MAK
Nr. 23 
INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG 
Seite 227 
vorragend schöne, reich mit figürlichen und floralen Orna 
menten verzierte böhmische Prachtinitialen E und U vom aus 
gehenden 14. Jahrhundert. 
Interessant und reich an seltenen, schon lange nicht mehr 
öffentlich ausgebotenen Blättern ist auch die Sammlung von 
Graphik des 18. Jahrhunderts. Frankreich und 
England, die beide im 18, Jahrhundert einen nie wieder er 
reichten Höchststand an technischem Können und künstleri 
schem Raffinement im Handhaben des Grabstichels erlebten, 
sind mit erlesensten und repräsentativsten Arbeiten vertreten. 
Von den Hauptmeistern beider Länder, Bonnet und Ward, 
findet man Hauptblätter in hervorragendsten Exemplaren, 
Von Bonnet sein berühmtes, in Farben gedrucktes Porträt 
der Marquise von Pompadour, ein mit so bravouröser Tech 
nik in Crayon gestochenes Blatt, daß man es noch von einem 
wirklichen Pastell unterscheiden kann, Ferner seine Mäd- 
chenbildnisse, die in der von ihm erfundenen Manie in Gold 
rahmen gefaßt sind. Von William W ar d gibt es die wohl 
berühmtesten in Farben gestochenen Genrebilder Englands: 
„The Widow's Tale" und „The Disaster". Daneben enthält 
die Sammlung, neben einer Menge moderner Arbeiten dieser 
beiden Hauptmeister viele andere zum Teil höchst seltene 
Blätter von Bartolozzi. Boilly, Boucher, Cosway, Coutellier, 
Demarteau, Descourtisi Gaugain, Janinet, Morland, Reynolds, 
Smith, Watteau, Wheatley u, a. 
Den Schluß des Katalogs bildet eine Reihe von Sport 
blättern von und nach Alken, Harris, Hunt, Morland, Suther 
land u, a. 
*Dic JCerbstversteigerungen bei C. S. <J3ocrncr. 
Aus Leipzig wird uns .geschrieben: 
Wenn in der Vorbesprechung die Herbstaukti 
onen des Hauses C. G. Boerner als eines der 
wichtigsten Ereignisse des Kunstmarktes .bezeichnet 
wurden, so lieferte die Versteigerung, die vom 15, 
bis 17. November durchgeführt wurde, dafür die 
glänzendste Bestätigung. Um den Riesentisch im 
Vorträgssaal des Museums der bildenden Künste 
saßen wieder die Führer der deutschen Kabinette, 
Geheimrat Friedländer (Berlin), Geheimrat 
Hampe (Nürnberg), Professor Weigmann 
(München), Direktor Zöge von Manteuffel 
(Dresden), dessen englischer Kollege, Direktor C. 
D o d g s o n vom Britischen Museum, neben ihnen 
die großen europäischen Händler Colnaghi 
(London), Guiot und Godefroy (Paris), A r- 
taria & Co. (Wien), Gilhofer und Ransch- 
burg (Wien—Luzern), Gutekunst & Klip 
stein und S t r o e 1 i n (Bern), Z a z z a r i n i und 
Weckesser (Brüssel), die deutschen Graphik 
firmen Hollstein & Puppel und Amsler- 
& Ruthardt (Berlin), nebst einigen anderen. Da 
zwischen die bedeutenden Privatsammler, an ihrer 
Spitze Dr. Bierens de Haan (Amsterdam) und 
Rudolph (Königsberg). Andere hatten Vertreter 
entsendet. Es fehlten die großen Amerikaner, die 
immer im Herbst wegen ihrer eigenen Verkaufs- 
Saison unabkömmlich sind, doch hatten sie Auf 
träge geschickt oder Beauftragte. Somit waren von 
Käuferseite alle Vorbedingungen für einen Erfolg 
gegeben. Auf der anderen Seite bot das Material 
stärksten Kaufreiz. Die Fülle der angebotenen 
Niederländer, seltene und noch vor dem Kriege kaum 
geschätzte Blätter bedeuten heute für Sammler und 
Händler begehrte Ware. Vor allem Dr. Bierens de 
Haan, der größte Sammler holländischer Graphik, 
benützte in großem Stile die nicht so bald wieder 
kehrende Gelegenheit, seine Sammlung zu erwei 
tern. Der Wettstreit zwischen ihm und anderen 
Käufern ergab so für die Niederländer hohe, zum 
Teil überraschende Preise und beträchtliche Tax- 
überschreitungen. 
B o 1 und Bosch zogen daraus Nutzen und das 
Jüngste Gericht nach Bosch konnte Colnaghi erst 
nach erbittertem Kampf gegen de Haan um 9400 
Mark an sich bringen. Die Breughel-Serie 
ging sehr flott. Dr. Bierens de Haan konnte sich die 
große Seeschlacht endlich für 2300 Mark sichern. 
Die Landschaften waren sehr begehrt, so daß die 
schönsten Bilder über 300 Mark erzielten. Die be 
rühmte Originalradierung, die Hasenjagd, erstand Dr. 
Bierens de Haan für 1550 Mark, die schönsten der 
Schiffe mußte er für über 300 Mark anderen über 
lassen. Die interessante „Steinoperation", ein sehr 
gesuchtes medizinisches Kuriosum ging auf 700 
Mark. ’ 
Das gleiche Bild bot die Serie des eigenartigen 
und sehr seltenen Manieristen A. C 1 a e s z, die 
durchschnittlich das Dreifache der Schätzung 
brachte. Hiebei gelangen auch dem Dresdener Ka 
binett einige hübsche Erwerbungen, Den schönen 
Lautenspieler nach Aldegrever bekam Colnaghi erst 
für 1000 Mark. Dazwischen kamen Meister anderer 
Nationalitäten zu Wort. Für den Franzosen Bosse 
zahlten hauptsächlich Pariser Händler gute Preise, 
die etwas über den Taxen lagen. Das herrliche 
Porträt des Erzbischofs Jacques Benigue Bossult 
kostete .1580 Mark. Cranach ging ebenfalls 
über die Schätzungen. 
Albrecht Dürer rief wieder die gesamte inter 
nationale Käüferwelt auf den Plan. Stroelin kaufte 
die schöne Maria mit dem Kinde auf der Rasen 
bank B 34 für 4100 Mark, Artaria den brillanten 
Druck der Jungfrau mit dem Kind am Baume, B 35, 
für 2850 Mark, Maria an der Mauer, B 40, erwarb 
die Fine Art Society in London für 1500 Mark; 
Guiot gab 6000 Mark für ein schönes Exemplar der 
Madonna mit der Meerkatze, Einen herrlichen hl. 
Hubertus kauften Gilhofer & Ranschburg für 8400 
Mark, Guiot bekam einen sehr feinen Druck der 
Eifersucht, B 73, für 2200 Mark. Ein deutscher 
Privatsammler erstand das prachtvolle Exemplar 
der großen Fortuna für 5100 Mark. Von kleineren 
Blättern kauften andere deutsche Sammler die 
besten Stücke. So erwarb ein Leipziger Sammler 
die schönsten Probedrucke der Holzschnitte, die 
brillanten Marienleben-Blätter B 83 und B 84, für 
1000 und 1250 Mark. Den schönen Probedruck der 
„Ruhe auf der Flucht nach Aegypten“, B 90, konnte 
wieder Colnaghi für 1300 Mark erreichen, doch ge 
lang Amsler & Ruthardt der Erwerb des ,,H1, Chri- 
stophorus“, B 103, für 2500 Mark und des Hiero 
nymus-Holzschnittes, B 114, für 1350 Mark, zwei 
schöne Käufe für Deutschland. 
Dann folgten wieder Niederländer. Dazwischen 
kaufte Stroelin einen ganz feinen Druck des Rinder 
hirten von Claude L o r r a i n für 1200 Mark. Die 
Partie Jakob de Cheyn brachte wieder mehr als 
die Schätzungspreise. Die lange G o 1 t z i u s - 
Serie mit vielen schönen Porträts entsprach der 
Taxe. Neben Dr. Bierens de Haan verteilten sie 
sich auf Kabinette, darunter die Berliner, Dresdner 
und Londoner. Die Clair obscurs wurden am teuer 
sten. Das schöne große Blatt, Herkules erschlägt 
den Cacus, B 231, ging für 590 Mark an Dr. de 
Haan, Allgemeine Aufmerksamkeit erregte der Ver 
kauf der beiden schönen und ganz seltenen Gos 
sa e r t s. Amsler & Ruthardt mußte für die ganz 
seltene, schöne Madonna an der Mauer 5400 Mark 
zahlen, Dr. de Haan 3000 Mark für die radierte 
Verspottung Christi. Die nächste Sensation brach 
ten die Stiche Nicolas H o g e n b e r g s, brillante
	        
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