Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
13. Jahrgang. Wien, 15. Juni 1921. Nr. 12.
Das Herender Porzellan.
Von Dr. Ladislaus v. Siklössy (Budapest).
Die Geschichte der ungarischen Keramik des
achtzehnten Jahrhunderts berichtet über eine glänzende
und dennoch traurige Entwicklung. Die Begeisterung
für dies edle Gewerbe loderte in manchen Brennöfen,
zerstreut im ganzen Lande, auf, jedoch vergebens,
denn durch die. engherzige Wirtschaftspolitik Wiens
wurde sie bald abgekühlt: die Wiener und die böhmi
schen Manufakturen sollten keine Rivalen erhalten.
Die klassische ungarische Keramik verkümmerte des
wegen in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahr
hunderts zu winzigen Überresten.
Es mußte in Moriz Fischer ein providentieller
Mann erstehen, der die Vergangenheit und die Zukunft
verknüpfte. Sein Leben und Wirken ist gleichbedeutend
mit dem Entstehen, Aufblühen und Verfall des Heren
der Porzellans, welches jetzt durch das ungarische
Kunstgewerbemuseum in einer langersehnten Aus
stellung vorgeführt wird.
Fischer wurde im Jahre 1800 geboren und ent
stammte einem alten Totiser Keramikergeschlecht.
Das Ende der dreißiger Jahre, fand ihn als Pächter
der Pgpaer Fayencefabrik, wo schon einige Versuche
der Porzellanerzeugung vorgenommen worden sind.
Zu dieser Zeit wurde in Herend von einem gewissen
Stiengl ein kleiner Porzellanbetrieb gegründet, der
aber mit baldigem Aufhören drohte. Im Jahre 1839
übernahm Fischer auf Aneiferung des Grafen Karl
Esterhazy die Leitung', um bald mit Überraschungen
auch über die Landesgrenzen hinaus zu dienen.
Die Kauflustigen von Budapest zappelten damals
im Zauberkreise der k. k. Wiener Porzellanmanufaktur,
die ihre Ausschußwaren, falls diese fix nicht anzu-
bringen waren, lizitationsweise veräußerte. Ungarisches
Porzellan war etwas Unbekanntes. So galt es als eine
Überraschung, als Moriz Fischer auf der ersten ungari
schen Gewerbeausstellung im Jahre 1842 auftauchte.
Im offiziellen Berichte würdigte Ludwig Kossuth
seine Leistungen, „die sogar den Forderungen einer
herzoglichen Tafel entsprachen“. Jedenfalls war es
komisch, daß trotz alledem Fischer sich mit einer
Bronzemedaille begnügen mußte, während ein gewisser
Dionys Szerecsen, der aus Rosenau ein Stückchen
schwarze Tusche eingesandt hatte, es zu einer goldenen
Medaille brachte.
Fischer wurde aber durch die Begeisterung des
Publikums vollends entschädigt. Die Aristokratie,
dem Beispiele der Esterhazys folgend, ließ nachein
ander ihre aus Wien, Meißen und Sevres stammenden
Tafelgeräte in Herend ergänzen, wobei Fischer Glänzen
des gelang. Im Jahre 1843 konnte er schon einen neuen
modernen Brennofen nach Meißener Modell erbauen
und seine Fabriksanlage erweitern, zu welchem Zwecke
er von dem dortigen verständnisvollen Grundbesitzer
Paul v. Bar.cza das Areal von 4000 Quadratklaftern
zu dem Mietspreise von jährlich 1 Gulden 30 Kreuzer
mit der Versicherung erhielt, daß, falls Fischer besitz
fähig wurden würde — als Jude war er es derzeit
nämlich nicht er dasselbe für das „dem Mietpreise
entsprechende Kapital“ als Eigentum erwerben könne.
Fischer beabsichtigte zu dieser Zeit, einen Umsatz
von jährlich 50.000 Gulden in Konventionsmünze zu
erreichen und ein Rohmaterial von 6 Gulden in eine
Ware von 110 Gulden zu verwandeln. Von materiellen
Nöten blieb er jedoch nicht verschont. Bereits im Jahre
1843 brannte seine Fabrik ab, welchen Fall er mit der
Ruhe eines Stoikers auf seinen keramischen Kunst
stücken verewigte.
Beharrlichkeit und Großzügigkeit blieben die Grund-
ziige seines Charakters auch fernerhin. Er nahm an
allen in- und ausländischen Ausstellungen teil. Die
Weltausstellungen London 1851, New York 1853,
London L862 und Paris 1867 verhalten ihm zu immer
neueren Erfolgen. Humboldt, der große Natur
forscher, reihte sich seinen innigsten Bewunderern an,
und es zirkulierten sowohl wahre Geschichten wie
auch Anekdoten über Fisch ersehe Vasen, die mit den
unerreichbaren keramischen Produkten des Ostens
verwechselt wurden.
Den Höhepunkt des Erfolges erreichte er auf der
Wiener Weltausstellung vom Jahre 1873, worüber
Jakob Falke, eine unwiderlegbare Autorität, folgender
maßen berichtet: „Die Fabrik zu Herend wird in der
Wiedergabe der verschiedenen Arten von Meißen,
Wien, Sevres, Berlin, China und Japan von keiner
anderen Fabrik des Kontinents erreicht. Es ist be
greiflich, daß dieses Ziel nur mit unendlicher Mühe,
Geduld und sinnendem Denken in langer Zeit zu ge
winnen war, umso mehr, wenn man bedenkt, auf
welchem Boden die Fabrik, fern von allen künstlerischen
Hilfsmitteln, sich befindet. So mag das Resultat mit
Recht unsere Bewunderung erregen. In ihrer eigen
tümlichen Richtung hat die Fabrik gegenwärtig eine
Technik, eine Sicherheit des Verfahrens, eine Akkura
tesse der Arbeit erreicht, die um so anerkennenswerter
sind, weil Material und Feuer gerade bei dem harten
Porzellan diesen Eigenschaften hinderlich sind. Die