Nr. 23
INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG
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vorragend schöne, reich mit figürlichen und floralen Orna
menten verzierte böhmische Prachtinitialen E und U vom aus
gehenden 14. Jahrhundert.
Interessant und reich an seltenen, schon lange nicht mehr
öffentlich ausgebotenen Blättern ist auch die Sammlung von
Graphik des 18. Jahrhunderts. Frankreich und
England, die beide im 18, Jahrhundert einen nie wieder er
reichten Höchststand an technischem Können und künstleri
schem Raffinement im Handhaben des Grabstichels erlebten,
sind mit erlesensten und repräsentativsten Arbeiten vertreten.
Von den Hauptmeistern beider Länder, Bonnet und Ward,
findet man Hauptblätter in hervorragendsten Exemplaren,
Von Bonnet sein berühmtes, in Farben gedrucktes Porträt
der Marquise von Pompadour, ein mit so bravouröser Tech
nik in Crayon gestochenes Blatt, daß man es noch von einem
wirklichen Pastell unterscheiden kann, Ferner seine Mäd-
chenbildnisse, die in der von ihm erfundenen Manie in Gold
rahmen gefaßt sind. Von William W ar d gibt es die wohl
berühmtesten in Farben gestochenen Genrebilder Englands:
„The Widow's Tale" und „The Disaster". Daneben enthält
die Sammlung, neben einer Menge moderner Arbeiten dieser
beiden Hauptmeister viele andere zum Teil höchst seltene
Blätter von Bartolozzi. Boilly, Boucher, Cosway, Coutellier,
Demarteau, Descourtisi Gaugain, Janinet, Morland, Reynolds,
Smith, Watteau, Wheatley u, a.
Den Schluß des Katalogs bildet eine Reihe von Sport
blättern von und nach Alken, Harris, Hunt, Morland, Suther
land u, a.
*Dic JCerbstversteigerungen bei C. S. <J3ocrncr.
Aus Leipzig wird uns .geschrieben:
Wenn in der Vorbesprechung die Herbstaukti
onen des Hauses C. G. Boerner als eines der
wichtigsten Ereignisse des Kunstmarktes .bezeichnet
wurden, so lieferte die Versteigerung, die vom 15,
bis 17. November durchgeführt wurde, dafür die
glänzendste Bestätigung. Um den Riesentisch im
Vorträgssaal des Museums der bildenden Künste
saßen wieder die Führer der deutschen Kabinette,
Geheimrat Friedländer (Berlin), Geheimrat
Hampe (Nürnberg), Professor Weigmann
(München), Direktor Zöge von Manteuffel
(Dresden), dessen englischer Kollege, Direktor C.
D o d g s o n vom Britischen Museum, neben ihnen
die großen europäischen Händler Colnaghi
(London), Guiot und Godefroy (Paris), A r-
taria & Co. (Wien), Gilhofer und Ransch-
burg (Wien—Luzern), Gutekunst & Klip
stein und S t r o e 1 i n (Bern), Z a z z a r i n i und
Weckesser (Brüssel), die deutschen Graphik
firmen Hollstein & Puppel und Amsler-
& Ruthardt (Berlin), nebst einigen anderen. Da
zwischen die bedeutenden Privatsammler, an ihrer
Spitze Dr. Bierens de Haan (Amsterdam) und
Rudolph (Königsberg). Andere hatten Vertreter
entsendet. Es fehlten die großen Amerikaner, die
immer im Herbst wegen ihrer eigenen Verkaufs-
Saison unabkömmlich sind, doch hatten sie Auf
träge geschickt oder Beauftragte. Somit waren von
Käuferseite alle Vorbedingungen für einen Erfolg
gegeben. Auf der anderen Seite bot das Material
stärksten Kaufreiz. Die Fülle der angebotenen
Niederländer, seltene und noch vor dem Kriege kaum
geschätzte Blätter bedeuten heute für Sammler und
Händler begehrte Ware. Vor allem Dr. Bierens de
Haan, der größte Sammler holländischer Graphik,
benützte in großem Stile die nicht so bald wieder
kehrende Gelegenheit, seine Sammlung zu erwei
tern. Der Wettstreit zwischen ihm und anderen
Käufern ergab so für die Niederländer hohe, zum
Teil überraschende Preise und beträchtliche Tax-
überschreitungen.
B o 1 und Bosch zogen daraus Nutzen und das
Jüngste Gericht nach Bosch konnte Colnaghi erst
nach erbittertem Kampf gegen de Haan um 9400
Mark an sich bringen. Die Breughel-Serie
ging sehr flott. Dr. Bierens de Haan konnte sich die
große Seeschlacht endlich für 2300 Mark sichern.
Die Landschaften waren sehr begehrt, so daß die
schönsten Bilder über 300 Mark erzielten. Die be
rühmte Originalradierung, die Hasenjagd, erstand Dr.
Bierens de Haan für 1550 Mark, die schönsten der
Schiffe mußte er für über 300 Mark anderen über
lassen. Die interessante „Steinoperation", ein sehr
gesuchtes medizinisches Kuriosum ging auf 700
Mark. ’
Das gleiche Bild bot die Serie des eigenartigen
und sehr seltenen Manieristen A. C 1 a e s z, die
durchschnittlich das Dreifache der Schätzung
brachte. Hiebei gelangen auch dem Dresdener Ka
binett einige hübsche Erwerbungen, Den schönen
Lautenspieler nach Aldegrever bekam Colnaghi erst
für 1000 Mark. Dazwischen kamen Meister anderer
Nationalitäten zu Wort. Für den Franzosen Bosse
zahlten hauptsächlich Pariser Händler gute Preise,
die etwas über den Taxen lagen. Das herrliche
Porträt des Erzbischofs Jacques Benigue Bossult
kostete .1580 Mark. Cranach ging ebenfalls
über die Schätzungen.
Albrecht Dürer rief wieder die gesamte inter
nationale Käüferwelt auf den Plan. Stroelin kaufte
die schöne Maria mit dem Kinde auf der Rasen
bank B 34 für 4100 Mark, Artaria den brillanten
Druck der Jungfrau mit dem Kind am Baume, B 35,
für 2850 Mark, Maria an der Mauer, B 40, erwarb
die Fine Art Society in London für 1500 Mark;
Guiot gab 6000 Mark für ein schönes Exemplar der
Madonna mit der Meerkatze, Einen herrlichen hl.
Hubertus kauften Gilhofer & Ranschburg für 8400
Mark, Guiot bekam einen sehr feinen Druck der
Eifersucht, B 73, für 2200 Mark. Ein deutscher
Privatsammler erstand das prachtvolle Exemplar
der großen Fortuna für 5100 Mark. Von kleineren
Blättern kauften andere deutsche Sammler die
besten Stücke. So erwarb ein Leipziger Sammler
die schönsten Probedrucke der Holzschnitte, die
brillanten Marienleben-Blätter B 83 und B 84, für
1000 und 1250 Mark. Den schönen Probedruck der
„Ruhe auf der Flucht nach Aegypten“, B 90, konnte
wieder Colnaghi für 1300 Mark erreichen, doch ge
lang Amsler & Ruthardt der Erwerb des ,,H1, Chri-
stophorus“, B 103, für 2500 Mark und des Hiero
nymus-Holzschnittes, B 114, für 1350 Mark, zwei
schöne Käufe für Deutschland.
Dann folgten wieder Niederländer. Dazwischen
kaufte Stroelin einen ganz feinen Druck des Rinder
hirten von Claude L o r r a i n für 1200 Mark. Die
Partie Jakob de Cheyn brachte wieder mehr als
die Schätzungspreise. Die lange G o 1 t z i u s -
Serie mit vielen schönen Porträts entsprach der
Taxe. Neben Dr. Bierens de Haan verteilten sie
sich auf Kabinette, darunter die Berliner, Dresdner
und Londoner. Die Clair obscurs wurden am teuer
sten. Das schöne große Blatt, Herkules erschlägt
den Cacus, B 231, ging für 590 Mark an Dr. de
Haan, Allgemeine Aufmerksamkeit erregte der Ver
kauf der beiden schönen und ganz seltenen Gos
sa e r t s. Amsler & Ruthardt mußte für die ganz
seltene, schöne Madonna an der Mauer 5400 Mark
zahlen, Dr. de Haan 3000 Mark für die radierte
Verspottung Christi. Die nächste Sensation brach
ten die Stiche Nicolas H o g e n b e r g s, brillante