Internationale
^ammler^eifunjj
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
23. Jahrgang
Herausgeber: Norbert Ehrlich
Wien, 1. Juni 1931
Nr. 11
Die Sammlung fernes.
Aus München wird uns geschrieben:
Nun heißt’s Abschied nehmen von der Sammlung
Marczell von Nemes, Noch einmal, in den Tagen
vom 8, bis 13. Juni, wird man die Kunstschätze, die
dieser einzigartige Mann zusammengetragen hat, in
seinem Palais in der Leopoldstraße bewundern, dann
wandern sie in die Tonhalle in der Türkenstraße,
wo sie durch die Kunsthäuser Mensing & Sohn i
(Frederik Müller &
Co.), Amsterdam,Paul
Cassirer, Berlin u.
Hugo Helbing in Mün
chen aufgelöst werden
In zwei Partien wird
sich das Ereignis voll
ziehen: Am 18. und
19. Juni kommt der
erste Teil, im Herbst
der zweite Teil unter
den Hammer, Wie in
der »Internationalen
Sammler-Zeitung«
schon mitgeteilt wur
de, erstreckt sich der
erste Teil auf die al
ten Gemälde, die Tex
tilsammlung sowie auf
dieSkulpturen und das
Kunstgewerbe.
Schon bei den Bil
dern staunt man über
Nemes’ Vielseitigkeit.
War auch Greco so
zusagen sein Stecken
pferd, von dem Ne
mes einmal mehr als
ein Dutzend Bilder
besessen hat, so ver
nachlässigte er über
ihn nicht die Meister
der anderen Schulen
des 14. bis 18. Jahrh.
Das florent. Quattro
cento ist mit so kostbaren Tafeln, wie die Werke
von Fra Angelico vertreten. Unter den altdeutschen
Bildern ragt ein Männerkopf von Dürer hervor,
der nach dem Gutachten Friedländers bald nach
1500 entstanden ist, zur Zeit, als sich Dürer mit der
Proportionslehre in bezug auf den Menschenkopf
zu beschäftigen begann. Von den altniederländischen
Fig. 1. Rembrandt, Saskia als Athene.
Bildern zieht die Aufmerksamkeit die Beweinung
Christi von Jan Provost auf sich, R u b e n s ist durch
das 1612 bis 1614 für das Grab von Pieter Breughel
dem Aelteren in der Kirche von Notre Dame de la
Chapelle in Brüssel gemalte Bild »Christus übergibt
Petrus die Schlüssel« repräsentiert.
Die Holländer des 17. Jahrhunderts, die in den
meisten Privatsammlungen quantitativ überwiegen,
nehmen hier relativ
geringen Raum ein,
da das Beschauliche,
Umfriedete und Bür
gerliche, wie Fried
länder im Vorwort zu
dem Prachtkatalog
hervorhebt, Nemes
nicht zu verführen
vermochte. Immerhin
finden wir einen vor
trefflichen »Pieter de
G o o g h« (Häusliche
Szene) und manches
andere von den klei
neren und mittleren
Holländern, wie Pau
lus Moreelse, Aert
Pietersz u, a. Von
Frans Hals besaß
Nemes »Lustige Ge
sellschaft« und »Bild
nis! eines Gelehrten»,
von Rembrandt
die (in Figur Nr, 1)
abgebildete »Saskia
als Athene« und den
»Fabius Maximus«,
der selbst den freu
dig überrascht, der
mit der Kunst dieses
Großen in allen ihren
Wandlungen und Ver
zweigungen vertraut
zu sein glaubt,
mit Fülle und D'ich-
Helldunkel abgewin-
Mit grandiosem Aufbau,
tigkeit, dem reif gewordenen
nend, hat der Meister das Heroische der römischen
Historie ausgedrückt.
Zu den Glanzpunkten der Sammlung gehören
weiters die italienischen Koloristen B e 11 i n i,
Tizian, T i e p o 1 o. Tintoretto und Francesco