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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 1
Eine weitere Skizze des gleichen Künstlers, etwa von
1435, findet sich in der & Albertina. Nicht ausgestellt
ist eine Büste aus der umfangreichen Kärntnerwerkstatt
um 1510. Sie stammt aus der Predella eines zerstör
ten Altares aus Reisach im Gailtal und wurde einst auf
mein Betreiben der Staatsgalerie gespendet. Des weiteren
finden sich einige, allerdings nicht entscheidende
deutsche Alabasterarbeiten in der Sammlung. Eine
Menge von solchen ähnlicher Art aus der englischen
Gruppe birgt die Estensische Sammlung. Einige der
allerwichtigsten Holzschnitzereien sind im Museum für
Kunst und Industrie am Stubenring. Es ist schade, daß
dort aus dem Grunde von Material und Technik neben
mittleren Werten, Hauptwerke wie Riemenschneiders
Figur mit ihrer entzückenden Fassung aufbewahrt sind.
Das gleiche Museum verwahrt eine sehr schöne Bischof
büste aus der selten erfaßten und beschriebenen Zeit
1430 bis 1440.
Die Zeitbestimmung läßt sich durch das einwand
frei signierte Altärchen von 1434 in Maria Pfarr bei
Tamsweg im Lungau in überzeugender Weise gewinnen.
An einem dritten Orle, dem Rathausmuseum, ist
eine der wichtigsten Reihe von Plastiken in ziemlich
ungünstiger Weise aufgestapelt. Wir würden es der
Ehre unserer lieben Heimatstadt halber wünschen, daß
dort endlich eine durchgreifende Hand mit den allgemeinen
Erfahrungen der letzten Jahrzehnte eingreifen würde.
Wahrlich, der Stil, der etwa für Retz oder Eggenburg
paßt, ist bei uns nicht zeitgemäß. In den Sälen mit
dem schönsten Lichte sind Damenspenden und römische
Legionsziegel ausgestellt.
Es ist schon beklagenswert, daß die schönen
Scheiben auch dersüdlich über dem Riesentor derStephans-
kirche gelegenen Kapelle so willkürlich zwischen Stuben
ring, Rathaus und Stephanskirche zerrissen sind. Es wäre
ein leichtes, sie mit dem Aufwande weniger Kronen an
den alten Ort zu retten und meinetwegen solange für
diese wichtige Sehenswürdigkeit Wiens Eintritt zu er
heben, bis das Geld zurückgestellt ist. Fast würde ich
mich verbürgen, das Geld als Schenkung in Wien auf
zutreiben. Vielleicht würden die lebenden Künstler ihren
toten Vorfahren, gewiß keinen in Betracht kommenden
Konkurrenten, den Dienst erweisen, auch hier ihre
Stimme um der Kunst willen zu erheben.
Doch noch weit wichtiger ist die Stein- und Holz
plastik aus dem Dome von St. Stephan im Rathaus-
Museum. Sie allein bildet eine Reihe, die das ganze
14. Jahrhundert durchläuft, in dem Oesterreich die He
gemonie der südostdeutschen Kunst in Plastik und Ma
lerei erreicht hat. Die merkwürdige Verkennung dieser
reichen Kunst hat nicht zum wenigsten in den bekla
genswerten Museal-Verhältnissen auf unserem Gebiete
ihren Ursprung. So wichtige Reste wie die des ehe
maligen Hochaltares von St Stephan, genau datierbar
1336—1338, sind noch nie ernstlich veröffentlicht wor
den. Die Reihe meiner Studien von dem Glasmalerei-
Buch an kämpft um die Erkenntnis von der Wichtigkeit
der österreichischen Kunst speziell im 14. Jahrhundert.
Zum mindest ebenbürtig, wenn nicht überlegen, tritt sie
neben die hochgerühmte böhmische Kunst. Als ich einst
die Anregung gab, ein paar Figuren von der Nordfassade
des unausgebauten Turmes von St. Stephan (an der Ori
ginalstelle durch mäßige Kopien ersetzt) als Leihgaben
für das Museum anzusprechen, wurde das unsinnige
Gerücht von Käufen ausgesprengt. Doch auch mit dem
Rathaus-Museum ist die Reihe noch nicht erschöpft. Ein
grandioser überlebensgroßer Torso einer weiblichen Figur
um 1300, die man etwa in der Gegend der Kapuziner
gruft ausgegraben hat, steht heute im finstersten Winke!
des Gipsmuseums der Akademie, wo ihn kein Mensch
sucht. Ein paar minder wichtige Stücke sind im Nieder
österreichischen Landesmuseum. Architekturplastik von
St. Stephan ist in den Katakomben verwahrt. Früh
renaissance-Reliefs sollen in der Krypta der Peterskirche
sein. Im Archiv des Schottenstiftes ist ein prachtvoller
romanischer Löwe etc. etc. Kaum ist überhaupt eine
Uebersicht über das Vorhandene gegeben. Ein neuer
Zentralpunkt würde gewiß recht Vieles zürn Vorschein
bringen. Wenn nicht anders würde der Handel so
manches, das seinen Besitz durchläuft, anbieten und
spätere Zeiten würden den Weg manch wichtiger Sache
nach Oesterreich zurücklenken. Es ist seit langem und
ungeheuer viel aus Oesterreich verschleppt worden. Ich
bin — es soll die letzte Erwähnung meiner Person sein,
die wie alle anderen nur die Berechtigung des Mitredens
erklärt — seit einiger Zeit mit folgender Arbeit beschäf
tigt: Ein systematisches Inventar aller gotischen Bild
werke in Oesterreich aus öffentlichem und Privatbesitz
aufzustellen. Zugleich soll der Nachweis aller Literatur,
aller Abbildungen und Meister geführt werden. Diese
Arbeit soll auch nach Kräften die ins Ausland ver
schleppten Stücke umfassen.
Eine Sensation des Gondoner EKunstmarktes.
Wir haben in der letzten Nummer des Jahrganges
1924 über die Aufsehen erregende Entdeckung der
Retnbrandt-Sammlung des Mr. John Eduard Rudge
berichtet, die acht Jahrzehnte lang im Safe einer dor
tigen Bank unbeachtet schlummerte. Die Versteigerung
der Sammlung hat unterdes (am 16. und 17. Dezember)
bei C h r i s t i e stattgefunden und sich, wie nicht anders
zu erwarten war, zu einer Sensation des Londoner
Kunstmarktes gestaltet. Wer sich im dreieinigen König
reich und in den benachbarten Staaten, namentlich in
Holland, für Rembrandt-Blätter interessierte, war nach
der Themse-Stadt geeilt, um an der seltenen Verstei
gerung teilzunehmen, die Rarissima in ungewöhnlicher
Fülle bot.
Der erste Tag der Versteigerung brachte rund
13.000, der zweite 21 000 Pfund. An diesem Resultat
partizipieren insbesondere drei Rembrandt-Radierungen
mit je 1100 Pfund, darunter das berühmte Blatt „Chri
stus heilt die Kranken" (Hundertguldenblatt) in einem
herrlichen Exemplar des zweiten Zustandes. „Christus
vor Pilatus", das Rudge im Jahre 1798 für vierzehn
Schillinge erworben hatte, ging für ebenfalls 1100 Pfund
in den Besitz von Men sing in Amsterdam über,
während der fünfte Zustand der gleichen Arbeit 290
und der achte Zustand 400 Pfund erzielte. „Rernbrandt
an der Steinbrüstung" brachte im ersten prachtvollen
Zustand 530, zwei Abdrücke des „Mordechai" 105, die
„ Anbetung" im dritten Zustand 105 und die „Einführung
in den Tempel" gleichfalls 105 Pfund.
Der Höhepunkt der Auktion war dem zweiten Tag
Vorbehalten, an dem ein erster Zustand des Porträts
des Arnoldus Tholinx, seinerzeit Inspektor der Am
sterdamer Spitäler, unter den Hammer kam. Bisher waren,
wie von uns schon hingewiesen, im ganzen nur zwei
Exemplare dieses Zustandes bekannt, das eine im
British Museum, das andere beim Lord Rothschild,
das hier versteigerte Exemplar war also das dritte,
das bekannt geworden und reizte natürlich die Sammler
in höchstem Grade. Mit 550 Pfund ausgerufen, ging
es denn auch auf fast viertausend Pfund, die der
Londoner Kunsthändler Colnaghi erlegte. Ob er das
Blatt tatsächlich für einen amerikanischen Liebhaber