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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 1(1
Staat; am zweiten und dritten Tage (16. und 17. Sep
tember) die Teilauflösung von Sammlungen aus Privat
besitz mit sehr wertvollen Einzel marken und Sätzen.
Unter den Ganzsachen befindet sich ein Bild, die
Heilige Familie darstellend, aus zum Teil hochwertigen
Marken hergestellt, das mit K 8000 amgerufen werden
wird.
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Die Galerie Sanct Lucas hat sich entschlossen,
ihre Räume im Palais Palavicini (I., Josefsplatz 5}
der modernen Kunst zu öffnen. Während der Messe
findet da eine Ausstellung von Arbeiten heimischer
Künstler statt, unter denen Hugo Bouward, Fritz
Gareis, Karl Haßmann, Karl Ludwig Prinz hervor
zuheben wären. Ein eigener Raum ist den Werken
des zu früh der Kunst entrissenen Kolo Moser gewid
met. Wir werden auf die Ausstellung, die sehr beach
tenswerte Arbeiten enthält, noch zurückkommen.
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Die Auktionsfirma August Johannes Schelle
(I., Micliaelerplatz 6) teilt uns mit, daß sie anläßlich
der Messe eine Ausstellung ihrer reichen Bestände
an Gemälden und Kunstgegenständen, namentlich
Bronzen, bieten werde. Line besondere Attraktion
dürften die Neuerwerbungen der Firma an inter
essanten Musikinstrumenten sein. Es befindet sich
darunter eine Geige von Nicolaus Amati, welche die
Signatur „Nicolaus Amati Crcneovem Hieronimi filii
Antonii nepos fecit Anno 16." trägt. Sachverständige,
wie Coletti und Rauer, die die Meistergeige zu sehen
Gelegenheit hatten, sind darin einig, daß man es hier
mit einem unzweifelhaften Werke des bedeutendsten
Mitgliedes der berühmten Cremorier Geigenbauer
familie zu tun habe.
Neben der Amati-Geige wären noch zwei Celli von
den hervorragenden Meistern Storiono und Rugieri
zu nennen.
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Im Rahmen der Theater-, Konzert- und Kinomesse
finden folgende, Sammler interessierende Ausstellun
gen statt:
Im Marmorsaale der alten.Burg: Buchausstellung.
In den Goeßappartements der Brrrg: Graphik-
ausstellung.
In der Verbindungsgalerie zur neuen Burg: Aus
stellung von Graphik, Briefmarken und Notgeld.
Internationale Schwarz-Weiß-Ausstellung in Salzburg.
Es ist hocherfreulich, daß es gerade Österreich ist,
dieses im Auslande mit mehr oder weniger aufrichtigem
Mitleid „totgesagte" Land, in dem nach dem Kriege
zum ersten Male wieder mit viel Glück der Versuch
gemacht wird, die kulturelle Wiederannäherung der
Völker praktisch zu verwirklichen. Schöne Worte sind
ja genug gewechselt worden, diese Salzburger „Inter
nationale“ der Graphischen Künste aber ist eine Tat.
Denn wenn auch quantitativ nicht jedes Land gleich
stattlich vertreten ist, so wiegt die Qualität des Ausge
stellten diesen scheinbaren Mangel reichlich auf.
Wenn man diese, von der Salzburger Künstler
vereinigung „Der Wassermann“ im Verein mit der
Wiener Kunsthandlung Würthle & Sohn, Nachf.,
veranstaltete Ausstellung im Künstlerhause aufmerksam
durchwandert, so fällt einem die starke Befruchtung auf,
die der gesamten europäischen Schwarzweißtechnik be
sonders durch die ostasiatische Kunst zuteil geworden ist.
Ich stehe nicht an, dieser Abteilung den Preis zuzuerken
nen. Wohl selten, auch vor dem Kriege, hatten wir eine
so ausgiebige Gelegenheit, diese Farbenmärchenpracht
des japanisch-chinesischen Orients in Muße zu stu
dieren. Die Urelemente aller graphischen Betätigung
treten hier zutage: das Grundieren des Papieres zuerst,
dieses unnachahmlich malerischen asiatischen Papieres,
das die armen Europäer allzugern imitierten, ohne in
dessen die Inspirationskraft des Originales mit seinen
herrlichen dunklen Tönen zu erreichen. Was so ein
Künstler wie Hiroshige zum Beispiel in der nächtlichen
Flußszene an romantischen Tönungen erzielt, wie er
in einem Triptychon das Motiv des Froschkrieges zum
Tummelplatz ornamentaler Phantastik und köstlich
sten Farbenaufbaues macht, das ist allerhöchste Kultur,
weit mehr als malerischer Geschmack allein!. . . Ein
im europäischen Sinne typisch modern malender Künst
ler ist Kunisada, dessen Frau mit blauem' Schirm
ein Kabinettstück koloristischer Technik genannt wer
den kann. In die echte japanische Kunstsphäre ver-
stezen uns die Schauspielerbildnisse von Sh uns ho.
Was in diesen Originalholzschnitten der Asiaten mühe
los erzielt wird, nämlich ein ungeteilter Farbengenuß,
ohne Grellheit, ohne Rausch und Hypertrophie, das
sucht ein Toulouse Lautrec in seiner Affiche „Divan
japonais" ins Montmartremäßige abzuwandeln, ohne
daß jedoch etwas völlig Harmonisches entsteht. Mir
will scheinen, daß da die Phantasie eines Niederländers,
wie Felicien Rops, trotz seiner sonst natürlich völlig
eigenartigen Psychologie viel reiner von dem Japanstil
befruchtet worden sei: man betrachte etwa, sein in
reinster Linienschönheit aufgelöstes Titelblatt zu Bau-
delaires „Les Epaves". Es ist bewundernswert, wie
viele uns nicht immer geläufige Namen wir gerade aus
den Niederlanden wie auch aus Frankreich, Amerika
und England auf dieser Ausstellung kennen lernen,
etwa Ludwig Tem H ompel oder den sehi begabten
Vlaminck oder unter den Neufranzosen-— neben
den Großmeistern Steinlen, Picasso, Pissaro, Legrand,
1 .egros usw. — auch Graphiker wie Maximili en Luce,
einen fleißigen Akt- und Landschaftsskizzierer, wie
Marie Laurencin (mit der feinen Farbenlithographie
„Die kleine Waise“).
Die französische Abteilung ist eine der reichhaltig
sten, denn sie führt von Gavarni, Daumier, Toulouse-
Lautrec bis zu den Modernen und Modernsten. Inter
essant ist der Vergleich der romantisch erzählenden
Engländer, etwa Frank Brangwyn mit den sachlich
schildernden Amerikanern, unter denen Joseph Pen-
nel der hervorragendste ist.
Daß die Deutschen und die Deutschösterreicher
sehr reich vertreten sind und den Vorrang sich nicht
vom internationalen Charakter der Schau haben streitig
machen lassen, ist nur zu begrüßen. Keiner der großen
Namen fehlt wohl da, und fast alle sind gut vertreten,
Daß dem Kubismus und sonstigen extremen Strömun
gen nur ein bescheidener Raum gegönnt ist, gestatte
ich mir, selbst auf die Gefahr, als Banause zu gelten,
freudig zu betonen. Immer wieder stehen wir staunend
vor der kühnen Charakterisierungskunst eines Kokosch
ka und vor der unendlich feinädrigen Psychologie
des der Kunst zu früh entrissenen Egon Schiele,
aber auch Künstler wie Faistauer, wie der kräftige,
aber nie maßlose Harta, wie der Farbenornamentiker
Jungnickcl, sprechen zu unserer Seele, und die
Deutschen, ein Erich Heckei (etwa sein holzschnitt-
starkes Porträt), ein Hans Meid (ein Radierer von
köstlicher Feinheit),’ oder die Modernsten, ein Schin-
nerer, ein Seewald, alle sind sic ausgeprägteste Per
sönlichkeiten, in der Blüte ihrer Entwicklung und zu
kräftigem Weiterarbeiten gerüstet.