Das sind überaus reizvolle kleine Kunstwerke, sehr gut passen zu ihnen die Süchtigen
hingewischten Farbennuancen, mit denen sie behandelt sind. Das Momentane des Einfalls
kommt auch in diesem Material besser zum Ausdruck als zum Beispiel in den sehr stoff-
verwandten Bronze-Improvisationen des Fürsten Troubetzkoi, der auch den Charme und
das fliessende Linienspiel der Frauenschleppen liebt. Dies ewig Wechselnde, bei jedem
Schritte Spielende, mit jedem Griff Changierende wird aber durch die Bronze oft zu
starr fixiert.
Dem Desjan verwandt, als Anbeter des Augenblicks, ist Hoetger. Er gibt sich aber
robuster. Ihn reizt nicht nur die Eleganz einer Bewegung. Ihn reizt die Bewegung über-
haupt, wenn sie nur lebendig ist, ob es die Geste eines „S0us OH" ist, der mit an-
gespannter Miene breitbeinig in seinen bauschigen Hosen dastehend, unter dem hoch-
geschlagenen Rock sich den Säbel gürtet oder die verwegene Richtung eines in pendelndem
Glockenrock direktionslos gegen den Wind lavierenden bezechten Flaneurs mit schiefem
Zylinder und hochgeschlagenem Kragen.
Diesen Kindern der Welt steht die lyrisch-mystische Kleinplastik Valgrens gegen-
über. Skizzenhaft sind seine Bronzen auch, erhascht und geballt in der Eingebung des
Momentes, aber es sind nicht „Impressions de la rue", es sind Erinnerungen ausTräumen.
Diese schmächtigen Sehnsuchtsgestalten von kranker, hinschwindender Grazie, die sich
aneinander ranken in müder Trauer, les ämes tristes, die mit ihren weltfernen Augen hell-
sichtig den Linien der langen schmalen Hände folgen, sind nicht Menschen-, sondern
Seelenskizzen,Visionen. Und eine feine Stilnuance ist's, dass diese Valgrenschen Geschöpfe
nicht auf festen Füssen stehen, sondern in Schleierfalten nach unten verl-liessen, gleich der
Astarte des Gabriel Max, Gestalten aus einem Zwischenreich.
Einer Frau begegnet man unter diesen Bildnem, der Frau Burger-I-Iartmann, einer
schlichten, feinen und sicheren Künstlerin. Ein hervorragend schönes Stück ihrer letzten
Arbeiten ist eine silberne Zuckerschale. In der Form von grosser leichter Einfachheit mit
der breiten Leibung und dem wie in freiem Spiel umgeblätterten Rand und sehr schön in
dem matten Silberton und edel in dem Reigen, der sich in weichem Relief um die
Wandung zieht.
Ein alter Name aus der Geschichte der Keramik, der im Laufe der Zeiten gering
geworden, wird in dieser Ausstellung erneut, der Name Bunzlau. Diese ehrwürdige
Mutter behäbiger braunglasierter Familienkannen will noch einmal jung werden und
der neuen Zeit dienen. Auf eine ausgezeichnete Idee kam die Fabrik. Sie liess sich von dem
Tierbildhauer Gaul, einem anschauungsstarken und formsicheren Plastiker, dessen grosse
Bronzelöwin mit ihren monumentalen Flächen von der vorigen Sezessionsausstellung in
bewundernder Erinnerung ist, Tiermodelle machen. Diese Modelle sind natürlich überaus
lebendig geraten und geben in der frappanten Wirkung des momentanen Wurfes der
Kopenhagener Menagerie nichts nach. Ebenbürtig ist sich das Getier. Aber nicht in einem
Atem darf man die keramischen Ausführungen nennen. Die Kopenhagener Manufaktur
gibt in der Glasierung sich so selbstverständlich. dass wirklich warmes Leben in diesen
Körpern zu fluten scheint. Die Bunzlauer haben diese natürliche Sicherheit noch nicht.
Ihre Tiere wirken nicht entstanden, sondern behandelt. Allzu verschwenderisch arbeiten
sie mit metallischen Reflexen und zerstören mit dem spielerigen Gefunkel die nervigen
federnden Linien, die Gaul einem Tiger gegeben. In einer I-Iahnenkampfgruppe ist das
Lustre besser am Platz, und am gelungensten vielleicht geriet ein gelblich-weisser Meer-
vogel mit aufgesperrtem Schnabel. Der grosse Unterschied jedoch zwischen all diesen
Stücken und den Kopenhagener Arbeiten, sowie den französischen Plastiken aus Gres liegt
darin, dass bei Bunzlau die Farbe wie äusserlich aufgetragener Firnis erscheint, während
bei jenen - gut zeigt das hier eine aus Mullers Manufaktur stammende Gruppe von Falguiere
„Sortir de Pecole" - die getönte Oberfläche organisch von innen aus dem Material heraus
entwickelt wirkt, der animalischen Haut gleich, die von pulsierendem Blut farbig belebt wird.
I Felix Poppenberg