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Internationale Sammler -'Zeitung
Seite 17.3
Es erfüllt uns mit berechtigtem Stolz, zu beob
achten, wie reich an ausgesprochenen Individualitäten
gerade in der Schwarzweißkunst Österreich und Deutsch
land sind. Speziell die Radierung wird in beiden
Ländern von jeher und gerade auch in neuester Zeit
wieder mit Vorliebe gepflegt; ebenso der Holzschnitt.
Daß hier Meister Klinger als Bahnbrecher nicht fehlen
darf, ist selbstredend. Aber auch Menzel tritt uns ent
gegen, zum Beispiel mit Irrenhaustypen, die in ihrer
getreuen Sachlichkeit die ruhige Bedachtheit der „alten
Schule“ charakterisieren, während zum Beispiel die
Tollhäüsler des modernen Kreidezeichners Max Mayrs
hofer die ganze nervöse Erlebniskraft der heutigen
Generation widerspiegeln. Und welche Poesie weiß ein
Hans Meid mit der kalten Nadel in seinen Landschaften
und Genreszenen zu entfalten! Immer können wir die
Parallele von alter und neuer Stilistik studieren, etwa
den guten, schlichten Hans Thoma mit dem seine Fi
guren fast spiclzeughaft vereinfachenden Richard See
wald oder die realistisch epische Käthe Kollwitz
und Erich Heckei oder den genialen Ernst Barlach
mit seiner lebhaften Phantasie mit dem auch in der
Graphik malerisch sehenden Lovis Corinth vergleichen.
Bei den Österreichern ist die Radierung weniger beliebt;
ihnen gibt die Kohle oder die farbige Kreide zur Dar
stellung weiblicher Akte und Porträts weichere Töne:
einer, der prächtige L. TI. Jungnickel, schafft in
seinem farbigen Holzschnitt „Papageien“ eine Dichtung
von orientalischem, üppigstem Ornamentreiz.
Hier sind wir wieder an den Quellen, im fernen
Osten. So führt uns die Wanderung durch diese, auch
in ihrer weisen Beschränkung mustergültige Ausstellung
stets zurück zu den Wurzeln aller Graphik und zeigt,
wie reich auch dieser Zweig der Kunst an Anregungen
ist, wenn nur der Laie sich viel mehr als bisher bemühen
wollte, die unverständliche Scheu vor dem angeblich
langweiligen Schwarzweiß zu überwinden und erkennen
möchte, daß der größte Reiz der Graphik in der atelier
mäßigen Unmittelbarkeit von Anschauung und Wieder
gabe beruht. Dr. Arthur Neisser.
Ein neues Werk Bliimelhubers.
Ein Freund Blümelhubers setzt uns in die ange
nehme Lage, einiges Neue von Blümelhuber mitzu
teilen. Der berühmte Meister schien in letzter Zeit im
Stahlschnitte untätig geworden zu sein; der Schein
wurde aber nur durch die zeitraubende Technik des
Stahlschnittes hervorgerufen. In Wirklichkeit sind
nicht weniger als drei Werke im Werden und ein viertes
ist eben fertig geworden. Das erste ist ein Monumental
schlüssel für ein Domportal, das zweite ein Reliquiar
in Kreuzesform, das dritte eine bei Kriegsausbruch kon
zipierte, weltlich idealisierte Waffe, die aus unserem
blutigen Zeitalter der Gewalt in höher strebende Kultur
epochen führen will. Dazu kam in allerletzter Zeit
fertiggestellt ein liebenswürdiges Kunstwerk, eine
Unikaplakette, die Evangelium betitelt ist und in
dichterischer und künstlerischer Weise die frohe Bot
schaft symbolisiert, daß keine Gewalt auf Erden das
Emporblühen sieghaften Geisteslebens zu hemmen ver
mag. Durch eine starre Stählplatte dringen, diese zer
reißend, die zartesten, hohl beschnittenen Blümlein
hindurch zu Licht und Leben. Gerade dieses Werk zeigt
uns die große Wandlung, im Künstler., der uns in dem
selben den Weg weist, der über die Einfachheit, über
das Maßhalten und über'die Einkehr zur Natur in die
Höhen des Geistigen emporführt.
Das liebenswürdige Werk des Künstlers ziert jetzt
die Ausstellung in Steyr, ist aber zum Verkaufe *) be
stimmt, und es wäre überaus wünschenswert, wenn
es dem Vatcrlande erhalten bliebe.
*) Auskünfte an Interessenten erteilt ausschließlich Herr
Anton Weimar, Schloß. Hammerries, Post Losenstein,
Oberösterreich.
Balzac-Reliquien.
Es mag etwa zwanzig Jahre her sein, als in der Ver
steigerungsanstalt in der Rue Drouot in Paris der
Nachlaß der Madame de Balzac, der Witwe des großen
Schriftstellers, jener Frau, an die er, als sie noch nicht
seine Frau, sondern noch die Witwe nach Herrn de
Hanski war, die „Lettres ä l’Etrangere“ geschrieben
hat, unter den Hammer kam.
Ein leidenschaftlicher Verehrer des großen Genies,
seinen Namen will der „Figaro“, der diesen Beitrag zur
Balzac-Geschichte veröffentlicht, nicht nennen — der
bekannte Balzac-Sammler M. de Spoelberck de Lo-
venioul war es nicht —, kam als einer der ersten in
den Auktionssaal, in der Hoffnung, vielleicht doch
ein Andenken an den großen Erzähler, ein Romanmanu
skript oder wenigstens einige Briefe erstehen zu können.
Die ersten Gegenstände wurden auch tatsächlich so
erstaunlich billig abgegeben, (laß unser Liebhaber sich
schon in der frohen Hoffnung wiegte, das Originalmanu
skript von Eugenie Grandet, von Pere Goriot und von
irgendeinem der anderen Meisterwerke zu einem er
schwinglichen Preise erstehen zu können. Aber plötz
lich ging ein Raunen durch die Anwesenden: Herr de
Spoelberck war eingetreten. Und von diesem Augen
blick an erreichten auch schon alle Preise eine so schwin
delnde Höhe — mit ihm waren auch noch der Vertreter
des Herzogs d’Auma-le und einige große Verleger und
Buchhändler gekommen —, daß ein gewöhnlicher Sterb
licher nichts mehr dabei zu suchen und noch weniger
zu finden hatte. Als nun unser Bibliophile ganz nieder
geschlagen sich zum Ausgang wandte, denn er wollte
wenigstens nicht dabei sein und Zusehen, wie andere,
die mit reichlicheren Gütern gesegnet waren, alles, wo
nach er sich so sehnte, wegtrugen, nahm ihn einer seiner
Freunde, ein Bouquinist, ein Buchhändler, der am Kai
der Seine seinen offenen Stand hat, beim Arm und
sagte zu ihm:
„Es bleibt noch einiger Plunder, den man rnit den
Möbeln verkaufen wird, zurück. Ich werde trachten,
Ihnen etwas zu verschaffen.“
Und tatsächlich. Zwei Tage später; als unser Freund
schon alle Hoffnungen auf die Erfüllung seines Wun
sches aufgegeben hatte, kam der Bouquinist und brachte
ihm ein kleines Päckchen. Es war Balzacs Brieftasche
und eine Art Skizzenbuch, wie sie etwa Maler bei sich
in der Tasche tragen, wenn sie sich auf einer Reise be
finden, um, wenn sie das Verlangen überfällt oder sicli
ihnen unerwartet ein schönes Motiv bietet, es sofort
mit ein Paar Strichen zu Papier bringen zu können. Die
Brieftasche, die sich heute noch iin Besitz jenes Herrn
befindet, ist groß, fast so groß wie ein normaler Roman
zu dreieinhalb Frank. Sie ist aus grünem Maroquinleder
und hat mehrere Fächer. In der Mitte befindet sich eine
Eselshaut, auf der nur eine einzige Aufzeichnung steht,
eine von Balzac eigenhändig geschriebene Zusammen-