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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde, 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
14. Jahrgang. Wien, 15. Mai 1922. Nr. 10. 
Fälschungen. 
Von Jaques Rosenthal, (München). * 
Gefälschte, beziehungsweise unterschobene Hand 
schriften finden wir bereits bei den griechischen 
und römischen Autoren (Briefe des Euripides, Phalaris 
u. a., Äsops Fabeln, Ciceros Consolatio et de natura 
deorüm u. a. m.), doch will ich diese hier nur erwähnen, 
da es sich dabei um literarische Fälschungen handelt. 
Ich muss mich darauf beschränken, solche Fälschungen 
aufzudecken, die zur Täuschung der Sammler und 
Händler, also aus Gewinnsucht hergestellt wurden. 
Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts habe ich 
in Paris eine Handschrift angetroffen, welche die Ge 
schichte der Schlachten und Belagerungen König Karls V. 
von Frankreich enthielt und mit etwa fünfzehn präch 
tigen Miniaturen geschmückt war. Das Buch war vom 
Anfang bis zum Ende vollkommen, aber meisterhaft 
gefälscht. Mr. Leopold Delisle, der es sah, sagte 
darüber: „C’est le faux le plus admirable que j’ai jamais vu.“ 
In einer Versteigerung in Mitteldeutschland stiess 
ich auf die Handschrift eines lateinischen Klassikers 
mit Miniaturen geziert. Beides, Text und Bilderschmuck, 
war die Arbeit eines nicht sehr geschickten Fälschers. 
ln den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts wurde 
im Salle Petit in Paris die Privatsammlung einer be 
rühmten Antiquitätenhändlerin veräussert. Darin fand 
sich u. a. ein herrliches Gebetbuch mit zahlreichen 
grossen Miniaturen geziert. Dasselbe Exemplar ist im 
Katalog der Bibliothek des Herzogs de la Valliere (im 
18. Jahrhundert erschienen) beschrieben, und zwar mit 
der Bemerkung, dass die Plätze, die für die Miniaturen 
bestimmt waren, aus irgendeinem Grunde freigeblieben 
sind. Der Bilderschmuck ist also erst nach dem 18. 
Jahrhundert zugefügt worden. 
Ein Antiquitätenhändler in London legte mir eine 
Miniaturenhandschrift vor, auf deren erster mit prunk- 
hafter Bordüre versehenen Seite das Wappen des unga 
rischen Königs Matthias Corvinus zu sehen war. Das 
Manuskript, das auch sonst noch weiteren Bilderschmuck 
enthielt, war vom Anfang bis zum Schluss eine ziemlich 
plumpe, stümperhafte Fälschung. Der Besitzer, eine sonst 
höchst ehrenwerte Persönlichkeit, wollte jedoch durch 
aus nicht daran glauben. 
*) Wir entnehmen den interessanten Aufsatz mit freund 
licher Erlaubnis des geschätzten Verfassers den „Mitteilungen 
des Verbandes des deutschen Kunst- und Antiquitätenhandelse, V.“ 
(Heft 3, April 1922.) 
Nicht selten kommen Handschriften vor, in denen 
einzelne Textblätter oder Bilder fehlten. Diese sind 
meist so trefflich ergänzt, dass sie nur der wirkliche 
Kenner von den Originalen zu unterscheiden vermag. 
Ungleich häufiger als gefälschte oder teilweise ge 
fälschte Manuskripte kommen zur Täuschung angefer 
tigte Einzelminiaturen vor. Bei Ankauf solcher kann 
nicht genug Vorsicht empfohlen werden. 
In Paris soll ein an den Beinen gelähmter, am 
Lehnstuhl gefesselter Herr sich mit grossem Erfolg mit 
Nachahmung alter Miniaturen befasst haben. Ich habe 
von dieser Hand schon eine Menge religiöser und pro 
faner Darstellungen gesehen: Kreuzigungen, Szenen aus 
dem Heiligenleben, Porträts berühmter Persönlichkeiten 
(Königin Elisabeth von England, Maria Stuart u. a.). 
All diese Blätter, auf altem Pergament gemalt, sind 
ausserordentlich sorgfältig behandelt und nur für das 
geübte Auge als Fälschungen erkennbar. Auch eine 
Anzahl Tafelmalereien von derselben Hand treiben sich 
in der Welt herum. , 
Grosse Vorsicht ist bei Ankauf von Autographen 
anzuempfehlen, denn diese wurden, namentlich im 19. 
Jahrhundert, im grossen fabriziert. Einer der fruchtbarsten 
dieser Fälscher war ein Franzose namens Vrain Denis 
Lucas, der Sohn eines Bauern von Chateaudun, 1818 
geboren. Er soll mehr als 30.000 Briefe gefälscht und 
glänzend verkauft haben. Sein bester Klient und Haupt 
abnehmer war der berühmte französische Mathematiker 
Michel Chasles, ein Gelehrter von Weltruf. 
Mit kindischer Naivetät hat sich Chasles von Lucas 
düpieren lassen. Verkauft hat er ihm Briefe (NB. in 
französischer Sprache!) vom hl. Lazarus an St, Petrus, 
von S. Maria Magdalena an Lazarus, von Cleopatra an 
Cäsar, von Castor an Jesus Christus. Nicht'zu verwun 
dern ist nach diesen Proben der Ankauf von apokryphen 
Briefen Galileis, Shakespeares, Rabelais usw. 
Wenn wir in Lucas einen universellen Fälscher 
kennen gelernt haben, so muss ich nun eines Spezial 
fälschers gedenken. 
Am Ende des 19. Jahrhunderts tauchten plötzlich 
eine Anzahl Inkunabeln und Frühdrucke auf, welche 
Widmungen von der Hand Martin Luthers enthielten. 
Die Bücher waren meist in prächtige altgotische Ein 
bände gebunden, die Inschriften mit der etwas blassen
	        
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