MAK
Nr. 13 
Internationale Sammler-Zeitung 
Seite 99 
solches Gedränge gesehen. Zuerst mußte man draußen 
in der engen Rue de Seze sich anstellen, was natürlich 
die Wartenden nicht in frohe Stimmung brachte. Man 
murrte, zumal diejenigen, die das Recht auf die ersten 
Sitzreihen im Saal der Kunsthandlung Retit erworben 
hatten, zuerst eingelassen wurden. Endlich wurde die 
Tür auch für die übrigen Besucher geöffnet und nun 
entspann sich eine wilde Jagd, um eines Sitzplatzes 
habhaft zu werden. Im Nu war der geräumige Saal 
vollgefüllt. Hinter den Sesseln staute sich das Publikum 
bis zum Ausgang, aber alles harrte bis zum Schlüsse 
aus, atemlos der schwindelerregenden Zahlenflucht fol 
gend. Denn ein Bietender jagte den anderen und es 
war ein höchst spannender Wettstreit, in dem die 
besseren Nerven den Ausschlag gaben. 
Allerdings dauerte es nicht allzulange. Die 87 
„Nummern“ des Katalogs waren in drei Stunden er 
ledigt und nach Abzug der Steuern und Gebühren 
1 1,698.450 Francs eingenommen. Während der Ver 
steigerung wurde kaum gesprochen, und wer, da er 
Kaufpläne hatte, seinen neben ihm sitzenden Ratgeber 
um dessen Meinung fragte, tat es nur mit einem einzigen 
geflüsterten Wort. Die Bietenden sprachen ebenfalls 
nicht, sie nickten nur mit dem Kopf, um anzudeuten, 
daß sie mitgehen, worauf sich der Leiter der Auktion 
mit einem Blick und einem Schwenken des Hammers 
zur Gegenpartei wandte, um zu fragen, ob sie dasselbe 
tue. So ging es fort mit rasender Geschwindigkeit, bis 
einer der Mitbewerber den Wettlauf aufgab. Die Um 
sitzenden verfolgten das Spiel mit angehaltenem Atem. 
Der Leiter der Auktion trieb unermüdlich den Preis 
jedes Stückes in die Höhe und die Zeichen der Zu 
stimmung oder Ablehnung flogen mit Blitzesschnelle 
durch den Saal. Geschickt und beredt, die Zauderer 
ermunternd und zur Eile antreibend, handhabte der 
Auktionator das geaichte Zeremoniell. 
Man sah zahlreiche Ausländer im Publikum. Die 
Kenner wußten aus den Schriften von Hofstede de Groot 
und Bode, was diese Sammlung wert war. Aus London, 
New-York, Amsterdam, Rom und Frankfurt waren sie 
gekommen, für Rechnung holländischer u. amerikanischer 
Liebhaber wurden die bedeutendsten Käufe vorgenommen, 
Dabei ist vor allem das Bild einer jungen Frau von 
Franz Hals zu erwähnen, das Du veen, der amerikanische 
Antiquar, für 2,100.000 Francs erstand. Es war auf eine 
Million geschätzt und das erst Angebot lautete auf 
400.000. Ein anderes Bild von Franz Hals, eine alte 
Frau darstellend, ging mit 920.000 Fr. weg. Hobbemas 
A. FÖRSTER 
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Antiquitäten 
Ostasiatica 
Objets cl’art 
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WIEN I., Kohlmarkt 5. 
„Hof in der Sonne“ war mit 800.000 Francs ausgerufen 
worden und wurde nach besonders heftigem Wettbewerb 
um 1,320.000 Francs dem Londoner Kunsthändler 
Knoedler zugeschlagen. 
Viele der Meisterwerke aus Ridders Sammlung er 
warb der Pariser Sammler Klein berger. So Pieter 
de Hoochs „Junge Mutter“ und „Blühender Garten“ 
um 160.000, beziehungsweise 250.000 Francs; Nikolaes 
M a e s „Frau beim Entenzupfen“ um 245.000 Francs; 
Rubens, Porträt des Malers Frans Francken um 
125.000 Franc, Porträt der Isabella Brandt um 275.000 
Franc. Ruysdaels „Dorfweg" brachte 130’000 Francs, 
Ter Borchs „Leserin" 128.000 Francs. 
Eine Entäuschung boten die relativ niedrigen Preise 
für Rembrandtbilder. So ergab „Junges Mädchen am 
Fenster“ nach einem Ausrufspreis von 500.000 zwar 
600.000 Francs, aber „Flora“ blieb bei 300.000 Francs 
um 100.000 unter der Schätzung und das Herrenportät 
aus der Familie Ramau bei 710.000 um 90.000. 
Von den übrigen Bildern seien noch genannt: 
Cuyp, „Rast in der Herberge“ 195.000, „Der Brief" 
vom Meister der weiblichen Halbfiguren 
100.000, „Stadtansicht“ von Ruysdael 130.000, 
„Siesta" von Jan Steen 322.000 und seine „Zeichen 
stunde" 210.000 Francs. Besonders hoch ging Ter 
Borchs „Musikstunde" nach einem Ausrufspreis von 
80.000 Francs mit 310.000 
Eine neue C 3itderfätscßer-3iffeire in ‘Wien. 
Noch ist die Bilderfälscheraffäre Iber all, über 
die wir in Nr. 7 berichtet haben, nicht geklärt, als schon 
eine neue die Wiener Sammlerwelt in Aufregung 
versetzt. 
Durch eine Anzeige kam die Polizei zur Kenntnis, 
daß der Inhaber der Kunsthandlung Brüder N e do 
rn a n s k y, Rittmeister a. D. Geza J e n v a y, IV. 
Wiedener Hauptsraße 23, seit Jahr und Tag gefälschte 
Bilder in den Handel bringt. Während man Jenvay 
bei der Polizei verhörte, wurde in dessen Geschäft 
eine Durchsuchung vorgenommen, d^r die bekannten 
Kunsthändler Alfred W a w r a und Hermann Fromme 
als Experten zugezogen wurden. Tatsächlich stieß man 
auf 6 0 Bilder, die die Sachverständigen als plumpe 
Fälschungen erkannten. Einzelne trugen die Signatur 
Louis Chandernent, ein Name, der in der Kunstliteratur 
überhaupt nicht vorkommt, andere waren mit den 
Namen Wiener Künstler mittlerer Qualität signiert, so 
mit F. X. Petter, Seitz, Schön, Treml, Heicke 
u. a. Die Fälschungen waren für den Kenner auf den 
ersten Blick durch den frischen Lack erkennbar, mit 
dem sie bestrichen waren: auch äußerte sich die Ver 
brecherdummheit darin, daß die „Originalrahmen“ der 
angeblich alten Bilder sehr jungen Datums waren. 
Zudem brachte Jenvay, um seine wenig kunstverstän 
digen Kundschaften — denn nur solche konnten in 
Betracht kommen — leichter zu täuschen,* auf der Rück 
seite der Bilder mit Schreibmaschine geschriebene aus 
führliche Biographien der Meister an, von denen die 
Bilder angeblich stammten. 
Dem Geschäfte war ein Atelier angeschlossen, in 
dem die von Jenvay herangezogenen Maler zu arbeiten
	        
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