist dabei in ihren Göttergestalten und deren Ge 
folge ja so künstlerisch gedacht, daß bis auf den heutigen 
Tag ihre Göttertypen als das einfachste Ausdrucks 
mittel betrachtet werden müssen, wenn es sich in der 
modernen bildenden Kunst um Sjmbolisicrung geistiger 
und körperlicher Eigenschaften handelt. 
Diese Typen, sie sind dem auch nur halbwegs 
Gebildeten ja nicht fremd, obwohl uns einige Jahr 
tausende von der griechischen Kultur schon trennen, denn 
von Jugend auf haben wir uns damit vertraut gemacht. 
In den Schriften der deutschen Klassiker, in den Ge 
mälden unserer unmittelbarsten Vorfahren tritt uns die 
Mythologie der Römer und Griechen in allgemein 
verständlicher Sprache entgegen. 
Ein Gleiches läßt sich von den Symbolen der christ 
lichen Kirche nicht sagen, wenn sie uns auch das ehr 
würdigste und heiligste Symbol, das Kreuz, geschaffen 
hat, denn die christliche Symbolik ist sehr kompliziert, 
ohne besondere theologische Kenntnisse oft ganz 
unverständlich und dabei der künstlerischen Durch 
bildung meist wenig günstig. Nur .wer in den Mystizis 
mus der Kirchenschriftsteller, der schon im alten Testa 
mente reichlich gepflegt wurde, eingedrungen ist, kann 
Freude und Verständnis an jenen Beziehungen in Zahlen, 
Inschriften, Attributen und figuralen Darstellungen 
haben, wie sie an den Architekturen und Geräten des 
Mittelalters nachzuweisen sind. Mehr noch, als die 
ursprünglichen Autoren selbst wohl dabei dachten 
und hineingelegt haben, wurde seither von geistreichen 
Interpreten herausgefunden, und die Romantik der 
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat daraus einen 
förmlichen Kodex gebildet. Da hat alles seinen tiefen 
Sinn, seine Beziehung, und wenn die Bildhauer jener 
Zeit in ihrem Übermutc Fratzengestalten, ja sogar 
unanständige Figuren, die wohl am wenigsten in eine 
Kirche passen können, an liturgischen Gerätschaften 
anbrachten, so war es der Teufel, der, gefesselt von der 
Macht der Kirche, hier abkonterfeit wurde und 
durch dessen Darstellung dem gläubigen Christen die 
Versuchung vor Augen gehalten sein sollte, mit welcher 
der Böse ihn stets lauernd umgibt. Mit dem gleichen 
Eifer und dem gleichen Scharfsinne mühen sich christ 
liche Symboliker ab, die rätselhaften Tiere auf den 
neubabylonischen Seidenstoffen zu deuten und ihnen 
höheren Sinn zu unterlegen. 
Wir wollen nun dicAttribute, wie sic am häufigsten 
an kunstgewerblichen Gegenständen Vorkommen, einer 
kurzen Betrachtung unterziehen, und trennen sie nach 
ihrer Beschaffenheit in mehrere Unterabteilungen, je 
nachdem menschliche Figuren, Tiere, Pflanzen oder 
unorganische Gebilde als Schmuck und gleichzeitig 
zur Symbolisierung benützt werden. 
Den größten Spielraum läßt die figuralc Symbolik 
zu. Der tüchtige Bildhauer wird an sich schon durch 
die äußere Erscheinung der menschlichen Figur, die er 
darzustellen bemüht ist, und ohne Hinzuziehung 
gewisser Attribute, seine Ideen zum Ausdrucke bringen. 
Allein schon aus der griechisch-römischen Kunst sind 
uns unzählige Vorbilder überliefert, an die heute der 
Künstler, ohne unfrei zu werden, sich anzulchnen ver 
mag, ohne daß er darum in jene Allgemeinheit und 
Leerheit verfallen müßte, welche die mythologischen 
Darstellungen des 17. und 18. Jahrhunderts charak 
terisieren. Die griechische Mythologie, eine wahrhaftige 
Kunstreligion, hat in ihrer Weise fast alle geistigen und 
körperlichen Eigenschaften der Menschen ebenso wie 
die Naturerscheinungen personifiziert und dafür einen 
künstlerischen Ausdruck, einen bis heute muster 
gültigen Typus geschaffen. Diemenschliche Figur bleibt 
in allen Stilperioden die höchste Potenz des Ornamentes 
und die Symbolisierung durch sie in den meisten Fällen 
die sprechendste und klarste. 
Doch auch die Tiergestalt wird ebenso häufig als 
zweckliches und struktives Symbol in der Kunst ver 
wendet. Als struktives namentlich am Möbel, um uns 
dessen Beweglichkeit zu symbolisieren, wenn Tierfüße 
als dessen Stützen benützt werden, wie bei den Kande 
labern, oder wenn der Tierrücken die Form gibt für die 
Gestaltung der Sitzmöbel, wie bei den pompejanischen 
Bisellien. 
In der langen Reihe von Tiergestalten, die im Kunst 
gewerbe als Symbole zur Verwendung kommen, steht 
der Löwe als Symbol der Kraft und Großmut obenan. 
Der Panther ist der treue Begleiter des bacchischen 
Zuges, in hundert Arten hat die Kunst aller Stile ein 
kombiniertes Tier zum Greif gebildet, den Hund zum 
Symbol der Treue und Wachsamkeit gemacht, den 
Delphin zum Zeichen des flüssigen Elementes, den 
Hirsch zum Embleme der Jagd, den Schwan zu dem der 
Musik gewählt. Alle diese Tiere können, an richtiger 
Stelle verwendet, zum verständigen Schmuck der 
Werke der Kleinkunst dienen. In der bildlichen Dar 
stellung des Pferdes hat die moderne Kunst ein Haupt 
motiv zur Dekoration gefunden. 
Auch die Pflanzenwelt bietet dem dekorativen Künst 
ler die reichsten und mannigfaltigsten Motive für sein 
Ornament. Das Pflanzcnornament funktioniert hier 
wieder in doppelter W T eise, einmal struktiv, dann ein 
andermal zwecklich. In der ersten Eigenschaft sehen 
wir den Akanthus und den Blattkelch an Säulen- 
kapitälcn, an den umgeschlagenen Blättern derKarnieße, 
an dem Lorbeerkranz des Wulstes, an den Säulen- 
basen, an den Kannelierungen, die von dem Begriff 
eines gerieften Pflanzenstammes abgeleitet sind, und 
an anderen Baugliedern. In der zweiten Eigenschaft 
soll die Pflanze gewisse Ideen, die wir unumstößlich 
mit ihrem Vorkommen vereint halten, ausdriieken und 
so die Beziehung des von ihr geschmückten Objektes 
zu seiner Bestimmung andeuten. Weil aber die Pflanze 
stets in einem bestimmten Materiale im Kunstgewerbe 
zur Darstellung gelangt, so muß auch deren Form gegen 
über jener des natürlichen Organismus notwendiger 
weise eine Modifizierung erfahren, das heißt stilisiert 
werden, und dieses Moment bedingt eine erhöhte Ver 
wendbarkeit gewisser Pflanzen formen bei fast völliger 
Ausschließung mancher anderen. 
Die Lilie gilt uns als Zeichen der Unschuld, die 
Rose als das der Schönheit, die Myrthc und Orangenblüte 
dient zur Bezcichung des bräutlichen Festes, der Lorbeer 
repräsentiert den Ruhm, Weinlaub und Kornähren den 
Wein und das Brot — und wer möchte sie alle aufzählen 
die verschiedenen Deutungen, welche die Welt der 
Blumen erfährt! Für den Künstler bleibt jedoch immer 
die erste Frage zu tun: Läßt sich auch diese Blume 
in künstlerisch geeigneter Weise darstellen ? 
Einer letzten Art der Symbolisierung sei endlich 
hier gedaclu, und diese findet ihren Ausdruck durch 
leblose Attribute, durch Zusammenstellungen von
	        
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