Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
13. Jahrgang. Wien, 1. April 1921. Nr 7.
Zwei Wiener Sammlungen.
Leo Schidlofs Kunstauktionshaus bringt vom
5. bis 9. April zwei hervorragende Wiener Sammlungen,
eine Miniaturen- und eine Glassammlung, zur
Versteigerung,
Die Miniaturensammlung, Eigentum des S. R. von
Metaxa, zählte seit langem zum Kunstinventar
Wiens; wiewohl nicht allgemein zugänglich, kannte
doch jeder, der sich für Miniaturen interessierte, aus
den großen Miniaturenausstellungen oder aus Re
produktionen in Kunstwerken die Perlen dieser Samm
lung. Einzelne Stücke, wie zum Beispiel das Porträt
der Malibran von Daffinger, durften bei keiner Aus
stellung fehlen; so sah man es 1903 in Reichenberg,
1905 in Wien und das Jahr darauf in Berlin, und Lei-
sching räumte ihm einen Ehrenplatz in seinem Werke
„Die Bildnisminiatur in Österreich" ein. Und wie
dieser Miniatur erging es vielen anderen der Sammlung,
dem Herrenporträt Daffingers, einem Damenporträt
von Robert Theer, dem Bildnis des Kardinals Erz
herzog Rudolf von Suchy, dem Porträt des Erz
herzog-Palatin Josef von Kreutzinger usw. Natürlich
darf der Umstand, ob ein Werk ausgestellt war oder
nicht, nicht als einziger Maßstab für dessen Wert an
gesprochen werden; Sammler sind bekanntlich auf
ihre Schätze meist eifersüchtig und geben sie nicht
gern fremden Blicken preis. So ist Meurets Porträt
der Herzogin von Nemours, nach dem Malibran-
Bildnisse Daffingers das bedeutendste Stück der Samm
lung, wohl in Schidlofs „Bildnisminiatur in Frankreich"
besprochen und (in Farben) abgebildet, aber in keiner
Ausstellung exponiert gewesen. Ebenso nicht Engle
heart s Bildnis eines Offiziers, das rückwärts im
Originalmedaillon eine Haarlocke mit echten Perlen
enthält. Nächst den hier angedeuteten weist die Mi
niaturensammlung noch prachtvolle Arbeiten von
Thomas Hargreaves (Damenporträt in Goldmedail
lon), Enranuel Peter (Bildnis der Frau Ottilie Henne
berg-Guntner, Tochter des Leibarztes des Kaisers
Ferdinand und Bildnis einer Dame aus der Familie
Odescalchi), Robert Theer (Bildnis der Frau Daf
fingers), Johann Christian Schoeller (Bildnis der
Gräfin Moritz Fries, der Kaiserin Carolina Augusta),
Sir William R oss, Ignaz Rungaldicr (Bildnis der
Gräfin Harrach geb. Prinzessin Liechtenstein), Lizinka
de Mirbel, einer Schülerin der Augustin, der Hof
malerin Karls X., Sir William John Newton, Andrew
Robertson (Bildnis der Miniaturenmalerin Seyffarth
geborener Sharpe), Simon Jacques Rochard (Bildnis
der Frau von Pissarew, geborene Fürstin Dolgoruki),
Anton Richter (Therese Krones), Waldmüller
(Damenporträt) auf. Ein Porträt eines österreichischen
Offiziers war in den Katalogen der Berliner und der
Reichenberger Miniaturenausstellung als Füger an
gegeben, doch ist die Autorschaft dieses Künstlers
nicht völlig einwandfrei. Immerhin kann man die
Miniatur als die Arbeit eines Jiervorragenden Meisters
ansprechen.
Die Glassammlung E. H. wird den verwöhntesten
Ansprüchen genüge leisten. Es finden sich da Mildner-
gläser, deren Schätzwert sich zwischen 40.000 und
80.000 Kronen bewegt. Das kostbarste Stück ist wohl
das unter Nr. 565 verzeichnete, das in bunten Farben
das Brustbild einer Dame im Kostüm aus dem Ende
des 18. Jahrhunderts trägt. Eingerahmt ist diese
Miniatur von einer goldenen Blütenranke auf blauem
Grund; um den oberen und unteren Rand läuft je ein
goldener Empirefries auf goldenem, Grund. Ausge
zeichnet sind auch Mohn und Kothgasser vertreten,
deren herrliche Empiregläser mit miniaturenartig aus
geführten Medaillons in transparenten Emailfarben
immer seltener auf dem Kunstmarkte werden. Aus
der Biedermeierzeit stammen die blau oder rot über-
fangenen Bechergläser mit geschnittenen Darstellungen,
die geschliffenen Stengelgläser, die Kelchgläser usw.
Zwischen den beiden geschlossenen Sammlungen,
der Miniaturen- und Glassammlung, sind an achtzig
Antiquitäten und zweihundert Gemälde, Aquarelle
und Zeichnungen eingeschoben. Unter den Antiqui
täten befinden sich wertvolle Alt-Wiener Porzellane,
Dosen aus Bronze und Elfenbein und Uhren aller Art.
Hervorheben möchten wir namentlich eine Standuhr
von Bernhard Geißler in Wien, die in feuervergoldeter
Bronze Amor als Scherenschleifer zeigt.
Unter den Gemälden finden wir ein Werk von
Barbara Kraft, das Gluck mit seiner Frau darstellt.
Schiavone weist Dr. Ludwig Baldaß das Gemälde
„Diana und Aktäon“ zu. Die Komposition ist eine freie
Wiederholung nach Tizians 1559 für Philipp II. von
Spanien gemalten großem Gemälde gleichen Namens,
das sich jetzt in der Bridgewater Galerie zu London
befindet. Schiavone hat noch eine zweite in den Massen
ein wenig kleinere Wiederholung derselben Komposi
tion Tizians gemalt, die in der Gemäldegalerie des
früheren Kaiserhauses hängt. George de Mare es ist
durch ein großes Gruppenbild repräsentiert, das alle
Vorzüge dieses hervorragenden Meytens-Schülers auf-